Ein neues Album, das erste seit fast 40 Jahren, war für 2017 angekündigt. „Dieses Album ist meiner geliebten Toddy gewidmet“, hatte Chuck Berry dazu kommentiert. Fast 70 Jahre war die Rock'n'Roll-Legende mit Themetta „Toddy“ Berry verheiratet. „Mein Darling. Ich werde alt. Ich habe lange an diesem Album gearbeitet. Jetzt kann ich meine Schuhe an den Nagel hängen.“ Aber Berry wird die Veröffentlichung des Albums nicht mehr erleben. Der oft als „Mr. Rock'n'Roll“ bezeichnete Musiker starb am Samstag (Ortszeit) im Alter von 90 Jahren in seinem Haus in Wentzville in der Nähe von St. Louis im US-Bundesstaat Missouri.
Familie, Freunde, Fans, Kollegen und sogar frühere US-Präsidenten betrauerten den Tod des Musikers. „Hillary und ich lieben Chuck Berry, solange ich denken kann“, ließ Bill Clinton mitteilen. „Der Mann war untrennbar von seiner Musik – beide waren komplett originell und sehr amerikanisch. Er hat unsere Füße in Bewegung gesetzt und Freude in unsere Herzen gebracht. Und währenddessen hat er unser Land und die Geschichte der Musik verändert.“
Literaturnobelpreisträger und Musikkollege Bob Dylan hatte schon vor einigen Jahren dem „Rolling Stone“ gesagt, dass Berry in seinem Universum „unersetzlich“ sei. „Solange Chuck Berry da ist, ist alles, wie es sein soll.“ Und auch für Soul-Musiker Stevie Wonder war die Sache klar. „Es gibt nur einen wahren King des Rock'n'Roll. Sein Name ist Chuck Berry.“
Der 1926 in St. Louis geborene Afroamerikaner gab sich dagegen schon immer bescheiden. „Meine Sicht ist nach wie vor, dass ich all das Lob, das ich für meine Errungenschaften im Rock'n'Roll bekomme, nicht verdiene“, schrieb Berry in seiner Autobiografie. „Alles, was ich geschrieben habe, ist auch nicht über mich, sondern über die Menschen, die zuhören.“
Aber der Einfluss von Berry auf die Welt fetziger Gitarren-Riffs der 1950er, 60er und 70er-Jahre lässt sich kaum bemessen. Bands wie die Beatles, Rolling Stones und Beach Boys wurden von ihm maßgeblich beeinflusst. Als einer der größten Songschreiber und besten Gitarristen seiner Zeit hat Berry den Rock'n'Roll und davon inspirierte Musikgenres nachhaltig beeinflusst. Elvis mag die bildhafte Ikone und das Sexsymbol des Genres gewesen sein, doch Berry verkörperte dessen Mentalität mit seinen Kompositionen.
Charles Edward Anderson Berry, genannt „Chuck“, wuchs im Kreis einer großen Familie auf und entwickelte bald ein Gespür für Dichtkunst und Blues. Er nahm jeden Gig mit, den er kriegen konnte, teils für 15 Dollar pro Nacht, und machte sich in der Clubszene von St. Louis einen Namen. Beeinflusst wurde er von Blues-Größen wie Nat King Cole und seinem Idol Muddy Waters, der Berry in einer zweiminütigen Unterhaltung in Chicago schließlich dazu animierte, auf das „Chess“-Musiklabel zuzugehen.
Dort stellte sich der Erfolg schnell ein, als Berry 1956 den Hit „Roll Over Beethoven“ landete. „School Day“ und „Rock and Roll Music“ (beide 1957) sowie „Sweet Little Sixteen“ und sein wohl bekanntester Hit „Johnny B. Goode“ (beide 1958) folgten. Teenager und ländlich beeinflusste Hillbilly-Musiker aus dem Süden mochten Berrys Stil, und auch der zu der Zeit eher unbekannte Elvis erkannte das Potenzial und nahm Berrys Hit „Maybellene“ mit in seine Show auf. Musikalisch konnte der spätere „King“ Berry aber nie das Wasser reichen.
Neben groovigen Gitarrenläufen machte Berry vor allem den „Duckwalk“ zu seinem Markenzeichen, den Entenwatschelgang, der einer Anekdote zufolge eher aus der Not heraus entstand: Die Band hatte sich vor einem Konzert nicht mehr umziehen können, und so watschelte der stets stilbewusste Berry in zerknitterter Kleidung auf die Bühne, um von den peinlichen Falten abzulenken.
So hoch der talentierte Showman Berry im Musik-Business aufstieg, hatte er privat dennoch einige Tiefpunkte. Als Teenager hatte er wegen verschiedener Vergehen mehrere Jahre in Jugendhaft verbracht, 1961 wurde er erneut verhaftet und für anderthalb Jahre hinter Gitter gesteckt, weil er ein 14 Jahre altes Mädchen über die Grenze zweier Bundesstaaten gebracht hatte. Der Fund von Drogen und mit Minderjährigen gedrehte Pornofilmen in seinem Haus sowie Steuerhinterziehung brachten ihm erneut Ärger mit der Justiz ein. Zudem soll er Frauen auf der Toilette eines Restaurants gefilmt haben, das er 1989 gekauft hatte.
Den Rückblick auf seine herausragende musikalische Laufbahn dürften diese Episoden nur bedingt trüben. Der Grammy für sein Lebenswerk im Jahr 1985, die Aufnahme in die Rock'n'Roll „Hall of Fame“ im selben Jahr und viele weitere Auszeichnungen stellten unmissverständlich fest, dass Berry einer der ganz Großen war. Die Musik der Beatles und der Rolling Stones, die ihre Kompositionen Berrys Stil nachempfanden, ist Teil seiner Hinterlassenschaft.
Vielleicht war es genau aus dem Grund auch der Beatle John Lennon, der die künstlerische Leistung Berrys am besten zusammenfasste: „Wenn man Rock'n'Roll umbenennen wollte, müsste man ihn Chuck Berry nennen.“
Die Anteilnahme am Tod des Musikers ist groß. Stars auf der ganzen Welt bekunden ihr Mitgefühl und feiern Chuck Berry in den sozialen Netzwerken.
In Los Angeles kamen Fans unmittelbar nach Bekanntwerden von Berrys Tod im Gitarrenzentrum am Sunset Boulevard zusammen und diskutierten über seinen Einfluss auf Generationen von Musikern, wie die „LA Times“ berichtete. Das „Rolling Stone“-Magazin nannte Berry den „wahren Paten“ des Rock'n'Roll. „Elvis war der erste Popstar des Rock, Chuck Berry aber der Meistertheoretiker und das konzeptuelle Genie“ des Genres Rock'n'Roll, schrieb die „New York Times“.
Chuck Berry's songs will live forever 3/3https://t.co/hS7mrZCyNZ pic.twitter.com/ImNKAHZWiX
— The Rolling Stones (@RollingStones) 18. März 2017
"If you had to give Rock 'n' Roll another name, you might call it Chuck Berry"
— John Lennon (@johnlennon) 18. März 2017
John Lennon (with Chuck Berry)
Mike Douglas TV Show, 1972 pic.twitter.com/ViJtLblEwt
"Roll over Beethoven" war mein erster Song auf der Gitarre
— Otto Waalkes (@OTTOausE) 18. März 2017
Chuck Berry war mein Lehrmeister
Hab nochn Autogramm von ihm
Danke für alles
o pic.twitter.com/opTjCBRabn
Selbst der Weltraum rockt zu "Johnny B. Goode". Der Song der Rocklegende wurde 1977 von der US-Weltraumbehörde Nasa mit den Raumsonden Voyager 1 und 2 ins All geschossen. Die Nasa versah die Sonden mit sogenannten Golden Records - Datenträgern mit Informationen über die Menschheit, darunter Bilddaten und Grußbotschaften an Außerirdische.
Auch 27 Musikstücke wurden auf den "Golden Records" gespeichert. Chuck Berry teilt sich die Ehre, die Menschheit gegenüber intelligenten Lebenwesen im All zu präsentieren, mit Mozart, Bach und Beethoven. "Johnny B. Goode" ist das einzige Rock- oder Popstück auf dem Datenträger, bei den anderen handelt es sich vorwiegend um klassische Stücke oder Volksmusik.
Derweil bat Berrys Familie, in ihrer Trauer nicht gestört zu werden. „Obwohl sich seine Gesundheit in letzter Zeit verschlechtert hatte, verbrachte er seine letzten Tage zu Hause, umgeben von der Liebe seiner Freunde und Familie“, hieß es auf Berrys Internetseite. Wie die Polizei auf Facebook mitteilte, hatten ihn Rettungskräfte am frühen Nachmittag leblos in seinem Haus in der Nähe von St. Louis im US-Bundesstaat Missouri gefunden und ihn nicht wiederbeleben können. Die Polizei „bestätigt traurig den Tod von Charles Edward Anderson Berry Sr., besser bekannt als der legendäre Musiker Chuck Berry“, heißt es in der Mitteilung weiter.
Der 1926 in St. Louis geborene Afroamerikaner galt als einer der Pioniere des Rock'n'Roll, als einer der größten Songschreiber und besten Gitarristen seiner Zeit. Er beeinflusste Musiker wie die Beatles, die Rolling Stones, die Beach Boys oder Bob Dylan. Berry habe den Rock'n'Roll zwar nicht erfunden, schrieb das US-Musikmagazin „Billboard“, aber: „Er hat ihn zu einer Geisteshaltung gemacht, die die Welt verändert hat.“