Judo: – Fast schon bescheiden stellt er sich bei den etwa 25 Jugendlichen und Erwachsenen vor, die sich in der Tiengener Sporthalle zu einem ganz besonderen Judotraining eingefunden hatten. „Mehr oder weniger erfolgreich“ habe er an zwei Olympischen Spielen teilgenommen, so Frank Wieneke zu Trainingsbeginn. Klar, mehr muss er nicht sagen, denn hier, unter den Judoka, ist er eine Legende. Vor kurzem wurde er sogar in die "Hall of Fame des deutschen Sports" aufgenommen, in jene virtuelle Liste, die aktuell 102 Sportler und Funktionäre auflistet, die Besonderes im deutschen Sport geleistet haben. Auf diese Würdigung, das räumt er ein, sei er schon stolz, da er damit den deutschen Judosport repräsentiere. Und wie Heiner Brand oder Franz Beckenbauer zählt er zu den wenigen, die sowohl als Aktive als auch als Trainer ganz oben waren. Die Goldmedaille 1984 in Los Angeles, Silber vier Jahre später in Seoul, als Bundestrainer nicht unerheblich am Gold von Ole Bischof 2008 in Peking beteiligt – das sind nur die Höhepunkte einer beeindruckenden Karriere, eher mehr als weniger erfolgreich.

Aber das wissen die Judoka hier. Entsprechend motiviert geht man beim gemeinsamen Training zur Sache, lauscht gewissenhaft, wenn Wieneke neue Ansätze präsentiert, zum Teil auch Lehrmeinungen in Frage stellt, zur Diskussion provoziert. Seit 46 Jahren ist Judo ein nicht unerheblicher Teil im Leben des heute 54-jährigen Familienvaters und Studienleiters in der Kölner Trainerakademie. Da macht man sich auch seine eigenen Gedanken, lässt auch vieles einfließen, was man bei vielen Reisen ins Mutterland des Judos, nach Japan, aufgenommen hat.

Allein in die erste Stunde, die er mit den Jugendlichen und Erwachsenen nach der Mittagspause durchführt, seien etwa 30 Jahre Erfahrung eingeflossen, so Wieneke. Zweifelsfrei muss ihn ein gewisser missionarischer Eifer antreiben, frühmorgens per Zug aus Köln nach Tiengen zu fahren, nach einem kurzen Frühstück zunächst den Morgen mit Kindern zu verbringen, nach einem Kaffee und einem Stück Kuchen dann nach der Mittagspause mit Erwachsenen und Jugendlichen bis nach 16 Uhr an Stand- und Bodentechniken zu arbeiten, um danach wieder per Zug zurück nach Köln zu fahren. Doch er tritt nicht mit missionarischem Eifer auf. „Das mache ich so etwa sechs Mal im Jahr, weil es mir einfach so viel Spaß macht", nennt der Judoka mit dem 7. Dan seine Motivation.

Und Spaß macht auch das Training mit Wieneke, wie die neunjährige Leni Winkler mit breitem Grinsen bestätigt. Nein, von der ruhmreichen Vergangenheit Wieneke weiß sie nichts, aber: „Das war ganz gut, denn wir haben viele neue Techniken kennengelernt.“ Auch Marco Schwestker, von Wieneke mehrfach zur Demonstration gebeten und daher mehrfach in direktem Kontakt, bestätigt: „Er ist sehr freundlich und witzig.“

Beim Training ist Wieneke mittendrin, macht mit, macht vor, korrigiert, lobt, motiviert – eine Sportlegende im wahrsten Sinne des Wortes zum Anfassen. Nur kurz blitzt es bei ihm in den Augen, als mehrere Kinder die Matte verlassen, um etwas zu trinken. Man ahnt, dass er dies bei einem einmaligen Gastspiel gerade so durchgehen lässt, in seiner eigenen Judoschule aber ein etwas anderer Wind wehen dürfte.

Bereits vor zehn Jahren, damals noch als Bundestrainer, war Wieneke zu einem Training in Tiengen. Nun, zum 50. Jubiläum des JC Tiengen, ließ Sportwart Klaus Sutter seinen Kontakt erneut spielen Der erfolgreichste deutsche Judoka kam erneut, trainierte mit Kindern und Aktiven, gab Autogramme, stellte sich kritischen Fragen, sei es zu den von ihm gezeigten Techniken oder dem Abschneiden der deutschen Judokas in Rio. "Die deutsche Mannschaft hat mehr Potenzial gehabt", sagt er. Wieneke wird in Erinnerung – als eine sympathische Sportlegende und eine kompetente Trainerkoryphäe, die sich aber selbst nicht zu wichtig nimmt.