Frau Stappenbeck, sind Sie – nicht als Schauspielerin, sondern als Leserin oder Zuschauerin – ein Krimi-Fan?
Ich mag tolle Dramen oder tolle Comedy, das finde ich total spannend. Krimis mag ich auch, aber ich bin nicht regelrecht süchtig danach, so wie manch anderer. Also: Für mich muss es nicht Krimi sein.
Was braucht es, damit Sie sich für einen Krimi begeistern können?
Für mich muss er überraschende Wendungen haben, reiche Charaktere, also spannende und interessante Menschen, und ich muss etwas daraus lernen können. Oft sind Mörder ja verzweifelte Seelen oder auch Opfer von bestimmten Umständen. Mal ganz grob gesagt: Vielleicht haben sie etwas Schreckliches erlebt, das sie nicht verarbeitet haben, und dann finden sie für sich einfach keinen anderen Weg, als jemanden umzubringen. Auch wenn das nicht zu rechtfertigen ist: Durch einen guten Krimi lerne ich, einen Mörder nicht nur zu verteufeln, sondern durch ihn etwas vom Leben besser zu verstehen – zum Beispiel, was einen Menschen zum Mörder macht. Vielleicht führt das ja zu mehr Miteinander und auch dazu, dass man jemandem helfen kann, bevor er zum Mörder wird…
Das alles trifft auf Ihren neuen Film "Der 7. Tag" auch zu, oder?
Ich finde schon, dass wir einen Film gemacht haben, der wirklich überraschend ist. Und ich denke auch, dass man die Verzweiflung des Mörders sehen kann. Der Film hat auf jeden Fall alle Elemente, die ein guter Krimi braucht.
Wie haben Sie sich auf Ihre Rolle vorbereitet?
Ich habe das gemacht, was ich immer mache: Ich lese das Drehbuch so oft, bis es bei mir einen Klick-Moment gibt, bis alle Fragen beantwortet sind. Dann habe ich das Gefühl, dass es zwischen mir und der Rolle keine Trennung mehr gibt. Das ist dieser Klick-Moment. Und was ich auch gern mache, und was ich als eine sehr effektive Vorbereitungsmethode empfinde, ist eine Drehbuch-Aufstellung. Das kommt aus dem therapeutischen Bereich – Stichwort: Familien-Aufstellung. Das kann man auch für Filme und ihre Figuren machen. Ansonsten gibt es natürlich auch Gespräche mit Kollegen oder Leseproben. Und manchmal suche ich mir auch einen Coach, wenn ich bei der Vorbereitung an meine Grenzen stoße.
Ihre Figur, Sybille Thalheim, ist in einer schwierigen Situation. Sie wurde von ihrem Mann verlassen, als sie hochschwanger war, und hat alles verloren. Dann wacht sie plötzlich neben seiner Leiche auf. Ob sie ihn umgebracht hat oder nicht, wollen wir nicht verraten. Aber angenommen, sie hätte es getan – hätten Sie dafür Verständnis?
Eigentlich gibt es kein Verständnis für Mörder, nicht mal, wenn sie im Affekt gehandelt haben.
Aber könnten Sie so eine Tat nachvollziehen?
Da fehlt im Deutschen vielleicht das richtige Vokabular… Manchmal scheint so etwas nachvollziehbar, weil es möglicherweise unausweichlich war – obwohl es wahrscheinlich immer einen anderen Weg gibt.
Warum wollten Sie die Rolle spielen? Gab es da auch einen Klick-Moment?
Es gibt es verschiedene Faktoren. Ich bin natürlich immer daran interessiert, mit tollen Kollegen zu arbeiten – in dem Fall waren das der Regisseur Roland Suso Richter und die Schauspieler Katharina Schüttler und Marcus Mittermeier. Dann kommt für mich manchmal die Rolle erst an zweiter Stelle. Als ich gehört habe, wer bei "Der 7. Tag" dabei ist, war ich schon mal total begeistert. Was ich dann an der Rolle von Sybille so mochte, ist, dass ihr etwas Unfassbares passiert, sie aber trotzdem nicht aufgibt. Nicht mal im Angesicht des Todes. Das hat mich gereizt.
Macht es vom Arbeitsablauf oder vom Endergebnis her einen Unterschied, mit welchen Kollegen Sie arbeiten?
Ich glaube, wenn man das Glück hat, mit hochkarätigen Kollegen zusammenzuarbeiten, kommt die Inspiration schneller. Und am Set hat man ja manchmal nicht viel Zeit. Um Berühmtheit geht es dabei nicht. Mit richtig tollen Schauspielern zu arbeiten, ist ein Geschenk. Weil man dann auch seine eigenen Grenzen erweitert – das ist immer mein Ziel, mein Wunsch, Rollen noch besser zu verstehen und noch besser zu spielen. Mit der Inspiration von Kollegen funktioniert das natürlich gut.
Der Film arbeitet viel mit Rückblenden. War das für Sie beim Dreh schwierig?
Man dreht die Szenen immer nach Orten. Wenn es zum Beispiel ein Restaurant gibt, in dem mehrere Szenen spielen, dann dreht man einen Tag lang in dem Restaurant – vielleicht erst eine Szene, die vor zehn Jahren spielt, dann eine aus der Gegenwart. Man muss also manchmal ganz schön durch die Zeit springen. Dabei hilft zum Beispiel ein anderes Kostüm oder eine andere Frisur. Was ich auch manchmal mache: Ich markiere meinen Text im Drehbuch in verschiedenen Farben. Blau für die Gegenwart und Rosa für die Vergangenheit, zum Beispiel. Solche kleinen Tricks helfen.
Haben Sie sich den fertigen Film angeschaut, um zu sehen, wie die verschiedenen Erzählstränge zusammengefügt wurden?
Natürlich habe ich den Film gesehen – obwohl es mir immer ein bisschen schwerfällt, mir selber zuzuschauen. Ich kann nicht objektiv über den Film reden, weil ich zu sehr drinstecke, aber soweit ich das beurteilen kann, ist das alles extrem gut gelöst worden. Ich bin nicht durcheinandergekommen, aber ich kenne natürlich auch das Drehbuch.
"Der 7. Tag" ist ja nun keine romantische Komödie, sondern ein Krimi mit allem Drum und Dran. Wie ist das, wenn man abends vom Dreh nach Hause kommt: Wie lange brauchen Sie, um runterzukommen?
Das dauert ein bisschen. Ich habe mir immer eingebildet, dass ich ganz normal bin, wenn ich von der Arbeit nach Hause komme. Aber im Lauf der Jahre habe ich gelernt, dass man einen Drehtag nicht so einfach abschütteln kann. Ich würde mal sagen, dass 60 Prozent von mir wirklich zu Hause ankommen, während 40 Prozent noch den restlichen Drehtag verarbeiten und schon den nächsten vorbereiten.
Klingt anstrengend …
Ich habe mal einen Improvisationsfilm gedreht, bei dem ich für den nächsten Tag nichts vorbereiten konnte. Das war verrückt, weil ich das Gefühl hatte, ich komme nach Hause und habe wirklich Feierabend, kann ins Kino gehen oder andere Sachen machen. Das geht mir bei anderen Filmen nicht so. Aber in der Zeit, es sind ja doch nur vier oder fünf Wochen, ist es auch mal in Ordnung, wenn nur 60 Prozent von mir zu Hause sind. (lacht)
Sie haben mal gesagt, dass Sie es eigentlich ganz gut finden, über 40 zu sein, weil es für Sie jetzt spannendere Rollen gibt.
Das stimmt. Ich habe ja das Glück, dass ich in der Reihe "Ein starkes Team" eine sehr spannende Kommissarin spielen darf. Dort und bei all dem, was ich daneben noch drehe, finde ich die Bandbreite total groß. Ich sehe ein bisschen jünger aus, dadurch komme ich einerseits für die jüngeren Frauen infrage, andererseits aber auch für die erwachseneren Frauen, deren Kinder schon ein bisschen größer sind. Ich habe das Gefühl, dass gerade die tollste Arbeitszeit meines Lebens habe!
Spielen Sie denn zurzeit auch noch Theater?
Nein, leider. Seit meine Tochter geboren wurde, stand ich nicht mehr auf der Bühne. Aber ich habe wirklich große Sehnsucht danach. Ich halte schon immer schon Ausschau und überlege, wie ich das Theater wieder mal in mein Leben integrieren könnte. Vier Wochen proben und vier Wochen spielen, mir diese zwei Monate freizuschaufeln, das steht wirklich dringend an.
Haben Sie das Gefühl, dass es Ihnen gelingt, Familie und Beruf zu vereinbaren?
Zurzeit wird viel in Berlin gedreht, wo ich lebe – und auch meine Hauptarbeit, "Ein starkes Team", findet ja in Berlin statt. Und wenn mal etwas nicht in Berlin gedreht wird, bin ich eben zwei, drei Tage weg und dann wieder zu Hause. Und zwischen den Filmen habe ich richtig frei und habe dann auch mehr Zeit als andere Mütter. Dann hole ich meine Tochter aus der Kita ab und bin die ganze Zeit für sie da. Wenn ich drehe, ist das natürlich nicht so, aber ich habe trotzdem das Gefühl, dass die Balance funktioniert.
Apropos Balance: Vor ein paar Jahren haben Sie sich eine Auszeit genommen, waren erst in New York und sind dann mit dem Rucksack durch Südamerika gereist. War das nicht auch riskant, so mittendrin in der Karriere einfach mal weg zu sein?
Das war wirklich spontan – und im Winter, in einer Zeit, in der wenig gedreht wurde. Ich wusste, es steht kein Projekt an, und wenn ein Angebot gekommen wäre, wäre ich wieder nach Deutschland geflogen. Deshalb habe ich mir die Freiheit genommen, einfach mal woanders in der Welt zu sein. Und so ähnlich war es auch mit der langen Reise durch Südamerika, die war im Winter und Frühjahr – das ist in der Filmbranche einfach eine gute Zeit zum Verreisen, weil da wenig gedreht wird.
Können Sie sich vorstellen, so etwas noch mal zu machen, dieses Mal mit Kind?
Unbedingt! Dadurch, dass ich zum ersten Mal in eine TV-Reihe eingebunden bin – wir drehen vier Filme im Jahr –, ist es allerdings nicht mehr ganz so einfach. Aber ich träume schon davon, mal ein paar Wochen lang zu verreisen. Mal sehen, ob ich das nächstes Jahr schon hinkriege oder die Zeit fürs Theaterspielen nutze. Das ist eine Entscheidung, die ich treffen muss.
Und denken Sie über ein zweites Kind nach?
Meine Schwester hat gerade ein Kind bekommen, da kann ich all meine Baby-Gelüste ausleben. (lacht) Ich bin froh über die Freiheit, die ich als Mutter gerade wiedergewinne, jetzt wo Frida dreieinhalb ist.
Fragen: Nicole Rieß
"Der 7. Tag": 23. Oktober um 20.15 Uhr im ZDF
Zur Person
Stefanie Stappenbeck, 43, wurde bereits als Kind in den Achtzigerjahren von Talentsuchern des DDR-Fernsehens entdeckt und trat in Filmen wie "Die Weihnachtsgans Auguste" auf. Bereits mit 18 stand sie auf der Bühne des Deutschen Theaters in Berlin, später spielte sie bei den Hamburger Kammerspielen und dem Berliner Ensemble. Für das Fernsehen war sie in mehreren Folgen von Tatort und Polizeiruf 110 zu sehen, in Heinrich Breloers Doku-Drama "Die Manns" spielte sie Monika Mann. In der ZDF-Reihe "ein starkes Team" spielt sie die Kommissarin Linett Wachow. (brg)