Es ist Samstagmittag, 12.21 Uhr, als Marcus Samsa mit einem Freund am Steuer eines Autos die Bundesstraße 31 neu oberhalb von Überlingen verlässt. Er ist auf dem Weg nach Meersburg, seine Heimatstadt. Im Kofferraum liegt sein Rollstuhl. Marcus Samsa ist auf dem Weg, nach dem er sich seit mehreren Wochen gesehnt hat: nach Hause. Vor exakt 90 Tagen hatte er auf Bali einen folgenschweren Badeunfall und hat sich dabei mehrere Halswirbel gebrochen. Seitdem sitzt er im Rollstuhl.

Kurze Zeit später passiert das Auto das Ortsschild Meersburg. „Das war ein unbeschreibliches Gefühl“, sagt er später. „Schon als wir von oberhalb von Überlingen den unglaublichen Blick über den Bodensee hatten, wusste ich, ich bin wieder daheim.“ Dass der 40-Jährige, der als Barkeeper auf der "Haltnau" in Meersburg gearbeitet hat, dieses Gefühl überhaupt noch erleben kann, ist ein kleines Wunder. Seit dem Unfall spürt er seine Beine nicht mehr und kann die Arme zwar bewegen, aber seine Feinmotorik in den Fingern fehlt.
Marcus Samsa verlässt das Krankenhaus an diesem Tag zum ersten Mal. Er darf endlich mal wieder eine Nacht in seinem eigenen Bett verbringen. Und es gibt noch einen Grund: Die Pianistin Daria Fenske hat ein Benefizkonzert zu seinen Gunsten auf die Beine gestellt.
Überglücklich, aber doch etwas von der Anstrengung gezeichnet, sitzt Marcus Samsa in seinem Rollstuhl und freut sich über jeden einzelnen Zuspruch und jeden guten Wunsch.

„Es ist ein Meilenstein zurück ins Leben“, sagt er selbst. „Allerdings war das nicht ganz so einfach.“ Unter der Woche litt er noch an den Folgen einer Lungenentzündung und musste vier Tage das Bett hüten. Doch Marcus Samsas Wille ist groß, endlich wieder zurück nach Meersburg zu kommen, dass er auch diese Hürde nimmt. „Es ist so schön da zu sein und meine Freunde wiederzusehen“, sagt er. „Es ist einfach ein gutes Gefühl. Daran könnte ich mich gewöhnen.“ Allerdings sei ihm bewusst, dass er sich erst am Anfang eines langen Weges befinde.
In diesem Moment schleicht sich auch ein bisschen Wehmut ein, denn ihm wird bewusst, dass er schon am nächsten Tag wieder in die Klinik muss. Doch die Aufenthalte in der Heimat gehören zur Therapie. Deshalb wird Marcus Samsa, wenn es sein Gesundheitszustand erlaubt, ab sofort alle zwei bis drei Wochen nach Meersburg kommen.
In Tübingen kämpft er sich zurück ins Leben
Er arbeitet hart daran, dass es möglichst schnell weiter bergauf geht. Momentan hat er in der Klinik jeden Tag Ergo- und Physiotherapie. „Ich bin hauptsächlich mit dem Muskelaufbau beschäftigt“, erzählt er.
Während sich Marcus Samsa in Tübingen zurück ins Leben kämpft, versuchen ihm seine Freunde den Weg so einfach wie möglich zu machen. Es wurden bereits mehr als 125 000 Euro für ihn gesammelt. Diese Summe reichte allerdings nicht, um die Kosten der Notoperation und des Krankenhausaufenthaltes in Bali sowie den Ambulanzflug zu begleichen.
Dennoch blickt Marcus Samsa zuversichtlich nach vorne. Die Freude war groß, endlich wieder einmal in seinem eigenen Bett schlafen zu können. Bald wird er in eins der Häuser auf der Haltnau ziehen, wo Familie und Freunde für ihn eine barrierefreie Wohnung einrichten. Außerdem stehe Ende Februar das nächste Gespräch in der Tübinger Klinik an. „Dann werden wir über meine Fortschritte sprechen und entscheiden sich, wie es mit der Therapie konkret weitergeht.“ Die Ärzte haben ihm bisher wenig Hoffnung gemacht, dass er irgendwann wieder laufen kann.
Zur Person
Marcus Samsa hatte auf Bali am 12. November einen Badeunfall und brach sich mehrere Halswirbel. Er wurde vor Ort notoperiert und Ende November mit einem Ambulanzflug zurück nach Deutschland gebracht. Seitdem ist er in Tübingen in einer Spezialklinik. Da er keine Auslandskrankenversicherung hatte, muss er alle Kosten, die auf Bali und durch den Rücktransport angefallen sind, selbst tragen. Deshalb haben seine Freunde eine Internet-Spendenaktion ins Leben gerufen. Bisher sind mehr als 127 000 Euro eingegangen, was jedoch diese Kosten nicht abdeckt. Weihnachten, Silvester und seinen 40. Geburtstag Anfang Januar feierte er in der Klinik. (mag)