Organisationschaos in den Schulen, Frust bei Schülern, Lehrern und Eltern – kaum geöffnet, müssen die meisten Schulen im Land von Montag an schon wieder schließen. Erst am späten Freitagnachmittag fanden sich auf der Homepage des baden-württembergischen Kultusministeriums Informationen darüber, wie es am Montag weitergeht. „Mehr Chaos geht nicht. Mehr Organisationswahnsinn geht nicht. Und vor allem: Mehr Frust bei Kindern und Jugendlichen geht nicht“, kritisiert Monika Stein, Landesvorsitzende der Bildungsgewerkschaft GEW.
Opposition: Ist das Kultusministerium führungslos?
Susanne Eisenmann, noch amtierende Kultusministerin, macht sich indes öffentlich rar seit ihrer Niederlage als CDU-Spitzenkandidatin bei der Landtagswahl am 14. März. Dem Regierungschef Winfried Kretschmann hatte sie zugesagt, bis zur Bestellung einer neuen Regierung ordnungsgemäß ihr Amt fortzuführen. Doch Bildungsverbände und politische Opposition äußern Zweifel daran und fürchten, dass das Haus ausgerechnet in Pandemiezeiten führungslos ist.
„Den Eindruck, dass die Kultusministerin nicht mehr auf der Brücke ihres Hauses steht, haben derzeit viele Stellen im Land“, sagt SPD-Landeschef Andreas Stoch. Ein solcher Zustand sei zwar zu jeder Zeit schlecht – in Zeiten der Pandemie jedoch verheerend. „Von einer Ministerin oder einem Minister kann man erwarten, dass das Amt bis zum Schluss professionell ausgefüllt wird“, so Stoch weiter. Es sei still um Eisenmann geworden, „seit ihr Amt nichts mehr zum Wahlkampf und zu ihren politischen Ambitionen beitragen kann“.
„Die Kultusministerin ist nicht mehr greifbar“
„Nach meinem Eindruck hat sich Frau Eisenmann aus ihren Amtsgeschäften zurückgezogen“, sagt FDP-Landtagsfraktionschef Hans Ulrich Rülke. Allerdings habe er auch ein gewisses Verständnis. „Wie sagte doch dieser Tage der Landesvorsitzende der Polizeigewerkschaft Ralf Kusterer über Herrn Strobl: ‚Da werden Spitzenkandidatinnen noch am Wahlabend kaltgestellt, dass man nur Ekel empfinden kann.‘ Bei einem solchen innerparteilichen Umgang bei der CDU verwundert es nicht, dass im Kultusministerium nicht mehr gearbeitet wird.“
„Die Kultusministerin ist seit der Landtagswahl nach unserer Wahrnehmung nicht mehr greifbar“, sagt Ralf Scholl, der Landesvorsitzende des Philologenverbandes. Die Tagesgeschäfte würden nach seiner Wahrnehmung von Amtsleiter Michael Föll geführt. „Aber das ist ja auch dessen Aufgabe“, so Scholl.
Die Kommunikation leide darunter nicht. „Die 14-tägigen Videokonferenzen mit den Lehrerverbänden gibt es nach wie vor, und Herr Föll reagiert zeitnah auf E-Mails mit Anregungen oder Fragen“, sagt Scholl. Seiner Wahrnehmung nach würden die Maßnahmen allerdings seit der Wahl aus dem Staatsministerium gesteuert. Auch die GEW-Landesvorsitzende Stein richtet Anfragen direkt ans Staatsministerium. Sie fürchtet, dass vor allem konzeptionelle Arbeit auf der Strecke bleibt: „Es ist absolut notwendig, jetzt schon Planungen dafür zu machen, wie die fachlichen und sozial-emotionalen Versäumnisse bei den Schülern aufgeholt werden können.“
Kultusministerium weist Kritik zurück
Ein Sprecher des Kultusministeriums weist unterdessen die Kritik zurück: „Der Vorwurf, Frau Eisenmann wäre als Kultusministerin abgetaucht, ist ebenso subtanzlos wie absurd. Auch seit der Landtagswahl nimmt Ministerin Eisenmann ihre Amtsgeschäfte und Aufgaben als Kultusministerin vollumfänglich wahr.“ Sie sei an den Entscheidungen der Landesregierung, die das Kultusressort betreffen würden, beteiligt und nehme auch weiterhin alle wichtigen Termine wahr. Sie habe ebenso am Schulgipfel der Landesregierung kurz vor Ostern teilgenommen wie regulär an den Treffen der Kultusministerkonferenz und des Ministerrats. „Lediglich bei einer Sitzung des Ministerrats fehlte sie entschuldigt. Es verwundert doch ziemlich, wie intensiv sich manche mit einer in wenigen Wochen scheidenden Ministerin befassen“, so der Sprecher weiter.
Auch im Staatsministerium tritt man offiziell dem Eindruck eines kopflosen Kultusministeriums entgegen. „Das Ministerium ist unter der Führung der Hausspitze vollumfänglich arbeitsfähig“, so der Regierungssprecher. Abstimmungen mit dem Staatsministerium würden, wie auch vor der Wahl üblich, mit Staatsministerin Theresa Schopper vorgenommen. Aber selbstverständlich sei Frau Eisenmann in die ihr Ressort betreffenden Entscheidungen mit einbezogen.
Tatsächlich abgetaucht ist Eisenmann für weite Teile ihrer Partei. Am Montag nach der Wahl hatte sie zum letzten Mal an einer Sitzung der CDU-Landtagsfraktion und der Parteigremien teilgenommen, wie ihr Sprecher bestätigt. „Hierbei hat sie angekündigt, dass sie sich am Ende dieser Legislaturperiode Mitte Mai aus der Politik zurückzieht.“ Seitdem ist die CDU-Politikerin dort nicht mehr in Erscheinung getreten. Und mit dem Landesvorsitzenden Thomas Strobl gibt es dem Vernehmen nach keinerlei Austausch.