Diese Bemerkung hatte es in sich: „Ich sag‘ ganz offen: ‚Talk am See‘ ist noch nicht da, wo wir hinwollen. Wir machen das jetzt seit dem Frühjahr. Ich fand das einen wichtigen und mutigen Versuch. Nach wie vor hoffe ich, dass das Ding irgendwann erfolgreich fliegt. Aber wir werden zu gegebener Zeit prüfen, wie es mit der Sendung weitergeht.“ Die Sätze stammen von Kai Gniffke, bis zum Sommer Chefredakteur von ARD-aktuell, seit 1. September neuer Intendant des SWR.

Kai Gniffke, neuer SWR-Intendant.
Kai Gniffke, neuer SWR-Intendant. | Bild: Christoph Schmidt (dpa)

Er ließ sie fast beiläufig in einem Interview fallen, in dem es allgemein um die künftige Ausrichtung des SWR ging. Aber im Südwesten, wo die von der Allensbacher Schriftstellerin Gaby Hauptmann moderierte Talkshow in der ehemaligen Stiftskirche St. Johann in Konstanz aufgezeichnet wird, schlugen die Sätze ein wie eine Bombe.

Nur ein Marktanteil von 3,1 Prozent

Was heißt das nun? Ist die Sendung, die am 21. September aus der Sommerpause zurückkehrt, nun zum Abschuss freigegeben? Reduziert man die Resonanz von „Talk am See“ auf die nackten Daten, hat die Sendung in der Tat noch Luft nach oben: Die zehn bisherigen Ausgaben erreichten im Sendegebiet des SWR am späten Samstagabend durchschnittlich 124.000 Zuschauer. Das entspricht einem Marktanteil von 3,1 Prozent.

Zum Vergleich: Das „Nachtcafé“ mit Michael Steinbrecher (ebenfalls SWR) kam in diesem Jahr auf 465.000 Zuschauer (10,8 Prozent). Das darf zwar im Grunde kein Maßstab sein, weil die Sendung eine über 30 Jahre alte Tradition hat – aber andererseits ist die Konkurrenz gerade am späten Freitagabend enorm, denn bis auf den Bayerischen Rundfunk zeigen alle dritten Programme um diese Uhrzeit Talkshows (siehe Info unten).

Kein Wunder, dass Gniffke nicht ganz zufrieden ist, erst recht, wenn er die Zahlen einer früheren SWR-Talkshow kennen sollte: Bei Frank Elstners „Menschen der Woche“, ebenfalls samstags gegen 22 Uhr ausgestrahlt, schalteten regelmäßig deutlich mehr Menschen ein. Gegen Ende wurden es jedoch immer weniger; die nachlassende Resonanz dürfte mit ein Grund gewesen sein, warum der SWR die Sendung 2015 nach 15 Jahren eingestellt hat.

Der SWR schweigt

Auch bei „Talk am See“ zeigt der Trend eher nach unten – auch wenn sich nach bislang elf Folgen theoretisch noch manches tun könnte. Die beiden ersten Sendungen im Mai sahen sich knapp 160.000 Zuschauer an, die letzte Folge vor der Sommerpause nur noch 90.000. Schon damals kursierten Gerüchte über interne Kritik an dem Format und über Pläne, es abzusetzen. Welche Quote also müsste die Talkshow erreichen, damit der SWR sie im Programm ließe? Woran könnte es liegen, dass sie die Erwartungen nicht erfüllt? Zu diesen Fragen möchte sich Gniffke nicht weiter äußern. Man wolle sie, so ließ er wissen, zunächst intern mit der zuständigen Redaktion besprechen.

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Dass die Moderatorin selbst die Aufregung herunterspielt, versteht sich fast von selbst. Um ein neues Format zu etablieren brauche es Zeit. „Es braucht Geduld und Zuversicht“, sagt Hauptmann und fügt hinzu: „Beides habe ich.“ Sie führt die überschaubare Quote nicht zuletzt auf die mangelnde Bekanntheit ihrer Sendung zurück und zieht einen Vergleich zum Buchmarkt: „Wenn ein Buch nicht bekannt ist und nirgends ausliegt, kann es nicht gekauft werden und wird auch nicht bestellt.“ Tatsächlich gibt es in Sachen Werbung noch Luft nach oben. Der SWR hat Hauptmann zwar als Stargast zur Jahrespressekonferenz eingeladen, aber seither wird „Talk am See“ nicht anders beworben als vergleichbare Sendungen.

Wechselnde Anfangszeiten machen es schwer

In Rheinland-Pfalz orientieren sich die Zuschauer erfahrungsgemäß ohnehin eher zum WDR, weshalb die Einschaltquoten vermutlich ganz anders aussähen, wenn sie nur im Südwesten erhoben würden. Nicht gerade vorteilhaft waren auch die wechselnden Anfangszeiten, die zwischen 21.50 Uhr und 23.35 Uhr variiert haben. Und während das „Nachtcafé“ tags drauf im Vormittagsprogramm des SWR wiederholt wird, bleibt es für „Talk am See“ bei nur einer Ausstrahlung. Seltsam auch, dass die Sendung – ein weiterer Unterschied zum „Nachtcafé“ – keine eigene Internetpräsenz hat.

Am Konzept will Hauptmann auf jeden Fall festhalten: „Wir haben die Vorgabe, vor allem Menschen aus dem Sendegebiet des SWR einzuladen, also aus Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und dem Saarland. Das ist durchaus eine Herausforderung, macht aber auch Spaß.“ Das Leitmotiv der Sendung laute zwar „Wir wollen gute Unterhaltung liefern“ – aber das schließe Denkanstöße ja nicht aus. Hauptmann verweist in diesem Zusammenhang auf die Gespräche mit dem Kinderpsychiater Michael Winterhoff („Deutschland verdummt“) oder dem Freiburger Philosophen Wolfram Eilenberger.

Gaby Hauptmann ist eine Kämpfernatur

Mit Kritik, fügt Hauptmann noch an, „kann ich sehr gut umgehen, aber ich schaue auch immer, auf welchem Nährboden sie gewachsen ist. Mal ist sie positiv und hilfreich, mal hat sie andere Gründe.“ Davon abgesehen ist die 62-jährige Schriftstellerin ähnlich wie ihre Romanheldinnen eine Kämpfernatur. Sie wusste, worauf sie sich einlassen würde, und das nicht nur, weil sie schon früher regelmäßig fürs Fernsehen gearbeitet hat. Eine Kollegin aus jener Zeit habe sie nach der SWR-Anfrage für „Talk am See“ gewarnt: „Gaby, wenn du das machst, werden sich die Hyänen auf dich stürzen.“