Herr Schwab, welche Auswirkungen hat der Asylkompromiss der EU und der CDU/CSU auf die Migration in und durch die Schweiz?
Die EU-Staaten wollen die Außengrenzen gemeinsam besser schützen. Deshalb müssen wir uns fragen, welche Wirkungen unsere Entscheidungen in Deutschland auf die Nachbarländer haben. Denn die Flüchtlinge versuchen, sich von Süden aus nach Norden durchzuschlagen. Ich sehe das Risiko, dass Transitzentren Rückwirkungen haben: Ein Transitzentrum südlich der deutschen Grenze von Konstanz, bei dem Flüchtlinge untergebracht würden, die rein rechtlich noch nicht nach Deutschland eingereist sind, stößt deshalb auf Kritik in der Schweiz. Nationale Maßnahmen schieben die Verantwortung an die Außengrenzenstaaten. Dort wollen wir ja aber gemeinsam für mehr Ordnung und Kontrolle sorgen.
Das heißt, die Forderung der CSU ist keine Lösung...
Wir müssen ein gemeinschaftliches System errichten, das nachhaltig wirkt. Dazu brauchen wir europaweit abgestimmte Lösungen an den europäische Außengrenzen. In einem zweiten Schritt brauchen wir einen innereuropäischen freiwilligen Verteilungsmechanismus. Das kann nur gelingen, wenn man gemeinsam mit den Nachbarn Lösungen findet, und nicht indem man an ihrer Grenze unabgestimmt Transitzentren errichtet.
Droht die Schweiz zur Ausweichstrecke der Flüchtlinge zu werden, wenn an den Grenzen zu Österreich solche Zentren entstehen?
Deutschland wird seine Grenzen nach Süden zu Österreich und der Schweiz hin sicher in gleicher Weise sichern. Deshalb glaube ich nicht, dass es eine neue Route über die Schweiz geben wird. Aber wenn jedes Land eigene Strukturen aufbaut, ist das allenfalls die zweit beste Lösung, bei der man sich fragen muss, ob sie überhaupt eine Lösung bietet.
Wie schätzen Sie die Folgen für Baden-Württemberg ein, wenn nur nach Österreich hin stärker kontrolliert wird?
Dann wäre die Konsequenz, dass Flüchtlinge aus Italien über die Schweiz versuchen würden, nach Norden zu gelangen. Die Schweiz hat zwar in Chiasso ein neues Zentrum gebaut, das 1500 Leute pro Tag aufnehmen und registrieren kann. Aber wenn ein größerer Flüchtlingsstrom käme, ist die Frage, ob das noch zu bewältigen wäre.
Wie hoch schätzen Sie die Zahl der Flüchtlinge, die illegal nach Deutschland weiter ziehen?
Es kommt sehr stark darauf an, wie viele Flüchtlinge in die Schweiz kommen. Das waren 2016 mehr, 2017 deutlich weniger. Aber es ist sicher so, dass da eine deutliche Lücke klafft. Deshalb müssen wir dafür sorgen, dass schon in Italien die Außengrenzen geschützt werden.
Was bringt es, Flüchtlinge in zentralen Asylzentren zu beherbergen, wenn ein Großteil nicht dort bleibt, sondern weiterzieht?
Das wäre wirkungslos, aber genau deshalb hat der EU-Gipfel nun ja vorgeschlagen, dass wir eine Lösung brauchen, um auch Sekundärmigration zu verhindern. Dazu müssen jedoch geschlossene Aufnahmezentren für Migranten eingerichtet werden.
Ist das neue Schweizer Asylgesetz eine mögliche Blaupause für Deutschland?
Grundsätzlich ist die Zusammenführung der Behörden und Gerichte am Ort der Aufnahme der Schlüssel. Nur wenn alle betroffenen Behörden an einem Tisch sitzen, kann man gute und schnelle Entscheidungen treffen. In Baden-Württemberg haben wir das ja teilweise schon geschafft.