Neben Appenzell Innerrhoden gilt inzwischen auch der größere der beiden Halbkantone, Appenzell Ausserrhoden, als Corona-Brennpunkt innerhalb der Schweiz. In einer Regierungsmitteilung des Kanton beschreibt die Kantonsärztin Franziska Kluschke eine massive Verschärfung der Corona-Lage: „Wir haben fünfmal so viele Infektionen pro 100.000 Einwohner wie Deutschland“, inzwischen seien 197 Fälle in den letzten 7 Tagen in dem Kanton registriert worden.
Hochzeitsfest ganz ohne Hygieneregeln
Dass die Zahlen Ausserrhoden derzeit explodieren liegt zu einem beträchtlichen Teil auch an einer Hochzeitsfeier in dem etwa 1500-Einwohner Ort Schwellbrunn unweit der Kantons-Hauptstadt Herisau vor mehr als zwei Wochen am 10. Oktober. Wie erst jetzt bekannt wurde, befanden sich auf der Hochzeit laut dem Gesundheitsdirektor des Kantons Yves Noël Balmer mehr als 200 Gäste. Zudem haben „mehrere Gäste mit Corona-Symptomen teilgenommen“. Abstand- und Hygienemaßnahmen seien nicht eingehalten: „Obwohl das Brautpaar davon wusste, hatte es uns nicht kontaktiert“, so Balmer weiter.
Erst zwei Wochen nach der Hochzeit habe man zufälligerweise davon erfahren. „In einen solchen Fall agieren wir mit der Kontakt-Verfolgung im Blindflug“, erklärt der Gesundheitsdirektor. Immerhin: Das Brautpaar bedauert den Vorfall zu tiefst und zeigte sich kooperativ, nachdem der Vorsteher des Departements Gesundheit und Soziales mit dem Bräutigam telefonierte. Noch am selben Abend hat der Kanton die Gästeliste erhalten.
Von der Hochzeit ging weiter zu einem Oktoberfest
Gewisse Gäste der Hochzeit hätten dann später auch noch am Oktoberfest in einem Schwellbrunner Restaurant und an Vereinsaktivitäten teilgenommen. „Ich bin verärgert und entsetzt über dieses Verhalten“, sagt Balmer. Viele Personen hätten von dem Vorfall gewusst, aber es nicht dem Kanton gemeldet.

„Ich habe kein Verständnis, wenn ein solches Verhalten uns noch Wochen beschäftigt und uns Nachtschichten beschert“, erklärt Balmer. Im Rahmen dieser Hochzeitsfeierlichkeit in Schwellbrunn sei unter den Gästen vereinbart worden, sich nicht testen zu lassen, um eine mögliche Quarantäne zu umgehen.
Es gebe zudem Hinweise, dass einzelne Arbeitgeber in Schwellbrunn ihre Mitarbeitenden ermuntert hätten, sich nicht zu melden, sagte Balmer vor den Medien. „Ein solches Verhalten lässt mich verärgert und entsetzt zurück.“ Einzelne Anzeigen müssten nun geprüft werden. „Findet diese Verantwortungslosigkeit Nachahmer, bricht unser Gesundheitssystem zusammen.“
Abriegelung des Orts möglich
Wie viele Personen sich an den beiden Veranstaltungen in Schwellbrunn – der Hochzeitsfeier und dem Oktoberfest – genau infiziert haben, lässt sich nicht beziffern. Sollten die Fallzahlen in Schwellbrunn aber weiter steigen, sind laut Balmer noch drastischere Massnahmen denkbar. Im schlimmsten Fall könnte die Gemeinde Schwellbrunn sogar abgeriegelt werden.

Verärgert zeigte sich auch der Gemeindepräsident der Gemeinde Schwellbrunn, Ueli Frischknecht. In einem Videointerview mit dem „St. Galler Tagblatt“ sagte er, dass der Fall bei ihm Unverständnis, Trauer aber auch Wut auslöse. Auch wenn ein solches Ereignis in der ganzen Schweiz möglich gewesen wäre.
Gemeindepräsident: „Wir müssen jetzt mit den Konsequenzen leben“
Zwar unterstelle er keinem der Gäste eine böse Absicht, jedoch sei ihnen wohl nicht bewusst gewesen, „welchen Schaden, welche Konsequenzen und welches Leid sie dadurch anrichten, wenn man sich nicht entsprechend den Vorschriften verhält. Und mit den Konsequenzen müssten wir jetzt leben.“
Aufgrund der verschärften Situation in dem Ort, will der Gesundheitsdirektor Balmer einen lokalen Lockdown in Schwellbrunn auf jeden Fall verhindern. „Wir hoffen, dass wir die Situation in den Griff bekommen und dies nicht nötig wird“, betonte er. So hat sich die Kantonsregierung dazu entschlossen, die Corona-Regeln noch vor Bekanntgabe der neuen Maßnahmen der Schweizer Bundesregierung weiter anzuziehen.
Zum Ende der vergangenen Woche sei laut Balmer in Ausserrhoden die zweithöchste Alarmstufe erreicht worden. „Wir konnten nicht zuwarten bis der Bund am Mittwoch neue Maßnahmen beschließt. Deshalb haben wir uns am Samstag zu einer außerordentlichen Sitzung getroffen.“ Ab sofort dürfen in dem Halbkanton nur noch private Treffen mit maximal 15 Personen möglich sein, zudem nicht Gesangs- und Chorproben nicht mehr erlaubt, sämtlich Bars und Clubs sind geschlossen und eine Maske muss nun auch in Büros und auf Wochenmärkten getragen werden.
Ein keiner Vorsprung durch neue Maßnahmen
Man habe jetzt in Ausserrhoden Maßnahmen getroffen, die voraussichtlich auch der Schweizer Bundesrat am Mittwoch beschließen werde, so Kantonsärztin Kluschke. „Nur haben wir sie drei bis vier Tage früher getroffen. Das verschafft uns einen Vorsprung.“