Sven Hartberger ist seit fast 20 Jahren Intendant des Neue-Musik-Ensembles Klangforum Wien. Er ist Mitinitiator eines Projektes mit Musik und Filmen von zwanzig Frauen. Uraufführung ist am Freitag, 8. Februar, 19 Uhr, beim Eclat Stuttgart
Herr Hartberger, das Klangforum Wien hat ein Film-Musik-Projekt entwickelt, das unter dem Titel „Happiness Machine“ steht. Was kann man sich darunter vorstellen?
„Happiness Machine“ stellt die Frage nach unserem aktuellen Arbeits- und Wirtschaftsleben. Unter welchen Bedingungen, für wen und wozu arbeiten wir? Unser aktuelles finanzkapitalistisches Wirtschaftssystem gibt darauf eine klare Antwort: Wir arbeiten, um so viel Geld und Macht zu erwerben, wie irgend möglich – und das zumeist nicht für uns selbst. Happiness Machine thematisiert mit den Mitteln von Trickfilm und Musik einen Gegenentwurf zu dieser Form des Wirtschaftslebens, der von Christian Felber im Jahr 2010 unter dem Titel „Gemeinwohl-Ökonomie“ vorgestellt wurde. Im Jahr 2016 ist sein Modell vom Wirtschafts- und Sozialausschuss der Europäischen Union mit einer Stimmenmehrheit von fast 90 % als Richtlinie für die zukünftige Wirtschaftsgesetzgebung empfohlen worden: In Zukunft sollen das Wohlergehen aller Menschen und der Erhalt der natürlichen Ressourcen für kommende Generationen Vorrang vor individuellem Gewinnstreben haben. Das wird uns alle glücklicher machen, als wir es im gegenwärtigen Verdrängunskampf sind. Happiness Machine, eben.
Warum sind ausschließlich Frauen mit den Filmen und den Kompositionen beauftragt worden?
In Wien findet seit 20 Jahren immer an fünf Tagen im März das tricky women Festival statt. Atemberaubende Trickfilme von Frauen aus aller Welt, inhaltlich und formal innovativ, inspirierend und beeindruckend. Es schien uns schlüssig, diese wundervollen Frauen um die künstlerische Auseinandersetzung mit einem in erdrückender Weise männlich dominierten Wirtschaftssystem zu bitten, das sich selbst als alternativlos feiert und außerstande scheint, über den Tellerrand des Gewohnten hinauszublicken – und ihnen selbstverständlich auch eine Zusammenarbeit mit ihnen ebenbürtigen Komponistinnen anzubieten.
Was war die größte Herausforderung bei dem Projekt?
Im aktuellen Wirtschaftssystem kann man mit sozial vollkommen nutzlosen wenn nicht schädlichen Geschäftsaktivitäten (Hedgefonds, Spekulationen auf den Preis von Grundnahrungsmitteln oder gegen ganze Währungen) viel Geld machen, während sozial nützliche Aktivitäten: Bildung, Kinderbetreuung, Altenpflege, Kunst und Kultur vollkommen unterbewertet sind und nicht einmal die notwendigsten Mittel zur Verfügung gestellt bekommen. Die Finanzierung der Arbeit von mehr als 300 Menschen an diesem Projekt war daher die größte Herausforderung, die ohne den enormen Einsatz von Christine Fischer, Musik der Jahrhunderte und das Festival ECLAT nicht zu bewätigen gewesen wäre. Die beherzte Unterstützung durch die Kulturstiftung des Bundes hat schließlich das verbleibende wirtschaftliche Risiko vertretbar erscheinen lassen.
Eclat Festival Stuttgart
Das Eclat Festival gehört mit den Donaueschinger Musiktagen zu den zentralen Festivals für Neue Musik in Deutschland. Es wird von Musik der Jahrhunderte und dem SWR veranstaltet. Es findet 6. bis 10. Februar 2019 im Stuttgarter Theaterhaus statt. Einen Programmschwerpunkt bildet das Projekt „Zum Gemeinwohl“ mit Filmen und Musik von 20 Frauen am Freitag, 8. Februar, 19 Uhr. Daneben beschäftigt sich das Festival in diesem Jahr mit Fragen zur gesellschaftlichen Verantwortung, mit Ritualen und dem Heimatbegriff. Infos: http://www.eclat.org (esd)