Roland Knauer

Der Mensch erfasst die Welt mit seinen Sinnen. Er sieht, hört und riecht – und was sich seiner Wahrnehmung an Farben, Tönen und Gerüchen entzieht, hält er im Allgemeinen für nicht existent. Hundebesitzer wissen indes: Tiere können großartige spezielle Fähigkeiten besitzen, mit denen sie Dinge wahrnehmen, von denen der Mensch nicht einmal etwas erahnt. So sieht die Umwelt für diese Tiere ganz anders aus als für den Menschen und führt ihm vor Augen, wie begrenzt seine eigenen Sinne sind. Wir stellen ein paar der Spezialisten im Tierreich vor.

So hört die Fledermaus: Diese fliegenden Säuger sehen mit ihren kleinen Äuglein in der Nacht genau wie die Menschen nicht allzu gut. Dafür ist ihr Gehör umso besser. Die Fledermäuse nutzen es, um sich selbst in stockdunkler Nacht mit den Ohren ein Bild von ihrer Umgebung zu machen. Genau wie ein Mensch im Dunkeln nur dann etwas sieht, wenn er eine Taschenlampe anknipst, können auch Fledermäuse nur mit den Ohren sehen, wenn sie vorher laut rufen. Diese Laute sind mit Frequenzen zwischen 1 Kilohertz (1000 Hertz) und 200 Kilohertz aber meist viel zu hoch, um von Menschen gehört zu werden. Schließlich hören menschliche Ohren – wenn sie nicht zu alt sind – nur bis maximal 20 Kilohertz. Erst mit einem Fledermaus-Detektor, der die hohen Töne der Fledermaus-Rufe in für Menschen hörbare Frequenzen übersetzt, hört der Spaziergänger die schnellen Rufe der Fledermaus.

Die Echos dieser Rufe, die von Gegenständen zurückgeworfen werden, analysieren die Fledermäuse. Das ähnelt im Prinzip einer Taschenlampe, die in einem dunklen Raum statt eines Lichtstrahls nur kurze Blitze ausstrahlt. Trifft ein solcher Blitz etwa auf eine Raufaser-Tapete, wird das Licht in verschiedene Richtungen reflektiert und ein kleiner Teil kommt zum Besitzer der Taschenlampe zurück. So sieht der Mensch im Dunkeln die Tapete zwar nicht knallscharf, aber relativ deutlich. Ganz ähnlich werden die kurzen Ultraschall-Rufe der Fledermäuse reflektiert. Die Tiere erkennen an den Echos, ob vor ihnen eine Stuhllehne steht oder ein nahrhaftes Insekt fliegt.

 

Weitere exotische Organe bei Tieren

Einige Tiere nutzen merkwürdige Organe, um sich über größere Distanzen zurecht-zufinden. Drei Beispiele:
  • Seitenlinien-Organ
    Im Wasser lebende Tiere haben oft ein Seitenlinienorgan, das minimale Druckunterschiede registriert. Sie entstehen, wenn ein Feind anschwimmt oder man selbst auf ein Hindernis wie einen Unterwasser-Felsen zu steuert. Auch minimale Änderungen der Strömung meldet dieses Organ zuverlässig und erleichtert so die Orientierung unter Wasser sehr.
  • Elektrischer Sinn
    Die Muskeln aller Tiere werden mit elektrischen Signalen von den Nerven gesteuert. Verschiedene Tiere wie zum Beispiel Haie und Rochen können die so entstehenden, sehr schwachen elektrischen Felder mit bestimmten Organen messen und so zum Beispiel Beute aufstöbern, die sich im Schlamm des Meeresgrundes versteckt.
  • Magnetsinn
    Wildgänse haben einen inneren Kompass.
    Wildgänse haben einen inneren Kompass. | Bild: Guido Miller – stock.adobe.com
    Wandern Tiere über große Entfernungen, orientieren sie sich gern mit Hilfe des Erdmagnetfeldes. Dieser Magnetsinn kann in bestimmten Organen wie zum Beispiel dem Auge sitzen, sich aber auch über bestimmte Bereiche oder den gesamten Körper erstrecken. Viele Zugvögel oder Langstrecken-Wanderer wie Tauben, aber auch Haie und viele andere Tiere orientieren sich mit diesem Magnet-Kompass. (rok)
 

Heuschrecken: Bis zu 130 Kilohertz Hörfähigkeit schafft eine Laubheuschrecken-Art im Regenwald Kolumbiens. Sie hält damit den Tonhöhen-Weltrekord für Insekten. Andere Heuschrecken erreichen eine solche Frequenz zwar bei Weitem nicht, zirpen aber mit bis zu 40 Kilohertz ebenfalls im für Menschen unhörbaren Ultraschall-Bereich.

Laubheuschrecken musizieren in hohen Tönen.
Laubheuschrecken musizieren in hohen Tönen. | Bild: dpa
Während Fledermäuse mit ihren Ultraschall-Rufen Beute suchen, steht den Heuschrecken der Sinn nach Partnerwahl: Sie denken an Vermehrung. Während die Weibchen lauschen, übernehmen die Männchen den lautstarken Part, indem sie mit der Kante der unteren Flügel über die Unterseite der oberen Flügel streichen. Dort stehen winzige Zähnchen vor, die dann das typische Heuschrecken-Zirpen erzeugen, um damit die Auserwählte zu beeindrucken. Wenn Menschen an einem lauen Sommerabend Heuschrecken zirpen hören, dann ist das ein Männerorchester der langsamen Streicher, deren Töne wir noch hören können, während die schnelleren Virtuosen unser Gehör überfordern.

Die Heuschrecken-Weibchen hören diesen Ultraschall sehr gut. Und das mit den Knien, an denen ihr Gehör sitzt.

Bild 3: Schwarzseher und Lauschangreifer: wo Tiere den Menschen haushoch überlegen sind

Meeressäuger: Delfine und andere Zahnwale können bei diesen hohen Frequenzen mithalten. Die kurzen Klicklaute der Schweinswale in der Nordsee erreichen bis zu 145 Kilohertz. Wobei es den Tieren auch wieder ums leibliche Wohl in Form von Mahlzeiten geht: Ähnlich wie bei den Fledermäusen liefern die Echos der Ultraschall-Klicklaute den Zahnwalen Hinweise auf ihre Beute. Aber wenn man schon eine so tolle Stimme hat, kann man sich damit auch mit seinen Artgenossen unterhalten. „Walgesang“ heißt diese Kommunikation.

Während die Zahnwale eher für den Sopran zuständig sind, stecken Blauwale und andere Bartenwale den Menschen-Bass locker in die Tasche, der bei russischen Chören in Ausnahmefällen 55 Hertz erreicht. Schließlich tragen Rufe mit supertiefen 10 Hertz im Wasser einige tausend Kilometer weit. Man kann sich so mit Artgenossen verständigen, die weit weg sind.

Blauwal und Elefant mögen den Brummton.
Blauwal und Elefant mögen den Brummton. | Bild: dpa
Große Landsäuger: Eine ähnliche Verständigung mit tiefsten Tönen pflegen auch andere große Tiere wie Elefanten und Giraffen. Sie erreichen solche Superbässe mit extralangen Stimmbändern, die beim Elefanten achtmal länger als beim Menschen sind. Damit erreichen die Dickhäuter dann auch einen Infra-Bass mit 16 Hertz. Das entspricht etwa dem Ton der tiefsten Orgelpfeife, die eine Kirche mit einem wummernden Ton durchzieht. Solche tiefen Laute tragen weit. Elefanten-Ferngespräche finden also im Ultra-Bass statt. Allerdings enthalten die Small Talks der Dickhäuter auch höhere Frequenzen, die Menschen wie ein tiefes Schnauben wahrnehmen.

So sehen Bienen: Auch bei den Augen sind die Menschen manchen Tieren klar unterlegen. Bienen sehen auch das ultraviolette Licht, das von vielen Blüten kommt, die leckeren Nektar für die Insekten bereithalten. Weil das kalte Licht der Nacht eine kräftige, ultraviolette Komponente hat, locken diese Blüten ihre Bestäuber in der Dämmerung mit kräftigen Reflektionen im ultravioletten Licht an.

Bienen sehen ultraviolette Farben, der Falke ebenso.
Bienen sehen ultraviolette Farben, der Falke ebenso. | Bild: dpa
Falkenaugen: Genau wie wir Menschen sehen auch die meisten anderen Säugetiere abgesehen von den Fledermäusen kein ultraviolettes Licht. Das ist bei Vögeln anders. Falken erspähen das ultraviolette Licht, das der Urin ihrer Leibspeise Maus reflektiert. Auch Beeren mit glänzender Oberfläche reflektieren ultraviolettes Licht und stechen so in Vogelaugen aus dem Blattwerk heraus. Genau deshalb ernten viele Vögel zielgenau die Beeren im Garten ab, die wir Menschen übersehen haben. Obendrein finden Blaumeisen und Stare mit Hilfe des ultravioletten Lichts ihren Partner leichter. Während sich das Gefieder zwischen den Geschlechtern in anderen Wellenlängen kaum unterscheidet, haben Männchen und Weibchen im ultravioletten Licht verschiedene Muster auf den Federn.

Zusatz-Auge bei Schlangen: Diese haben zwischen Oberkiefer, Nasenlöchern und Augen kleine Gruben, mit denen sie infrarotes Licht sehen, das Menschen nicht wahrnehmen. Dabei strahlen Menschen wie alle anderen Tiere mit warmen Körpern dieses Licht aus, das nicht umsonst „Wärmestrahlung“ genannt wird. Mit Hilfe ihres Infrarot-Auges spüren Schlangen in Nächten, in denen selbst Eulen keine Chance haben, leicht Mäuse, Vögel und andere Beute mit warmem Blut auf. Offensichtlich haben wir Menschen also durchaus einige Schwächen. Zumindest wenn es ums Sehen oder Hören geht.

Schlangen nehmen Wärmestrahlung wahr.
Schlangen nehmen Wärmestrahlung wahr. | Bild: AFP

 

Schon gewusst?

Zur Ausbildung von Hunden kann man Trillerpfeifen verwenden, aber auch merkwürdige andere Pfeifen, die Ultraschallpfeife. Bläst man hinein, hört man keinen Ton. Der Hund aber hört den Ton gut. Denn seine Ohren sind auch jenseits der 20 Kilohertz aufnahmebereit. Bis in diesen Frequenzbereich arbeitet diese Hundepfeife. Der Mensch dagegen hört mit zunehmendem Alter immer schlechter. Im höheren Alter ist bei 5 Kilohertz Schluss. (mic)