Nach einer kurzen Rückkehr zum Wachstum im vergangenen Jahr schwächelt die griechische Wirtschaft schon wieder. 2016 dürfte für das Dauerkrisenland das neunte Rezessionsjahr in Folge werden. Die EU-Kommission erwartet ein Minus von 1,3 Prozent.
Dass der Abschwung nicht noch kräftiger ausfällt, ist vor allem dem florierenden Tourismus zu verdanken. Der Fremdenverkehr steuert fast ein Fünftel zur griechischen Wirtschaftsleistung bei. Trotz Negativschlagzeilen wie Bankenschließungen, Kapitalkontrollen und Streiks verzeichnete Griechenland im zu Ende gehenden Jahr den dritten Reise-Rekord in Folge. Die Zahl der ausländischen Gäste stieg von 22 Millionen im Jahr 2014 auf rund 26 Millionen in diesem Jahr und übertraf damit alle Prognosen. Die Einnahmen aus dem Fremdenverkehr dürften von 13,4 Milliarden Euro im Vorjahr auf 14,5 Milliarden zugelegt haben, so die Berechnungen des Verbandes der griechischen Touristikunternehmen (Sete).
Der Boom soll sich 2016 fortsetzen. Für das kommende Jahr erwartet Lyssandros Tsilidis, der Präsident des griechischen Reisebüroverbandes (Hatta), mindestens zwei Millionen zusätzliche Gäste. Sie sollen vor allem aus Russland kommen. Die beliebtesten Reiseziele russischer Touristen waren bisher Ägypten und die Türkei. Reisen ans Rote Meer sind aber nur noch schwer abzusetzen, seit Ende Oktober eine russische Chartermaschine vermutlich infolge eines Anschlags über dem Sinai abstürzte und 224 Menschen in den Tod riss. Und nachdem Präsident Wladimir Putin als Reaktion auf den Abschuss eines russischen Bombers durch die türkische Luftwaffe im November alle Charterflüge in die Türkei annullieren ließ, ist auch die türkische Riviera für die meisten Russen tabu.
Profitieren könnte davon vor allem Griechenland. Nicht alle der 4,5 Millionen Russen, die vergangenes Jahr in die Türkei flogen, werden nun allerdings auf den griechischen Inseln landen. Reisen nach Griechenland sind wegen des höheren Lohnniveaus und höherer Steuern fast dreimal so teuer wie ein Türkei- oder Ägyptenurlaub. Überdies werden sich viele Russen im nächsten Jahr wegen der Wirtschaftsflaute und des schwachen Rubel ohnehin keine Auslandsreise leisten können. Dennoch rechnet die griechische Reisebranche mit mehreren Hunderttausend zusätzlichen Besuchern aus Russland. Wachstumsraten erwarten die griechischen Hoteliers auch auf dem deutschen Markt.
Aber nicht alle griechischen Hoteliers blicken sorgenfrei ins neue Jahr. Der Hotelierverband auf der Insel Kos fürchtet Einbußen infolge der Flüchtlingskrise. Im vergangenen Sommer kamen täglich Tausende Flüchtlinge von der nahe gelegenen Türkei übers Meer auf die Insel. Die Bilder gingen um die Welt. Die Folge: 170 000 Urlauber-Stornierungen und Mindereinnahmen von rund sieben Millionen Euro.