Zecken sind eklig und unnütz? Ute Mackenstedt sieht das anders. Sie ist Biologin mit Spezialisierung auf Parasitologie und forscht an der Universität Hohenheim zu den Tieren. Unter anderem im Fokus ihrer Arbeit, die sich zwischen Labor und Natur bewegt: Gebiete, in denen sich Zecken aufhalten, zu identifizieren und auch die Krankheitserreger bestimmen, die bei einem Stich auf den Menschen übertragen werden können.

Viele Begleitet seit Kindheitstagen ein bestimmter Gedanke: Nach einem Spaziergang durch den Wald oder hohe Wiesen dringend nach Zecken absuchen! Selbst dann, wenn man noch nie ein Problem mit den nur wenige Millimeter großen Tieren hatte. Ist die Sorge dennoch berechtigt? Ja, sagt Forscherin Ute Mackenstedt. „Nicht, weil die Zecke so eklig ist“, sagt sie, „aber sie kann Krankheitserreger übertragen.“ Und zwar mehr als andere Gliederfüßler.

Wie viele Menschen im Jahr von eine Zecke gestochen werden, lässt sich nicht sagen. Denn der Stich ist schmerzlos, der Speichel der Tiere betäubt die Haut. Das ist eine Überlebenstaktik der Zecken, erklärt Mackenstedt. Im Gegensatz zu einer Fliege, die einfach zusticht und dann wieder verschwindet, bleibt die Zecke länger auf dem Wirt. Für die Sucher nach einer geeigneten Stelle nimmt sie sich bis zu einer halben Stunde Zeit, sagt die Forscherin. Weil die Zecke – je nach Entwicklungsstadium – zwischen zwei und neun Tagen an dieser Stelle bleibt und Blut saugt. Dabei will sie nicht erwischt werden.

Mit Zecken werden zwei Krankheiten in Verbindung gebracht: die Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME), die durch Viren ausgelöst wird, und Borreliose, deren Erreger durch die Zecke übertragen werden. FSME ist eine meldepflichtige Krankheit, die Zahl der Fälle ist also bekannt. Aber nicht jede Zecke ist mit dem Virus infiziert. Das Robert-Koch-Institut (RKI) veröffentlicht eine Karte mit aktuellen FSME-Risikogebieten in Deutschland. Wer auf diese Karte blickt, könnte sich leicht erschrecken: Fast ausnahmslos alle Landkreise in Baden-Württemberg und Bayern sind tiefblau eingefärbt, um sie als Risikogebiet zu kennzeichnen.

Ute Mackenstedt kann aber beruhigen: Das bedeutet keinesfalls, dass man mit jedem Schritt in der Natur im Süden Gefahr läuft, einer krankheitsübertragenden Zecke zu begegnen. „Diese Karte muss man lesen können“, setzt Mackenstedt an. Denn sie gibt eine Inzidenz an, also die Anzahl der Fälle pro 100.000 Einwohnern.

In den gekennzeichneten Gebieten liegt die Inzidenz höher als ein Fall pro 100.000, in den übrigen Landkreisen niedriger. Die Karte sagt also nichts darüber aus, wie viele Zecken irgendwo vorhanden sind. „Die Zeckendichte ist in ganz Deutschland annähernd ähnlich“, sagt Mackenstedt. Dennoch: Etwa 80 Prozent der FSME-Fälle würden sich in Baden-Württemberg und Bayern ereignen.

Das könnte Sie auch interessieren

Selbst wenn man von einer Zecke gestochen wird, muss das nicht bedeuten, dass dadurch Krankheiten auf den Menschen übertragen werden. Laut RKI sind selbst in FSME-Risikogebieten im Mittel nur 0,1 bis 5 Prozent der Zecken mit FSME-Viren belastet. Bei Borrelien sind es dagegen rund 30 Prozent. Beide Werte schwanken allerdings je nach Gebiet stark.

Bei der Frage, wo die Zecken vorkommen, spielen sogenannte Naturherde eine Rolle, erklärt Ute Mackenstedt. Dabei handelt es sich um Gebiete, die etwa ein halbes Fußballfeld groß sind. Die Zecken verlassen dieses Gebiet kaum. Warum, das ist Gegenstand der Forschung. Pro Landkreis gebe es etwa ein bis drei solcher Naturherde, erklärt Mackenstedt. Diese genau zu identifizieren sei allerdings schwierig.

Mit welchen Zecken haben wir es zu tun?

Wann die Zecken aktiv sind, lässt sich heutzutage nicht mehr so genau sagen. Der Grund dafür ist der Klimawandel. Laut Mackenstedt sei eine Winteraktivität zu beobachten. Bei Temperaturen von mehr als zehn Grad Celsius würden die Zecken nicht in die Winterruhe fallen. Diese Temperaturen erreichen wir in den vergangenen Jahren selbst in den eigentlich kalten Monaten häufiger. Dadurch würden auch mehr Zecken den Winter überleben. Im April und Mai sei dann aber „ein rasanter Anstieg“ an FSME-Fällen zu beobachten, sagt die Forscherin. Eine weitere Auswirkung davon: Zecken seien inzwischen auch in höheren Berglagen zu finden.

In Deutschland ist der Gemeine Holzbock die am häufigsten vorkommende Zeckenart in Deutschland. Er zählt zu den Lauerzecken. Sie warten etwa in Gräsern darauf, dass sie von einem Wirt im vorbeigehen abgestreift werden. „Sie springt nicht, sie wird einfach mitgenommen, wenn man an dem Grashalm vorbei läuft, auf dem die Zecke sitzt“, sagt die Forscherin. Und stellt auch gleich klar: Der Mythos, dass Zecken sich von Bäumen auf Wirte fallen lassen, halte sich zwar. Er sei aber als Taktik für die Nahrungssuche Unsinn.

Eine Zecke läuft über eine Hand.
Eine Zecke läuft über eine Hand. | Bild: Bernd Weißbrod/dpa

Immer wieder für Schlagzeilen sorgt dagegen eine andere Art, die ebenfalls immer wieder in Deutschland auftaucht: die oft als „Monsterzecke“ betitelte Art Hyalomma. Bei diesem Begriff scheint die Forscherin amüsiert zu sein. „Ich bin mit dem Begriff sehr unglücklich“, sagt sie dazu. Die Haylomma-Zecke kommt meistens aus Afrika über Zugvögel, von denen sie sich abfallen lässt, nach Deutschland.

Zu dem Beinamen ist sie wohl gekommen, weil sie im Gegensatz zum Gemeinen Holzbock zu den sogenannten Jagdzecken gehört. Sie hat Augen, kann einen Wirt über mehrere Meter hinweg registrieren und dann aktiv auf ihn zulaufen oder ihn verfolgen. Dabei sind sie ähnlich schnell wie eine Spinne. Was ebenfalls zum Monster-Image beitragen könnte: Die Hyalomma ist deutlich größer als der Gemeine Holzbock, sie kann bis zu zwei Zentimetern groß werden. Und sie scheut nicht vor großen Tieren zurück. Pferdebesitzern würden die Tiere immer wieder auffallen, sagt Mackenstedt.

Die Zecke ist ein Erfolgsmodell

Nur etwa zehn Prozent der ihrer Lebenszeit verbringt die Zecke auf einem Wirt. Die restliche Zeit verbringt sie versteckt, zum Beispiel im Laub. „Den Rest der Zeit machen sie eigentlich nichts“, sagt die Forscherin. In jedem Stadium – Larve, Nymphe und erwachsene Zecke – saugen die Tiere nur ein einziges Mal. „Und von dieser Blutmahlzeit kann sie sehr lange leben.“ Denn sie verdaut nicht wie Menschen rund um die Uhr, sondern greift immer dann darauf zurück, wenn sie Nahrung benötigt.

Wenn die Zecke vollgesaugt ist, lässt sie sich abfallen und häutet sich dann – sie entwickelt sich sozusagen um ein Stadium weiter. Im Schnitt dauert diese Entwicklung zwischen drei und fünf Jahren. Zwischen den Mahlzeiten halten die Zecken als also lange aus, mehrere Jahre, wenn sie müssen. Wenn ein erwachsenes Weibchen sich vollgesaugt hat, legt sie Eier und stirbt dann. „Das ist der Zyklus der Zecke“, sagt Mackenstedt.

Dieser Zyklus hat sich in den vergangenen 200 Millionen Jahren kaum verändert. Das wisse man aus Bernsteinfunden. In der Evolutionsgeschichte ein echtes Erfolgsmodell. „Wir können davon ausgehen, dass Zecken auch schon auf Dinosauriern Blut gesaugt haben“, sagt Mackenstedt. Die Zecken haben sich weder in ihrer Gestalt, noch in ihrer Lebensweise stark geändert. Klar, die Tiere mussten sich neue Wirte suchen – Dinosaurier gibt es heute eben nicht mehr. Darüber hinaus aber tun sie damals wie heute das Gleiche. „Das ist das, was mich an Zecken beeindruckt“, sagt die Parasitologin, sie sind erfolgreich und anpassungsfähig.