Mustafa I. heißt einer der elf Angeklagten im Prozess um die Freiburger Gruppenvergewaltigung. Sein Geburtsdatum: 1. Januar 1989. „Ist das Ihr richtiges Geburtsdatum oder hat das etwas mit Ihrem Asylantrag zu tun?“, will Richter Stefan Bürgelin wissen. „Vielleicht ja, vielleicht nein“, sagt der junge Mann aus Aleppo. Mehrere der übrigen sieben syrischen Angeklagten wollen am selben Tag geboren sein. Wie der Hauptangeklagte Majd H. – 1. Januar 1996, angeblich. Und Alaa A. Oder Ayham A., in Homs geboren, ebenfalls am ersten Tag von 1998.
Rakka, Aleppo, Homs – Städte, die immer wieder in den Nachrichten auftauchten. Zerstört von Bomben oder bekannt als einstige Hochburgen der inzwischen zurückgedrängten Terrormiliz IS. Ahmed A. flüchtete 2015 aus Rakka. Weil er minderjährig war, hat ihn seine Familie vorgeschickt. Dass Familiennachzug möglich ist, war damals bekannt. Ein Bruder schaffte es nach Österreich, doch der Rest der Familie blieb in Syrien zurück.
Den angestrebten Hauptschulabschluss brach er ab
Die neunköpfige Familie hatte ihre Hoffnungen auf Ahmed A. gesetzt. Doch der sitzt seit Monaten in U-Haft. Die Schule hatte er in Syrien schon abgebrochen und begann zu arbeiten, um die Familie zu unterstützen. In Deutschland war der Hauptschulabschluss das Ziel, doch auch da brach er ab. Er hatte eine Freundin, bevor er in U-Haft kam. Dort soll er einen Suizid vorbereitet haben. Die Perspektive Zukunft in Deutschland hat sich für Ahmed A. erst einmal zerschlagen.
Er ist nicht der einzige der syrischen Angeklagten, die um den Verbleib in der Bundesrepublik bangen müssen. Einigen wurde lediglich ein meist auf drei Jahre befristeter subsidiärer Schutz gewährt. Bei einigen läuft er im Herbst aus. Andere bekamen längeren Schutz gewährt – wie Jekar D., der Älteste unter den Angeklagten, zur Tatzeit 29, mittlerweile 30. Er hatte eine Verlobte in Syrien, jetzt will sie nichts mehr von ihm wissen. Er hatte einen Job in Deutschland, wollte eine Ausbildung machen, doch ihm fehlte das nötige Sprachniveau. „Die äußeren Bedingungen waren nicht schlecht bei Ihnen“, stellt Richter Bürgelin fest. Doch Jekar D. spricht von „Problemen, die nie weggingen“, trinkt immer mehr, nimmt Drogen.

Auf die Flucht mit dem Schlauchboot geschickt
Muhanad M. ist der jüngste von elf Kindern. Kurdisch ist seine Muttersprache, auch Arabisch spricht er. Doch er kann weder lesen noch schreiben, als er 2015 nach Deutschland kommt. Er hatte Angst vor den Lehrern zu Hause. Er wird als unbegleiteter Minderjähriger auf die Flucht geschickt mit dem Schlauchboot.
Die gefährliche Reise nach Griechenland überlebt er, schafft es, sich über Land bis zur deutschen Grenze durchzuschlagen. Zwei Brüder sind auch in Freiburg, er lebt schließlich bei einem von ihnen, als er mit der Pflegefamilie nicht mehr klarkommt. Auch er hat nur subsidiären Schutz. Doch Muhanad will sich eigentlich ein Leben in Deutschland aufbauen.
Er ist allein
Stattdessen steht eine Vorstrafe in seiner Akte: acht Monate auf Bewährung wegen Körperverletzung. Das Schmerzensgeld an den Polizeibeamten hat er inzwischen abgezahlt. Die Trennung von seiner Mutter, die heute im Irak lebt, mache ihm zu schaffen, sagt die Jugendhilfe. Seine Freundin hat nicht mehr reagiert auf seinen letzten Brief aus der Zelle. Er ist allein.
Die Schicksale der Angeklagten aus dem Bürgerkriegsland ähneln sich. Flucht nach Deutschland, gescheiterte Integration, Perspektivlosigkeit, Drogen, Alkohol. Jetzt kommt die Angst vor der Abschiebung hinzu. Yahia H. hat noch eine Freundin, er will sie heiraten, in Deutschland ein Leben aufbauen. Er hätte nie gedacht, dass er ins Gefängnis komme, sagt er.