Herr Uibel, Sie sind in drei Folgen der ARD-Serie "Um Himmels Willen" zu sehen. Sie sind 20, das Format ist nur vier Jahre jünger als Sie. Kann ein junger Mensch eigentlich nachvollziehen, dass eine Serie im deutschen Fernsehen über so lange Zeit erfolgreich läuft?

Ich mache das jetzt zum zweiten Mal, ich war ja schon einmal dabei. Auch damals war ich mir nicht gleich sicher, ob ich das machen will, weil es nicht unbedingt ein Format ist, das auf den ersten Blick zu mir passt. Es ist ein Kontrastprogramm zu dem, was ich sonst mache. Gerade deshalb habe ich mich schließlich dafür entschieden – und auch, weil ich so die Möglichkeit hatte, mit großartigen Schauspielern zusammenzuarbeiten. Eine Serie, die seit 16 Jahren erfolgreich läuft, hat auf jeden Fall ihre Legitimierung. Ich persönlich finde es wahnsinnig interessant, mal zu sehen, wie da gearbeitet wird. Es ist wirklich ganz anders als die Projekte, die ich gewohnt bin.

Könnten Sie sich vorstellen, ein Format, das Ihren Geschmack trifft, als Zuschauer über eine so lange Zeit zu verfolgen?

Prinzipiell schon. Ich schaue gern Serien und finde es immer schade, wenn sie vorbei sind. Wobei ich sagen muss, dass es tendenziell doch so ist, dass es ab der dritten, vierten Staffel oft nicht mehr ganz so spannend und interessant ist wie vorher. Aber wenn mich eine Serie über viele Staffeln packt, dann bin ich auch bereit dranzubleiben. Das ist mir bisher allerdings noch nicht passiert. (lacht)

Sie spielen in "Um Himmels Willen" Wolfi Wöller, den Enkel des Serien-Bürgermeisters. Wie ergeht es Wolfi denn in den neuen Folgen?

Beim letzten Mal wollte der junge Mann ja Bürgermeister werden. Dieses Mal kommt er mit seiner Freundin aus Teneriffa zu Besuch. So viel darf ich preisgeben – und ich darf auch verraten, dass Wolfis Freundin glaubt, schwanger zu sein. Damit stellt sie seine Welt völlig auf den Kopf. Ob sie wirklich ein Kind bekommt, das werden die Zuschauer dann sehen …

Wie nah ist Ihnen Wolfi? Gibt es einen Bezugspunkt, oder ist Ihnen die Figur völlig fremd, weil sie völlig anders ist als Sie selbst?

Völlig anders ist er nicht und völlig fremd ist er mir auch nicht. Im Endeffekt ist er ein Jugendlicher, ein bisschen jünger als ich, aber es gibt da natürlich Überschneidungen. Er ist sicher unbeholfener als ich in der Art und Weise, wie er durch den Alltag geht und mit seinen Problemen umgeht. Er ist quirlig und ein bisschen zu voreilig mit seinen Entscheidungen – da kann man vielleicht eine Gemeinsamkeit feststellen. (lacht)

„Um Himmels Willen“ spielt in einer eher ländlichen Gegend. Wie war der Dreh für Sie als Großstadtmensch?

Die Serie wird ja in Landshut und Umgebung gedreht. Wenn man in Berlin ins Flugzeug steigt, dann in München ankommt und schließlich nach Landshut fährt, ist das wie eine andere Welt. Eine Welt, die ich persönlich aber sehr genießen kann. Mal ein par Tage oder eine Woche dort zu sein, finde ich erfrischend und entschleunigend. Das Leben dort hat sicher viele Vorteile, aber für mich wäre es nichts – selbst wenn die Menschen in Berlin deutlich unfreundlicher als im Süden. Ich finde es wichtig, dass man, gerade wenn man in Berlin lebt, keine Scheuklappen aufsetzt. Man hat dort ja oft das Gefühl, die Stadt sei repräsentativ für das ganze Land. Und gerade deshalb ist es immer wieder schön zu sehen, wie die Menschen anderswo leben. Das ist das Schöne an meinem Beruf, dass ich viel rumkomme. Das erweitert den Horizont.

Für einen jungen Schauspieler ist Berlin vermutlich der optimale Standort, oder?

Wenn es um Film geht, spielt sich auf jeden Fall vieles in Berlin ab. Man kann weniger verpassen, wenn man dort wohnt. Aber das heißt natürlich nicht, dass man keine Chance hat, wenn man woanders lebt.

Erinnern Sie sich noch an Ihr allererstes Mal vor der Kamera?

Das war 2008, ich habe den Kurzfilm „The String Puppet“ gedreht. Ich kann mich erinnern, dass es mir Spaß gemacht hat und dass mir das Spielen einigermaßen leicht fiel. Es sind schöne Erinnerungen, die ich mit dem Film verbinde, weil ich damals gemerkt habe, dass die Schauspielerei wirklich etwas für mich sein könnte, dass ich damit weitermachen will. Natürlich war ich aufgeregt – aber das habe ich als positiv empfunden. Dieses Herzklopfen kurz vor dem Take, das ist etwas, das man als Schauspieler braucht.

Sie sind schon eine ganze Weile im Geschäft. Wofür schlägt denn Ihr Herz am meisten? Theater, Fernsehen oder Kino?

Ich mache gerade zum ersten Mal eine Serie für Netflix, „Dogs Of Berlin“. Das wird aufregend, weil es eine ganz andere Art und Weise ist, eine Geschichte zu erzählen. Ich spiele eine relativ große Rolle, aber ich bin nicht Teil jedes Handlungsstrangs. Einen Kino-Film zu drehen ist natürlich etwas ganz anderes. Und Theater? Das mache ich immer mal wieder gern, aber als Alltag kann ich es mir nicht vorstellen. Momentan ist das Kino meine Heimat, aber wer weiß, welche Türen sich durch die Serie öffnen?

Von all Ihren bisherigen Projekten – welches hat Sie am meisten vorangebracht?

Das war auf jeden Fall „Freistatt“. Ich liebe es, solche Filme zu machen – Filme, die gesellschaftlich etwas bewegen können. Wir konnten mit dem Film Menschen eine Stimme geben, wir haben ehemaligen Heimkindern eine Plattform gegeben, um ihre Geschichte zu erzählen, damit man ihnen endlich glaubt. Das ist ein Film mit gesellschaftlicher, mit politischer Relevanz – da geht meine Aufgabe als Schauspieler am meisten auf, wenn ich unterhalten, aber gleichzeitig auch etwas bewegen kann. Für solche Geschichten brenne ich.

Sie sind noch sehr jung. Ist es eigentlich schwer, in Deutschland als Schauspieler Fuß zu fassen?

Es ist tatsächlich relativ schwer. Das liegt aber einfach daran, dass es sehr viele junge Schauspieler gibt, denen noch nicht wirklich bewusst ist, was dieser Beruf bedeutet, und die ihn auch nicht zwangsläufig mit voller Ernsthaftigkeit verfolgen. Dadurch ist es für Filmemacher natürlich schwierig zu erkennen, wer die wirklichen Talente sind. Und gerade junge Künstler haben es in so einer Situation schwer, sich durchzusetzen. Man muss sich immer wieder beweisen, man muss sich durchkämpfen – aber vielleicht ist das ja auch richtig so. Wenn alles zu leicht wäre, wäre das ja auch komisch.

Sie haben mal gesagt, dass Sie mit cholerischen Regisseuren kein Problem haben. Haben Sie am Set denn schon einschlägige Erlebnisse gehabt?

Tatsächlich habe ich noch keinen Regissseur erlebt, der viel rumgeschrien hat. Aber grundsätzlich ist mir ein Regisseur, der rumschreit, immer lieber als ein Regisseur, der gar nicht spricht. Was ich damit sagen will: Die Kommunikation zwischen dem Regisseur und den Schauspielern ist extrem wichtig.

Und wie sind Sie so beim Dreh?

Ich glaube, dass es wichtig ist, sich wirklich in die jeweilige Rolle hineinzuversetzen, damit man dann am Set nicht so viele Schwierigkeiten hat. Man muss so spielen, dass man offen bleibt, nicht verkrampft, alles wahrnimmt und auf Impulse reagieren kann, die von den Kollegen kommen.

Mal etwas ganz anderes: Gibt es eigentlich Ihren Food-Truck noch?

Ja, unseren Food-Truck gibt es noch. Wir sind ein kleines Unternehmen und auf verschiedenen Veranstaltungen unterwegs, je nachdem, wie wir Zeit haben.

Sind Sie, wenn Sie Zeit haben, auch mit dabei?

Ich bin manchmal auch selbst dabei, natürlich. Wir sind ja alle in verschiedenen Berufen unterwegs. Ich mache Filme – und „Dogs Of Berlin“ nimmt da gerade sehr viel Zeit in Anspruch, meine Freunde studieren. Wir sind alle vielbeschäftigt. Aber wenn wir Zeit haben, treffen wir uns und sind mit unserem Food-Truck unterwegs.

Sie waren mal aktiver Leichtathlet, haben die 600 Meter in 1 Minute und 36 Sekunden geschafft. Sind Sie immer noch so schnell?

Ich nähere mich dieser Zeit tatsächlich gerade wieder an, weil ich in „Dogs Of Berlin“ einen Fußballer spiele. Dafür trainiere ich viel im Fitnessstudio, damit das auch alles schön aussieht. (lacht) Ich glaube, die 1:36 würde ich wahrscheinlich noch schaffen.

Auf Ihrem Instagram-Account war vor Kurzem ein Bild zu sehen, das Sie mit Freunden in einer Bar zeigt – die Bildunterschrift lautete: „Coolest Monkeys In The Jungle.“ Kurz zuvor hatte es eine große Debatte gegeben, weil der Mode-Konzern H&M mit dem Bild eines schwarzen Jungen geworben hatte, auf dessen Pullover dieser Spruch stand. Stichwort: Rassismus. War das Ihr Beitrag dazu?

Ich wollte mit dem Bild gar nicht konkret dazu Stellung nehmen. Ich nutze meine öffentliche Rolle jedoch gerne als Sprachrohr und finde es schade, dass das Thema Rassismus nach wie vor ein Problem in unserer Gesellschaft darstellt. Beim Fußball zum Beispiel werden schwarze Spieler noch oft genug mit Affengeräuschen begrüßt, da viele beim Anblick von Schwarzen offenbar die Assoziation zu Affen haben. Das sind Missstände, die unbedingt geändert werden müssen.

Zur Person

Langston Uibel (20) wurde in London geboren und lebt seit 2006 in Berlin, wo er mit Freunden einen Food-Truck betreibt. Seine erste Hauptrolle hatte er 2008 als Kindersoldat im Kurzfilm "The String Puppet". Zu seinen wichtigsten Rollen zählt er seinen Auftritt als Anton im Kino-Drama "Freistatt" (2015). Auch in der Kino-Komödie "High Society" (2017) war Uibel zu sehen. In der ARD-Serie "Um Himmels Willen" hat er eine wiederkehrende Rolle, demnächst ist er auf Netflix in "Dogs Of Berlin" zu sehen.