Tilmann P. Gangloff

„Scheidung nie – nur Mord!“: Der Titel des neuen Romans von Gaby Hauptmann erinnert an frühere Bestseller wie „Suche impotenten Mann fürs Leben“ oder „Nur ein toter Mann ist ein guter Mann“. Die unterhaltsamen Romane liefen letztlich auf die Erkenntnis hinaus, dass Frauen in einer Zwickmühle stecken: Sie können nicht mit den Kerlen, aber sie wollen auch nicht ohne sie. Natürlich waren die Männer auch in den späteren Büchern noch wichtig, nicht zuletzt als Lustlieferanten, aber ihre Bedeutung nahm zusehends ab. In „Scheidung nie“ treibt die Schriftstellerin aus Allensbach am Bodensee diese Entwicklung auf die Spitze, nun wird bitterer Ernst, was einst noch mit einem Augenzwinkern versehen war: Der vermeintlich heitere Titel gilt keineswegs dem männlichen Geschlecht, sondern der weiblichen Hauptfigur Tina, die in der Tat um ihr Leben fürchten muss. Das ist nicht lustig; und der Roman ist es, bei aller Kurzweiligkeit, auch nur an der Oberfläche.

Die Düsternis, gegen die sich Heldin anfangs noch in einer Mischung aus Ignoranz und Selbstbetrug erfolgreich zur Wehr setzt, bildet einen markanten Unterschied zu Hauptmanns früheren Werken. Ihre Erzählungen waren dem Stigma „Frauenlektüre“ zum Trotz nie einfach bloß ein fröhlicher Zeitvertreib, andernfalls hätte sich die Autorin nicht über zwanzig Jahre lang ununterbrochen in der Spitze halten können. Die Bücher bestanden stets aus einer gelungenen Mixtur: Innerhalb eines dramatischen Rahmens wechseln sich Spannung, Humor und Romantik ab; ein Schuss Erotik gehört gleichfalls dazu. Trotzdem hat Hauptmann immer auch existenzielle Fragen aufgeworfen und über die Rolle der Frau räsoniert.

Ihre zwanzig Romane, allesamt im Piper-Verlag erschienen, spiegeln daher wider, wie sich die Gesellschaft in dieser Hinsicht entwickelt hat. Und weil sich „Scheidung nie“ mehr und mehr zur Hommage an Frauenfreundschaften entwickelt, lässt sich die Geschichte auch als Utopie verstehen: Ohne Männer wäre die Welt womöglich besser dran; auf jeden Fall aber ohne diesen einen, der der Heldin das Leben zur Hölle macht.

Dabei führt Tina auf den ersten Blick das unbeschwerte Dasein eines typischen Münchner Luxusweibchens. Gatte Stefan hat eine erfolgreiche Solarfirma, Geld war stets im Überfluss vorhanden, und Tina hat ihr Leben als Hausfrau und Mutter genossen. Doch nun ist das alles nur noch Fassade. Stefan gibt nach wie vor den Lebemann, aber die Firma steht vor der Pleite; Tina muss nicht nur im Discounter einkaufen, der Gatte kontrolliert auch die Kassenzettel. Mit Ende vierzig stellt sie schockiert fest, dass sie weder Weg noch Ziel hat. Die Frage, was wohl kommt, wenn die Liebe geht, beantwortet Stefan ihr mit seinem Verhalten jeden Tag: Aus Zuneigung ist Verachtung geworden; und nicht nur das, wie Tina feststellt, als sie endlich aufwacht. In finsteren Farben skizziert die Autorin, die das Buch ihrem Lebensgefährten gewidmet hat, wie eine Ehe stirbt; der Rest ist Drama pur, Mordanschläge inklusive.

Dank Hauptmanns Kunstfertigkeit, auch schwere Themen leicht zu verpacken, ist die dunkle Lektüre dennoch nicht deprimierend, im Gegenteil. Deshalb gelingt auch eine weitere Gratwanderung: Von außen betrachtet ist Tina eine Figur, die nur dann zur Identifikation einlädt, wenn man es für erstrebenswert hält, selbst den nichtigsten Anlass mit einem Glas Champagner zu feiern und ansonsten mehr oder weniger unreflektiert in den Tag hinein zu leben. Mit zwei simplen Kniffen gelingt es Hauptmann, ihre Leserschaft dennoch unmittelbar zu packen: Sie erzählt die Geschichte in der ersten Person und außerdem im Präsens, was nicht nur die Spannung erhöht. Die inneren Monologe gewähren tiefe Einblicke in Tinas Seelenleben und lassen perfekt nachvollziehen, wie sich ihre Verzagtheit in Kampfgeist verwandelt.

Die Tragödie, die ihre vermeintlich behütete Existenz zerschmettert, erweist sich ohnehin als Glücksfall, und auch dies ist eine Botschaft, die Hauptmann, kürzlich sechzig geworden, nicht aussprechen muss: Es ist nie zu spät, um sein Leben zu ändern. Wie dieses neue Leben aussehen könnte, ist allerdings nicht nur für Tina recht überraschend, und spätestens jetzt zeigt sich, wie klug die Autorin ihr Ensemble zusammengestellt hat: Tinas studierende Tochter ist weit weg; abgesehen von ihrem treuen Hund Jimmy hat sie keinerlei Komplizen. Das ändert sich, als aus vermeintlichen Gegenspielerinnen beste Freundinnen werden; und in einem Fall sogar noch mehr.

Jeder Künstler wird von der Gewissheit angetrieben, sein größtes Werk noch gar nicht vollbracht zu haben. Gaby Hauptmann hat mit „Scheidung nie – nur Mord!“ für ihr weiteres Schaffen einen neuen Maßstab gesetzt.

.Warum Gaby Hauptmann so erfolgreich ist: www.sk.de/exklusiv

Gaby Hauptmann live

Anlässlich der Veröffentlichung ihres Romans „Scheidung nie – nur Mord!“ (Piper Verlag, München; 352 Seiten, 15 Euro) ist Gaby Hauptmann morgen ab 14 Uhr in der Sendung „Lesezeit“ beim Klassik Radio zu hören. Die nächste Lesung in der Region findet am 17. Oktober in Engen statt. Außerdem ist sie Gast bei zwei Podiumsveranstaltungen: am 14. November bei „Bodenseeköpfe“ im Friedrichshafener Dornier Museum sowie am 21. November im Konstanzer Konzil bei den „Konstanzer Kontroversen“. (tpg)

Diese Bestseller sollte man lesen

„Suche impotenten Mann fürs Leben“ (1995): Der bissige Gesellschaftsroman ist bis heute eins der meist verkauften Bücher von Gaby Hauptmann. Seine Lektüre ist schon allein wegen seiner hohen Bedeutung für den Neuen Deutschen Frauenroman zu empfehlen.

„Nur ein toter Mann ist ein guter Mann“ (1996): Hauptmanns zweiter Roman über die ebenso rasante wie – für einige Männer – tödliche Karriere einer Witwe erregte nicht zuletzt wegen des kühnen Titels Aufsehen.

„Ich liebe Dich, aber nicht heute“ (2013): Ein erotischer Thriller, in dem die Heldin des Romans vor den Schergen eines russischen Oligarchen quer durch Europa fliehen muss.

„Zeig mir, was Liebe ist“ (2015): ein süffiger Cocktail aus den Zutaten Romanze, Drama und Komödie, aber mit derart viel Krimi als Scharfmacher, dass bei einer Lektüre im Freien akute Sonnenbrandgefahr besteht.

„Die Italienerin, die das ganze Dorf in ihr Bett einlud“ (2016): Gaby Hauptmanns letztes Buch ist gewohnt spritzig, aber auch ungewohnt düster – hier spielt der Tod eine tragende Rolle. (tpg)