Steffen Rüth

Die vier Followills, Sänger Caleb (34), Schlagzeuger Nathan (37), Bassist Jared (29) und Gitarrist Matthew (32, als einziger kein Bruder, sondern Cousin), sind in Berlin, um über „Walls“ zu sprechen, ihr siebtes Album. Heute machen sich die vier, die alle in Nashville im US-Bundesstaat Tennessee leben, einen vergleichsweise lockeren Lenz. „Ich habe zehn Stunden am Stück geschlafen“, berichtet Nathan, erst um zwölf Uhr mittags sei er aufgestanden. „Zu Hause bekomme ich solch einen Luxus nicht.“ Der Mann hat Kinder, um sechs ist die Nacht meist vorbei. Auch für Matthew (acht Stunden Schlaf) sei der Berlin-Ausflug „so etwas wie Urlaub“.

Sie müssen fit sein, und sie wollen fit sein, erzählen die beiden nun. Viel Sport hätten sie den Sommer über gemacht, in ihren Villen in und um Nashville hat sich jeder der vier – alle sind verheiratet, bis auf Jared auch alle schon Väter – ein kleines Fitness-Studio eingerichtet, dort habe man trainiert. „Wir sind sehr diszipliniert und gewissenhaft, denn wir glauben zu hundert Prozent an das neue Album“, sagt ein glattrasierter, noch immer studentisch wirkender Matthew, der genau wie Nathan (der mit Hut, Bart und Zopf aussieht wie früher die Bee Gees) sehr, sehr freundlich und höflich ist.

Mit neuem Album "Walls" wollen sie zurück an die Spitze

Mit „Walls“ will die Band, die 2003 das erste Album „Youth & Young Manhood“ herausbrachte – damals war Jared nicht einmal volljährig –, und die schnell erfolgreich durch die ganze westliche Welt tourte, verlorenes Terrain zurückgewinnen. Denn nach dem außerordentlich erfolgreichen „Only By The Night“-Album, das 2008 erschien und mit „Sex On Fire“ sowie „Use Somebody“ jene beiden Songs der Bandgeschichte hervorbrachte, die auch Leute mitsingen können, die den Namen Kings Of Leon vielleicht noch nie gehört haben, lief es kommerziell nicht mehr so gut. Um den Privatjet-Macarons-Bodyguard-Status zu halten, muss jetzt doch einigermaßen dringend ein echtes Erfolgs-Album her. Zumal es in den vergangenen Jahren auch sonst zum Teil eher durchwachsen lief.

Caleb musste nach einem Komplett-Ausraster vor fünf Jahren in den Alkoholentzug, den er erfolgreich bewältigt hat, und auch das Verhältnis untereinander sei insgesamt nicht so grandios gewesen, so konnte man allenthalben lesen und hören. „Sicher gab es Spannungen in der Band“, stellt Nathan klar, „aber das ist in den Medien übertrieben worden. So krass war das nie.“ Vor der Auflösung hätten die Kings Of Leon zu keinem Zeitpunkt gestanden. „Richtig ist, dass wir nach Jahren des Vollgasgebens heiß gelaufen waren und eine Pause brauchten. Wir haben ein Jahr innegehalten und geschaut, wo wir als Menschen stehen. Das dieser Phase sind wir gestärkt zurückgekehrt.“

„Walls“ ist ein überzeugendes Album, es bietet das, was viele Menschen an den Kings Of Leon schätzen. „Waste A Moment“ oder „Find Me“ haben diese hymnische Erhabenheit, dieses glorreiche Stadion-Rock-Gen vom Schlage eines Bruce Springsteen oder den Kollegen von U2. Die abschließende, mächtige Titel-Ballade erinnert an Neil Young, es gibt entspannt-folkige („Muchacho“) und mitreißend-rhythmische Stücke („Over“), und wer nach einem potenziellen Radio-Hit sucht, der findet ihn in „Around The World“. So groovig, so glücklich, so erotisch aufgeladen, so tanzbar war die Band seit „Sex On Fire“ nicht mehr. Matthew: „Ziel war, ein Album zu machen, das Höhen und Tiefen, Ebbe und Flut hat. Niemand soll sich bei ,Walls‘ langweilen.“

Der neue Produzent fordert viel von den Jungs - mit Erfolg

Damit es auch für die Musiker spannend bleibt, die einräumen, dass die Zusammenarbeit mit Produzent Angelo Petraglia zuletzt beim Album „Mechanical Bull“ zu routiniert ablief, verpflichteten sie als neuen Produzenten einen harten Knochen, einen Schleifer. Markus Dravs, der bekannt ist für seine Arbeit mit Arcade Fire oder Mumford & Sons, holte die Band nach Los Angeles und machte Druck. „Markus gab uns zu verstehen, dass er nicht unser Freund sein wollte während der Arbeit“, so Nathan Followill. „Er war nicht gemein oder rüde, aber er hatte eine klare Vision. Oft wussten wir den ganzen Tag nicht, ob er mit uns zufrieden oder ob er enttäuscht ist, erst abends sagte er dann oft nur: ,Gute Arbeit, Jungs!‘“

Dravs hat die Kings Of Leon aus ihrer, Komfortzone geholt, und zwar so richtig. Ein Beispiel: „Waste A Moment“ sei erst ein langsames Lied gewesen, der Produzent forderte die Band aber auf, es so schnell zu spielen wie möglich, und jetzt hört es sich an wie ein echtes Stadion-Monster. „Wenn du als Band erfolgreich bist, das unterscheidet dich von einer Fußballmannschaft zum Beispiel, dann hast du nur noch Ja-Männer um dich herum“, hat Matthew beobachtet, „also Leute, die dir in den Arsch kriechen, weil sie sich Vorteile davon erhoffen. Mit Markus waren wir endlich mal wieder mit einem Nein-Mann zusammen, er hat uns, nachdem wir gegenseitig Vertrauen zueinander gefasst hatten, wirklich enorm viel gebracht.“ Und am Ende der Aufnahmen zu „Walls“ sei natürlich auch der ultrakritische Markus Dravs höchst zufrieden gewesen.

So klingen die Kings of Leon: ihre größten Hits und zwei neue Songs

"Sex On Fire" (2008)

"Use Somebody" (2008)

"Radioactive" (2010)

"Waste A Moment" (2016) aus dem neuen Album

"Walls" (2016) aus dem neuen Album