Es klingt nach einem Versprechen auf im doppelten Sinne fantastische Kino-Unterhaltung: Die Disney-Studios haben erstmals Steven Spielberg engagiert, der nach einem Skript von „E.T.“-Drehbuchautorin Melissa Mathison die Geschichte des „BFG – Big Friendly Giant“ von Roald Dahl verfilmt. Hollywoods legendärer Film-Magier, der mit Werken wie „E.T.“ und „Hook“ und kindlich verspieltem Blick die Traumkraft des Kinos demonstrierte, trifft auf den großartigen englischen Erzähler, dessen Geschichten oft zwar düsterer, gruseliger, frecher sind, aber keinesfalls weniger vor Fantasie sprudeln. Kann bei dieser Kombination was schief gehen? Zumal sich die Geschichte auch noch wie ein mustergültiger Spielberg-Stoff liest, der von Träumen, zwei einsamen Seelen und ihrer wundersamen Freundschaft handelt?
Im Mittelpunkt steht das Mädchen Sophie, das in London in einem Waisenhaus lebt und eines Nachts vom Fenster aus einen Riesen beobachtet, der den Menschen Träume ins Schlafzimmer bläst. Aus Angst, von der Zehnjährigen verraten zu werden, entführt er sie – in seine Höhle an einem geheimnisvollen, weit entlegenen Ort. Dort lebt der Hüne, der ausgesprochen freundlich ist, gefangene Träume in Gläsern sammelt und sich von stinkenden Gurken ernährt. Sein liebenswürdiges Wesen sorgt dafür, dass er und Sophie sich anfreunden, macht ihn aber auch zum melancholischen Außenseiter bei den anderen Riesen. Die schikanieren ihn nicht nur ständig, sondern finden auch Menschenfleisch ganz köstlich. Es dauert daher nicht lange, bis sie von Sophie Wind bekommen. Doch das Mädchen und ihr großer Freund haben einen Plan und nehmen es mit ihnen auf.
Bei der Inszenierung dieses Märchens setzt Spielberg einiges daran, sein Publikum zu verzaubern, so wie es ihm mit seinen früheren Filmen wiederholt gelang. Mit modernster Technik werden die – mit einer Ausnahme – angemessen garstigen Riesen zum Leben erweckt. Die Größenverhältnisse sind spielerisch in Szene gesetzt. Und immer wieder hat Spielberg hübsche Einfälle für seinen in buntesten Farben glimmenden Film. Doch während er einmal mehr versucht, die Kraft der Träume zu beschwören, will „BFG“ vor allem in der ersten Hälfte nicht richtig in die Gänge kommen. Weder will die Geschichte über weite Strecken wirklich ergreifen, noch stärker mitreißen – auch wenn sie zwischendurch und vor allem auf der Zielgeraden doch Schwung aufnimmt: Wenn Sophie bei einer Verfolgungsjagd vor einem anderen Riesen durch die Höhle des BFG flieht. Oder wenn das Mädchen und der Riese im Buckingham Palace die Queen zum Tee treffen, um sie um Hilfe zu bitten.
Vor allem in dieser Szene passen Spielberg und Dahl so gut zusammen wie das Schauspieler-Duo in den Hauptrollen: Mark Rylance, der erst kürzlich für seine Rolle in Spielbergs Spionage-Drama „Bridge of Spies“ den Oscar bekam, verkörpert auf durchaus rührig melancholische Weise den freundlichen Giganten. Der stammt zwar mit Hilfe der Motion-Capture-Technik komplett aus dem Computer, bekommt aber auch in der digitalen Haut sehr menschliche Züge und brabbelt seinen eigenen Kauderwelsch voller drolliger Wortschöpfungen vor sich hin. Ihm gegenüber erledigt die zwölfjährige Ruby Barnhill ihren ersten großen Filmjob durchaus ordentlich: Frech und selbstbewusst tritt sie auf, und manchmal vielleicht ein wenig altklug.
Doch auch die beiden können letztlich nichts daran ändern, dass „BFG“ kein großes Wunderwerk, sondern bei allem Aufwand nur eine recht routinierte Adaption geworden ist. Anders als einige der Großtaten des Regisseurs wird es diese Geschichte sicher nicht in den Kreis seiner Klassiker schaffen.
ABSPANN
Land: Kanada/Großbritannien/USA
Regie: Steven Spielberg
Darsteller: Mark Rylance, Ruby Barnhill, Penelope Wilton
FSK: ab 0 Jahren
Länge: 117 Minuten