Um Jugendliche für eine Ausbildung zu begeistern, müssen sich Unternehmen ziemlich ins Zeug legen. Betriebe suchen deswegen zunehmend auf Social Media-Plattformen nach Bewerbern für eine Ausbildungsstelle. Dass die mögliche Zielgruppe bevorzugt in digitalen Kanälen wie Instagram, TikTok, Facebook oder auch Linkedin auf Stellen aufmerksam gemacht werden können, ist die Hoffnung vieler Unternehmen.
Der Gedanke ist naheliegend. So wie die Bundesagentur für Arbeit, Handwerkskammern oder Industrie- und Handelskammern ihre Mitarbeiter in die Schulen schicken, um für Ausbildungsberufe zu werben, so kann ersatzweise der Gang auf digitale Plattformen erfolgreich sein.
Erfolgreiche Ansprache der Generation Z
Unternehmen, die in diese digitale und virtuelle Welt eintauchen, um Gesicht und Marke zu zeigen, können ihren Zielgruppen nah sein und diese ansprechen. Doch wollen diese das überhaupt? Und wie könnte eine erfolgreiche Ansprache der Generation Z, also der Geburtenjahrgänge zwischen 1995 bis 2006, funktionieren? Mit diesen Fragen hat sich die Studie „Azubi Recruiting Trends 2023“ beschäftigt, die von dem Verlag U-Form Testsysteme erstellt worden ist.
Das Unternehmen hat sich auf den Recruiting-Markt spezialisiert, also der Vermittlung von qualifizierten Arbeitskräften. Die Studie wird seit 2013 jährlich erstellt. „Die Besonderheit ist, dass sowohl Azubis, als auch Ausbildende befragt werden“, sagt Geschäftsführerin Felicia Ullrich. Wichtige Erkenntnis sei: „Die digitale Bewerber-Akquise ist kein Selbstläufer.“
„Die Wirkung der Unternehmenspräsenz auf Social Media wird total überschätzt.“Felicia Ullrich, Geschäftsführerin von U-Form Testsysteme
Die Frage nach der Nutzung sozialer Medien im Azubi-Marketing ziehe sich wie ein roter Faden durch die jährliche Untersuchung, sagt Ullrich. 2013 dachten Unternehmen, sie müssten auf Facebook eine Karriereseite einrichten. Dann kamen Instagram, Linkedin oder jetzt TikTok. Die Wirkung der Präsenz der Firmen auf Social Media-Plattformen werde aber „total überschätzt“, sagt Ullrich. Daran habe sich all die Jahre nichts geändert.
Die jugendliche Zielgruppe sei auf den digitalen Kanälen nicht für alle Themen ansprechbar. Ullrich begründet dies plakativ: Das Internet und Social Media seien das digitale Wohnzimmer der jungen Generation, ihren künftigen oder potentiellen Arbeitgeber wollte sie dort aber nicht unbedingt sitzen haben.
Azubi-Marketing auf Social Media
Lediglich 11 Prozent der befragten Jugendlichen nutzten soziale Medien zur aktiven Suche von Ausbildungsplätzen. 40 Prozent würden Angebote zumindest passiv wahrnehmen. Ullrich räumt hier mit einem Irrglauben auf: Nur weil Jugendliche gerne Videos schauen, heißt das nicht, dass sie sich auch mit Videos bewerben wollten. Ein ganz anderes Bild liefern die befragten Unternehmen: 79 Prozent nutzten Social Media für ihr Azubi-Marketing.
Dass Social-Media-Kanäle zunehmend als Plattformen angesehen würden, um jugendliche Bewerber für Ausbildungsplätze zu begeistern, bestätigt Petra Schlitt-Kuhnt von der Handwerkskammer Konstanz. Das Interesse von Ausbildungsbetrieben habe stark zugenommen. Die Handwerkskammer etwa hat darauf reagiert und bietet Social-Media-Schulungen an.
Grundgesetz der digitalen Plattformen
Ullrich begrüßt entsprechende Angebote für Unternehmen. „Das ist gut und wichtig.“ Denn das Grundgesetz der digitalen Plattformen sei nun einmal, dass dort nur schwer Aufmerksamkeit bei den Nutzern zu erlangen sei. Große Unternehmen könnten sich hier externe Influencer leisten, die bereits über eine große Anhängerschaft verfügten.
Für kleine Unternehmen und Kleinbetriebe sei dies kaum vorstellbar – sie müssten sich die digitale Expertise selbst erarbeiten. Bestenfalls fänden sich im Betrieb dafür junge Angestellte oder gar Azubis, die sich selbst schon in den sozialen Medien bewegten und mit diesen vertraut seien, empfiehlt Ullrich. Die Unternehmensgröße entscheide aber nicht zwingend über den Erfolg des digitalen Auftritts, meint Ullrich. Ein Handwerksbetrieb, der etwa regelmäßig Videos von seinen Produkten oder Reparaturen poste, könne genauso oder sogar viel besser anschaulich für seinen Beruf und Betrieb werben und Jugendliche für berufliche Tätigkeiten begeistern.
Ansprache gerne per Du
Eine persönliche Ansprache per Du bevorzugen dabei sogar 56 Prozent der befragten Jugendlichen, so eine weitere Erkenntnis der Untersuchung. 34 Prozent sei es egal, wie sie auf Karrierewebseiten, in Stellenanzeigen oder Azubi-Flyern angesprochen würden. Lediglich 10 Prozent würden das Sie bevorzugen.
Weniger eindeutig ist das Ergebnis auf Seite der Unternehmen: Bei der Hälfte aller befragten Unternehmen herrsche bei der Ansprache eine Gemengelage. Die Firmen täten aber gut daran, hier Klarheit herbeizuführen und könnten so ihre Attraktivität steigern, sagt Ullrich.
Wichtiger aber noch sei, dass sich Betriebe öffneten: Jugendliche müssten einmal reinschnuppern können. Mit solchen Praxistagen würden unbekannte Ausbildungsberufe zu erlebbaren Ausbildungsberufen. Für die Schnuppertage könnte sehr gut in den sozialen Medien, auf Karriereseiten der Unternehmens-Homepage oder in Online-Stellenportalen geworben werden.
Berufsorientierung in der Schule
Aufschlussreich ist, dass 50 Prozent der Azubis und Bewerbenden und 45 Prozent der Ausbildenden die fehlende Berufsorientierung in der Schule für die Besetzungsprobleme im Ausbildungsjahr 2022/23 verantwortlich machten.
Petra Schlitt-Kuhnt von der Handwerkskammer Konstanz bekräftigt denn auch, die persönliche Ansprache von Jugendlichen bei Infotagen in Schulen oder auf Jobmessen müsse weiter intensiviert werden. Diese analoge Werbung für Ausbildungsberufe sei nach wie vor wirkungsvoll.
Bewerbung online in 60 Sekunden
Beim Bewerbungsprozess selbst werde von den Jugendlichen (83 Prozent) aber ganz klar die Online-Variante bevorzugt. Dabei müssten umständliche Registrierungen vermieden und Bewerbungsformulare für Mobilgeräte optimiert, kurz gehalten und in höchstens 60 Sekunden auszufüllen sein, so der Tenor der Umfrage – das Internet und Social Media ist eben schnelllebig.