Herr Bourani, manche Ihrer Fans sind sehr jung, einige sind schon ältere Semester, viele sind so mittendrin. Was ist es für Sie als Musiker für ein Gefühl, zu wissen, so eine breite Masse anzusprechen?

Im Grunde war das immer ein Wunsch von mir: Ich wollte Musik machen, mit der ich alle erreiche. Für mich ist das höchste Ziel beim Schreiben immer Nachvollziehbarkeit – denn ein Text, den keiner versteht, ist nichts wert. Ich versuche Texte zu schreiben, die eine Geschichte erzählen, die Tiefe hat und die trotzdem jeder versteht, von der Oma bis zu den Enkelkindern. Dass man mit seiner Musik dann auch tatsächlich mehrere Generationen erreicht, ist nichts, das man planen kann, deshalb freue ich mich, dass es mir gelungen ist. Auf Konzerten begegne ich ja meinen Fans – und das ist bei mir wirklich ein sehr gemischtes Publikum.

Ist es beim Songschreiben nicht andererseits auch besonders schwierig, wenn man so viele verschiedene Menschen gleichzeitig ansprechen will?

Ich gehe da nicht so analytisch ran. Ich konzentriere mich eigentlich nur auf die Frage: Was berührt mich jetzt gerade? Und ich versuche, dabei so ehrlich wie möglich zu bleiben, weil ich daran glaube, dass wir im Grunde alle dieselben Dinge durchleben – jeder auf seine Art. Wenn mir Freunde etwas anvertrauen, dann bewegt mich das einfach. Das ist wahrscheinlich unabhängig davon, wie alt man ist oder wo man herkommt. Und deswegen versuche ich, in meinen Liedern Dinge zu erzählen, die ernst gemeint und die ehrlich sind.

Kommen Ihnen beim Songschreiben mal Gedanken wie „Das könnte ein Hit werden“? Oder lassen Sie sich einfach treiben?

Beim Schreiben habe ich eigentlich nur Spaß im Sinn. Ich merke das gerade wieder, weil ich oft im Studio bin und an meinem neuen Album arbeite. Ich treffe mich mit meinem Gitarristen – wir schreiben die Songs zusammen und hecken immer irgendwas aus. Wir lassen uns inspirieren, wir probieren einfach Sachen aus, wir spielen verschiedene Instrumente ein, wir versuchen verschiedene Melodien, das ist alles sehr spielerisch. Es geht in erster Linie darum, die Sachen zu machen, die wir gerade gut finden. Ob ein Song ein Hit wird, kann ich vorher nicht sagen. Es ist ein Trugschluss, das zu glauben. Man schreibt ja keine Hits, man schreibt nur Songs. Und wenn Songs sich oft verkaufen, dann sind sie Hits. Aber man weiß ja vorher nicht, was sich gut verkauft. Wenn ich da ein Rezept hätte …

Wann soll denn Ihr neues Album erscheinen?

Wahrscheinlich erst im nächsten Frühjahr. Bis ich fertig bin mit den Songs, bis dann alles eingespielt und produziert ist – das dauert einfach wahnsinnig lange. Deswegen wird das dieses Jahr wohl nichts mehr.

Was ist für Sie als Musiker der befriedigendste Teil der Arbeit? Im Studio zu sein oder auf der Bühne zu stehen?

Am liebsten stehe ich auf der Bühne, das muss ich schon sagen. Der Schreibprozess ist oft auch sehr mühsam, gerade wenn man manchmal einfach nicht weiterkommt. Und besonders die Texte sind immer sehr qualvoll für mich, eigentlich hasse ich das Texten! (lacht) Musik zu schreiben, fällt mir viel leichter – eine Melodie zu erfinden, ist viel gefälliger. Für den Text muss man in sich nach Geschichten graben. Und manchmal sind das dann halt Geschichten, die einem an die Nerven gehen. An so etwas zu arbeiten, kann sehr anstrengend sein. Und deswegen liebe ich es, auf die Bühne zu gehen, um meine Musik vorzustellen. Darum geht es ja letztendlich, und das verstehe ich auch nach wie vor als meinen Beruf. Der Dialog mit dem Publikum ist für mich das schönste Gespräch, das, was mir am meisten Spaß macht. Alles andere sind sozusagen Begleiterscheinungen, die viel Zeit in Anspruch nehmen, die aber auch helfen, die Musik bekannt zu machen.

Zu Auftritten gehört ja auch das Tour-Leben dazu. Können Sie dem ständigen Unterwegs-Sein noch etwas abgewinnen?

Ja, aber das hängt natürlich mit den Menschen zusammen, mit denen ich unterwegs bin. Ich habe ein ganz tolles Team, das ist über die Jahre zu meiner Tour-Familie geworden. Wir arbeiten von Anfang an zusammen – meine Band gab es schon, bevor ich einen Plattenvertrag hatte, sie hat mich auf meinem Weg begleitet. Es ist natürlich toll, wenn man mit denen zusammenkommt, von Stadt zu Stadt fährt und auf der Bühne ein tolles Erlebnis teilt, das verbindet uns miteinander. Und das ist immer wieder besonders.

Ihren Plattenvertrag haben Sie 2010 bekommen – davor war es für Sie als Musiker sicher nicht immer einfach. Gab es mal einen Moment, in dem Sie gedacht haben, dass das mit der Musik vielleicht doch nicht so das Wahre ist?

Ich hatte natürlich Angst, dass ich auf der Strecke bleibe, mir vielleicht doch einen anderen Beruf suchen muss und dass es dann für mich schwierig wird, Anschluss zu finden. Aber ich glaube, das sind Zweifel, die man einfach hat, wenn man selbstständig ist. Vor allem dann, wenn man sich das Ziel setzt, Musiker zu sein. Das ist ja schon ein verrückter Plan! (lacht) Und ich hatte ein wirklich hohes Ziel: Ich wollte ein deutschlandweit bekannter Musiker werden und viele Leute mit meiner Musik erreichen. Mir war mir schon klar, dass das nicht so einfach wird. Aber ich hatte mir das in den Kopf gesetzt und war auch bereit, alles dafür zu geben – und wenn nötig auch aufzugeben.

Sie leben seit zehn Jahren in Berlin. Wie fühlen Sie sich nach dieser Zeit als Bayer in der Hauptstadt?

Es ist nicht immer so einfach, irgendwie ist das eine Art Hassliebe. Ich bin ja auf dem Land aufgewachsen, und Berlin ist schon eine sehr große und laute Stadt. Aber ich habe mich sehr gut eingelebt, und ich mag die Stadt sehr. Da ist viel Bewegung drin, hier entstehen wahnsinnig viele Trends, man ist immer irgendwie am Zahn der Zeit, auch musikalisch. Ich glaube, ich bin hier schon richtig aufgehoben.

Sind Sie trotzdem noch ab und zu in Augsburg, in der Heimat?

Hin und wieder komme ich natürlich dort vorbei. Ich habe ja Familie, die ich dann besuche. Zugegeben, die Besuche sind seltener geworden, aber sobald ich in der Nähe bin, nutze ich die Gelegenheit vorbeizuschauen.

Und fühlt sich das immer noch an wie Heimat?

Ja. Obwohl ich seit zehn Jahren in Berlin lebe, bleibt Augsburg natürlich meine Heimat. Ich bin dort geboren und aufgewachsen – da gibt es einfach wahnsinnig viele Erinnerungen. Das Gefühl wird auch nie verschwinden.

Apropos Erinnerungen – Sie sind mit zwei Schwestern aufgewachsen. War das eher schön oder schwierig?

Ich habe mich mit meinen Schwestern immer gut verstanden. Ich bin natürlich in einem frauengeprägten Haushalt aufgewachsen, aber vielleicht erklärt das ja, weshalb ich Frauen so gut verstehe? Ich habe tatsächlich sehr viele Freundinnen – auf platonischer Ebene, meine ich natürlich. (lacht) Meine Eltern haben uns auch beigebracht, dass es wichtig ist zusammenzuhalten. Dass man sich zwar streiten darf, aber dann auch wieder vertragen muss. Meine Familie bedeutet mir viel.

Arbeiten Sie eigentlich noch mit Tay Schmedtmann zusammen, mit dem Sie die sechste Staffel von „The Voice of Germany“ gewonnen haben?

Ich habe nach wie vor Kontakt mit Tay, der gerade auf der Suche ist, um sein künstlerisches Profil zu finden. Er steht natürlich ein bisschen unter Druck, weil er schnell ein Album machen will, solange ihn die Zuschauer aus der Sendung kennen. Aber ich habe ihm gesagt, er soll nichts überstürzen, sondern sich lieber Zeit nehmen und erst einmal sich selbst finden. Ich bin allerdings nicht mit ihm im Studio – denn wenn er Erfolg haben will, muss er auch selbst etwas entstehen lassen können. Sonst wäre er immer darauf angewiesen, dass ich ihm ein Album schreibe. Er muss ein künstlerisches Profil entwickeln, sonst wird er langfristig keine Chance haben. Ich denke da an Max Giesinger, der hat nach „The Voice of Germany“ auch ein paar Jahre gebraucht, bis er den Durchbruch geschafft hat.

Sie kommen im Sommer an den Bodensee, dort treten Sie vor einer sehr schönen Kulisse auf, im Schlossgarten von Tettnang. Spielt es für Sie eine Rolle, wo Sie auftreten? Drinnen oder draußen, auf einer Burgruine, in einem Stadion?

Das macht natürlich viel aus, deswegen liebe ich auch Open Airs – das ist ganz anders als eine Hallen-Tour. Diese Mehrzweckhallen sehen von innen fast alle gleich aus, und die Atmosphäre färbt natürlich auch auf so einen Abend ab. Ich habe schon am See, am Meer, auch mal auf einem Berg in Ischgl in 2400 Metern Höhe gesungen – das war besonders. Denn die Umgebung macht natürlich auch immer etwas mit der Stimmung. Die Magie, die so ein Ort hat, die Atmosphäre, das färbt auf ein Konzert ab.

Zur Person

Andreas Bourani (33) bekam 2010 einen Plattenvertrag. Mit "Auf uns" gelang ihm 2014 sein erster Nummer-eins-Hit, der zweite wurde "Astronaut", eine Kollaboration mit dem Rapper Sido. Derzeit arbeitet er an seinem dritten Album. Bourani wurde unter anderem mit Echo und Bambi ausgezeichnet. Zwei Staffeln lang war er Coach in der Castingshow "The Voice of Germany", er hat auch schon als Synchronsprecher gearbeitet. Der gebürtige Augsburger wurde als Baby adoptiert und wuchs als Andreas Stiegelmair auf – später nahm er seinen Geburtsnamen wieder an. Bourani hat die Schule vor dem Abitur verlassen, er besuchte neben dem Gymnasium eine private Musikschule. Am 27. Juli 2017 um 20 Uhr tritt der Sänger in Tettnang auf – beim Regionalwerk Bodensee Schlossgarten Open Air. Tickets gibt es bei der gebührenfreien SÜDKURIER-Hotline: 0800 / 999-1777.

"Nur in meinem Kopf" (2011) – Bouranis allererste Single:

"Wie wir waren" (2012) – gemeinsam mit Unheilig:

"Auf uns" (2014) – der erste Nummer-eins-Hit:

Auch "Astronaut" (2015, mit Sido) landete an der Spitze der Charts:

"Hey" (2015) vom gleichnamigen zweiten Album: