Diana Müll hatte einen guten Lauf. In einer Diskothek hatte die damals 19-Jährige einen Schönheitswettbewerb gewonnen. Der Preis: Eine Woche Mallorca. Das war vor 40 Jahren eine tolle Sache. Doch beim Rückflug nach Frankfurt riss für Diana Müll – und 85 weitere Passagiere der „Landshut“ sowie deren fünfköpfige Besatzung – die Glückssträhne ab. Ein palästinensisches Terrorkommando brachte den Lufthansa-Jet in seine Gewalt. Die junge Frau hatte besonderes Pech: Sie saß vorn in der Maschine und damit im Blickfeld der Entführer. Als beim Zwischenstopp in Dubai der Tower das Auftanken des Jets verweigerte, drohten die Terroristen damit, Passagiere zu erschießen, und wählten drei erste Opfer aus – darunter Diana Müll. Der Tower lenkte in letzter Sekunde ein.
Diana Müll sitzt heute in einer renovierten Baracke auf dem Gelände des Dornier Museums in Friedrichshafen. Zwischen diesen Wänden entwarf der legendäre Konstrukteur Claude Dornier einst Wasserflugzeuge. Alte Fotos an den Wänden erzählen davon. Der Raum atmet Geschichte, und auch heute geht es um Geschichte – die der „Landshut“ und ihrer Passagiere. „Es kostete mich viel Überwindung, nach der Entführung wieder in einen Flieger zu steigen“, erzählt Diana Müll, die in Gießen lebt. Vier Jahre nach den Ereignissen begann sie eine Therapie. Das hielt sie geheim. Heute spricht sie offen darüber. In einem Buch hat sie ihre Erinnerungen aufgearbeitet.
Jetzt gibt es eine Fortsetzung. Als man sie eingeladen habe, die „Landshut“ nochmal zu besteigen – im brasilianischen Fortaleza, wie sie als Wrack steht – habe sie das „für nicht mal eine Million Euro“ tun wollen. Doch am kommenden Montag wird Müll die Boeing 737 wiedersehen und wird mitwirken an einer TV-Doku, die dem zweiten, diesmal musealen Leben der „Landshut“ gewidmet ist. „Ich will, dass die Geschichte lebt“, sagt Diana Müll heute.

Das ist auch ein Ziel von David Dornier, einem Enkel des Firmengründers und jetzigem Leiter des gleichnamigen Museums. Die Entscheidung, die „Landshut“ in Fortaleza zu demontieren und an den Bodensee zu bringen, sei „eine Verpflichtung“. Es reiche nicht, das Flugzeug nur zu zeigen, sondern Geiselnahme und Befreiung im Herbst 1977 sollten „historisch beleuchtet“ werden, so Dornier vor zahlreichen Journalisten und TV-Kameras. Das werde in Zusammenarbeit mit dem Bundesministerium für Kultur und Medien unternommen und in einem wissenschaftlichen Beirat verankert.
Wann nun genau das Techniker-Team der Lufthansa nach Fortaleza fliegt, um die „Landshut“ zu demontieren und in ein Antonov-An-124-Riesenfrachtflugzeug zu verladen, kann Dornier noch nicht sagen. „Es ist ein enormer logistischer Aufwand zu bewältigen.“ Die Absprachen erfolgten zwischen Lufthansa und dem Auswärtigen Amt als Käufer der Maschine. Die Zerlegung werde vermutlich im Lauf des Augusts erfolgen und sicher auch länger dauern als eine Woche. Am 18. Oktober als dem 40. Jahrestag der Geiselbefreiung ist die „Landshut“ laut Dornier „sehr wohl“ in Friedrichshafen. Doch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier wird entgegen Spekulationen nicht anwesend sein. Er ist an dem Tag Gastgeber im Berliner Schloss Bellevue. Dort wird der Ermordung Hanns-Martin Schleyers gedacht, der als Antwort auf die Befreiung der „Landshut“ von RAF-Terroristen ermordet wurde.
Die „Landshut“ wird dann vermutlich in der Flugzeughalle „Whisky“ (für „West“) auf dem Bodensee-Airport stehen. Ob sie dann schon die neuen alten Farben der Kranich-Linie trägt, ist offen. Die Restaurierung des Jets will die Fluglinie zu einem Lehrlingsprojekt machen. Der Nachwuchs wird viel Arbeit haben. Acht einsame Jahre in tropischem Feuchtklima haben der „Landshut“ schwer zugesetzt.

Am Bodensee soll sie es besser haben – geht es nach David Dornier. Ihm schwebt eine Halle vor mit weiterem Archivraum für alte Akten über das Flugzeug und einem Studienraum, der Wissenschaftlern die Arbeit über den Deutschen Herbst 1977 erleichtert. „Auch die erklärende Ausstellung braucht Platz“, sagt Martin Rupps, Initiator der Rückholaktion. „Denn im Flugzeug selbst ist dazu kaum Platz.“ Bis es soweit ist, müssen Spenden gesammelt werden. „Wir sind auf Ihre Hilfe angewiesen“, sagt David Dornier.
Spendenkonto: Dornier Stiftung für Luft- und Raumfahrt, Stichwort: Landshut, Commerzbank Konstanz, IBAN: DE87 6904 0045 0276 6780 00,BIC: COBADEFFXXX"Das ist etwas ganz Besonderes für mich"
Die „Landshut“ wurde von Jürgen Vietor (75) nach Mogadischu geflogen. Der SÜDKURIER sprach im Dornier-Museum mit ihm.
Herr Vietor, freuen Sie sich, dass die „Landshut“ den Weg nach Deutschland und dann nach Friedrichshafen findet?
Das fand ich von Anfang an gut. Ich hätte mir auch vorstellen können, dass die „Landshut“ ins Haus der Geschichte nach Bonn kommt. Denn die Entscheidung, die Geiseln zu befreien, fiel 500 Meter entfernt im damaligen Bundeskanzleramt. Aber in Bonn war man nur an einer Tür des Flugzeugs interessiert. Auch das Auto- und Technik-Museum in Speyer oder Sinsheim war als Standort im Gespräch. Aber da wäre die „Landshut“ nur eine unter vielen Maschinen gewesen. Das ist im Dornier-Museum anders. Hier stehen nur Maschinen aus der Dornier-Geschichte. Das Konzept hier ist gut.
Hier stehen noch zwei andere Flugzeugtypen, die Sie früher geflogen haben . . .
Ja. Das ist die Do-27, in der ein Passagierflug mich damals motiviert hat, die Pilotenlaufbahn einzuschlagen, und der Fernaufklärer Breguet Atlantic, den ich bei den Marinefliegern der Bundeswehr geflogen bin. Und jetzt kommt die „Landshut“ dazu. Das heißt: Es sind alle drei Maschinen vereint. Das ist für mich etwas ganz Besonderes.
Wie, meinen Sie, könnten Sie das künftige Projekt begleiten?
Das kann nicht in einer führenden Position sein. Wenn mal eine Veranstaltung stattfindet, kann ich kommen und bin als Zeitzeuge gerne dabei.
Sie sind nach der Befreiung am 18. Oktober 1977 bereits am 29. Dezember wieder auf der „Landshut“ geflogen. Wie haben Sie das verkraftet in Anbetracht der Erinnerungen?
Drei Tage nach meiner Rückkehr von Mogadischu fragte mich mein Lufthansa-Flottenchef: Herr Vietor, meinen Sie, Sie können noch fliegen? Ich sagte: Das weiß ich doch nicht. Er: Also fliegen! Ich bin dann im November fünf Tage mit einem Ausbildungskapitän geflogen und es war alles in Ordnung. Dann haben wir noch Sonderurlaub bekommen – und am 29. Dezember bin ich wieder geflogen. Dass es die „Landshut“ war, hat sich zufällig so ergeben. Ich habe einfach so getan, als hätte es die Entführung nicht gegeben.
Einfach weiter seine Pflicht zu tun, war wohl die Art und Weise, durch die Sie mit Ihren Erlebnissen bei der Geiselnahme zurechtgekommen sind . . .
Ja, genau, das war wohl so! Wäre die Maschine nicht entführt worden, hätte ich zum Beispiel montags einen Termin in St. Georgen im Schwarzwald gehabt, um mit meiner Frau für unser Ferien-Fertighaus Fliesen auszuwählen. Daraus wurde dann ja nichts. Aber ich habe den Termin dann einfach zwei Wochen später gemacht.
Fragen: Alexander Michel