JOHANNES BRUGGAIER

Carlo Goldoni ist so etwas wie das One-Hit-Wonder des Theaterbetriebs. Wenn auch hin und wieder andere Stücke des Komödiendichters auf den Spielplänen stehen, so kann doch nur dieses eine das Etikett „Klassiker“ für sich in Anspruch nehmen: „Der Diener zweier Herren“, jenes 1746 uraufgeführte Lustspiel über zwei Verliebte, die einander nah sind und doch so fern. Und über einen Narren, der sich bei beiden gleichzeitig als Diener verdingt, dabei aber unversehens zum Kuppler wird. Was macht diesen schlichten Schwank zum Stoff des 21. Jahrhunderts?

Vielleicht, dass er uns eine „knallhart strukturierte Welt“ vor Augen führt, die sich „von unserer Lebensrealität heute“ kaum unterscheidet. So jedenfalls steht es im Programmheft zu Johanna Schalls Goldoni-Inszenierung, die am Freitagabend in Konstanz Premiere hatte.

Auf der Bühne sieht die „knallhart strukturierte Welt“ dann allerdings erstaunlich lieblich aus: eine venezianische Piazza wie aus der Pizzawerbung, links rustikale Wirtshausfassade, hinten bunte Lampions (Bühne: Horst Vogelgesang). Ein dickbäuchiger Gastwirt (Sebastian Kreutz) turnt gar lustig über die Tische. Ein affiger Galan (Wolfgang Erkwoh als Silvio) turtelt mit einer hysterischen Ziege herum (Jana Alexia Rödiger als Clarice). Und deren Vater, ein böser Bonze im teuflisch roten Anzug (Andreas Haase als Pantalone), erfreut sich zähnefletschend, händereibend seines jüngsten Geschäfts: größter Gläubiger tot, Tochter unter der Haube.

Da springt vom Ufer her ein Clown (Julian Härnter als Diener Truffaldino) herein und bringt alles durcheinander. Der Gläubiger ist offenbar noch quicklebendig, die Millionärstochter doch noch nicht vergeben und er, der Clown, vor allem eines: hungrig. Bald schlendert die als Gläubiger verkleidete Beatrice (Friederike Pöschel) in Cowboymanier über die Piazza, fordert mit schneidiger Stimme und wenn's sein muss mit Revolver ihr vermeintliches Recht auf Geld und Braut ein.

Das alles sprüht nur so von bemühter Witzigkeit, affektiertem Mienenspiel und alberner Hampelei. Da kriegt man sich vor Lachen nicht mehr ein, weil „Muscheln“ auf Italienisch („Cozze“) wie Kotze klingen, Hühnereier werden dem Gemächt des Dieners entnommen, und der Wirt mag sich erst aus seiner Stube bequemen, wenn das Publikum ihn wie beim Kasperletheater beim Namen ruft. Stimmte bei derlei Slapsticks wenigstens das Timing, ließe sich das Fehlen jedes Bezugs zu „unserer Lebensrealität heute“ verschmerzen. So aber erweisen sich die zwei Stunden statt des erhofften Kommentars auf eine knallharte Welt als knallharte Nervenprobe.

Schwierig, in einer Ansammlung von Witzfiguren darstellerische Leistungen zu würdigen: Neben Friederike Pöschel als Beatrice vermag André Rohde, der ihren Geliebten Florindo spielt, noch am ehesten, die gewollte Albernheit auf ein erträgliches Maß zu reduzieren. Am Ende dieses Stückes, so heißt es im Programmheft, bleibe der Hunger. In Konstanz ist es der Hunger nach Sinn.

Kommende Vorstellungen: 26., 29. und 31. März um 20 Uhr, 30. März um 15 Uhr.