Jürgen Löhle

Die Tierchen sind in etwa so beliebt wie Magenschmerzen. Der gemeine Holzbock, besser bekannt unter dem Namen Schildzecke oder schlicht Zecke, sieht weder possierlich aus, noch ist er es. Mit der Zecke verbinden wir lästige Blutsauger, die zudem noch gefährliche Krankheiten übertragen können. Und das zu Recht. Jährlich erkranken in Deutschland zwischen 200 und 500 Menschen an der Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME), einer mit Medikamenten nicht zu behandelnden Virus-Infektion, die zwar bestenfalls ganz ohne Beschwerden abläuft oder sich anfühlt wie eine leichte Grippe.

Bild 1: Die Zecken kommen

Eine FSME-Infektion kann sich aber auch zu einer massiven Gehirnhautentzündung ausweiten, die im schlimmsten Fall zum Tod führt. Insgesamt ist das Risiko, an der gefährlichen Hirnhautentzündung zu erkranken, aber nicht besonders hoch. Laut dem Berliner Experten und Biologen Olaf Kahl werden in Deutschland jährlich etwa acht Millionen sogenannter Zeckenstiche gezählt, dafür ist die Zahl an FSME-Erkrankten doch sehr gering. Trotzdem ist FSME gefährlich. Neben den zwei Prozent tödlichen Fällen, haben besonders Menschen jenseits der 50 ein erhöhtes Risiko, bleibende Nervenschäden nach einer Infektion zu behalten.

Bild 2: Die Zecken kommen
Bild: Quelle: Robert Koch-Institut / Bild: DPA / SÜDKURIER-GRAFIK: Steller

Auch andere Erkrankungen werden von Zecken auf den Mensch übertragen. Diese können aber medikamentös behandelt werden. Gegen die FSME ist allerdings noch kein Kraut gewachsen, aber man kann sich impfen lassen. In manchen Gegenden scheint die Impfung geboten zu sein. In Baden Württemberg gelten 44 Landkreise als stark FSME gefährdet. Der Bodenseekreis gilt dabei zusammen mit dem Ortenaukreis, mit Freiburg, Emmendingen, Calw und Böblingen als Schwerpunkt, weil hier in den vergangenen Jahren prozentual zur Bevölkerung die meisten Fälle aufgetreten sind.

Und jetzt, im Frühjahr, beginnt wieder die Saison, in der die Spinnentiere aktiv werden und sich an Menschen oder Tieren festsaugen. Zecken sind ein Problem der warmen Jahreszeiten, denken zumindest viele. Das stimmt aber nicht, zumindest nicht mehr. Zecken sind inzwischen fast das ganze Jahr präsent. Olaf Kahl sagt dazu: „Durch den Klimawandel sind die Zecken mittlerweile nahezu das ganze Jahr aktiv. Allenfalls kalte Phasen im Januar können noch als Ruhezeiten betrachtet werden.“ Zudem, so der Biologe, wandern Zecken jetzt immer weiter in den Norden und treten auch in Höhen bis zu 1400 Meter auf, wo man sie vor einigen Jahren noch nicht gefunden hat.

Beunruhigend ist zudem eine andere Beobachtung, die die Wissenschaftler gemacht haben. Früher hatten die von Wirtstieren wie zum Beispiel Zugvögeln aus dem warmen Süden eingeschleppte junge Zecken (so genannte saugende Nymphen) keine Chance, sich hier zu einem vermehrungsfähigen Tier zu entwickeln. Jetzt findet man aber mehr und mehr erwachsene Zecken, die hier eigentlich nicht leben und die völlig neue Krankheitserreger tragen. Dazu gehört auch die afrikanische braune Hundezecke, die mehr und mehr auch nördlich der Alpen auftaucht. Es wurden auch schon Zecken in Deutschland entdeckt, die Erreger einer Infektion mit schweren Blutungen („Hämorrhagisches Fieber“) in sich hatten.

Neben den Arten nimmt auch die Anzahl der Zecken ständig zu. Dies bestätigt eine aktuelle Studie der Universität Stuttgart-Hohenheim, in deren Rahmen seit 2014 in 100 ausgewählten Gärten im Großraum Stuttgart Zecken gesammelt, gezählt und untersucht wurden. Das Ergebnis: In 75 Prozent der Gärten wurden Zecken gefunden, die sich vom Schrebergarten bis hin zum penibel gepflegten Ziergarten überall wohlzufühlen scheinen.

Für die Hohenheimer Professorin Ute Mackenstedt bedeutet dies: „Wer aus der Haustür tritt, steht im Lebensraum der Zecken.“ Dabei nehme zwar die Zahl der Zecken in den Gärten mit der Entfernung vom Waldrand ab, aber selbst in der Innenstadt seien die Tiere nachzuweisen, was denn doch einigermaßen überraschend sei. Eingeschleppt werden die Zecken meist durch Haustiere, aber auch Wildtiere wie Mäuse, Füchse oder Vögel transportieren die Schädlinge weit in die Städte hinein. In einem Garten im Stadtteil Botnang wurden zum Beispiel 1600 Zecken eingesammelt – der höchste Wert der Studie überhaupt.

Bei etwa zwei Prozent der in der Region Stuttgart gesammelten Zecken konnte man die Erreger der Lyme Borreliose nachweisen, einer bakteriellen Infektion, an der etwa 240¦000 Menschen jährlich in Deutschland erkranken, die man allerdings mit Antibiotika behandeln kann. Heimische Zecken haben auch noch andere Erreger im Gepäck, unter anderem die des Q-Fiebers, das die Spinnentiere auf Schafe und diese wiederum auf den Menschen übertragen können. Auch der Erreger der Hasenpest ist schon gefunden worden. Das ist eine Erkrankung, die beim Menschen meist schwer verläuft, in Mitteleuropa aber noch sehr selten ist.

Die Zecken sind also auf dem Vormarsch. Und die Experten forschen über zuverlässige und umweltverträgliche Methoden zur Bekämpfung. In Hohenheim arbeitet man seit drei Jahren mit Pilzen, die die Zecke innerhalb eines Monats praktisch von innen heraus töten. Im Labor funktioniert das schon, es wird aber noch einige Zeit dauern, bis man den Ansatz bewerten kann. Ute Mackenstedt warnt vor zu viel Euphorie: „Es ist ein hochkomplexer Vorgang, zwei Organismen in natürlicher Umgebung so zusammenzubringen, dass der eine den anderen vernichtet“, sagt die Hohenheimer Professorin. Die Plage durch die Blutsauger geht also weiter. Und das nicht nur zur Sommerszeit.


 

Stimmt es, dass...

... Zecken von den Bäumen fallen? Nein, es ist ein Irrglaube, dass Zecken sich von Bäumen auf ihre Opfer fallen lassen. Zecken leben im Gras und im niedrigen Gebüsch. (sk)


 

Achtung, Zecke: Welche Krankheiten für Hunde gefährlich sind

Zecken können lebensgefährliche Krankheiten auf Hunde übertragen. Halter sollten ihre Tiere deshalb nach jedem Spaziergang nach den Parasiten absuchen und sie schnell entfernen. Wer sich das selbst nicht zutraut, sollte es den Tierarzt machen lassen. Die Tierrechtsorganisation Peta gibt einen Überblick, welche Krankheiten bei einem Zeckenstich auf Hunde übertragen werden können:

Borreliose: Die bakterielle Infektion mit Borrelien verläuft chronisch und ist bei Hunden manchmal schwer zu diagnostizieren. Gelenkbeschwerden, Schmerzen in der Muskulatur, Sehnen und Knochen sowie Lähmungen deuten auf eine Erkrankung hin.

FSME: Die häufig tödliche Frühsommer-Meningoenzephalitis wird durch Viren übertragen. Meistens zeigt sich das an neurologischen Symptomen wie Apathie, Gangstörungen, Krampfanfällen sowie hohem Fieber.

Babesiose: Die auch Hundemalaria genannte Krankheit wird durch Einzeller, den Babesien, hervorgerufen. Sie zerstört die roten Blutkörperchen und kann Vierbeiner das Leben kosten.

Anaplasmose: Unbehandelt geht diese Infektion tödlich aus. Heikel ist, dass sich die Erkrankung nur durch unspezifische Symptome wie hohes Fieber, Erbrechen, Durchfall und Apathie äußert.

Ehrlichiose: Erkrankte Hunde leiden unter Fieber und Erbrechen. Infiziert sich ein Hund durch Zecken mit Ehrlichien, kann das ebenfalls lebensgefährlich sein, wenn es nicht behandelt wird. (dpa)