Ann-Katrin Hahner

Seit 2023 galt beim Bürgergeld eine Atempause: Niemand musste eine vorgezogene Rente beantragen. Doch was passiert, wenn die sogenannte Zwangsverrentung ab 1. Januar 2027 wieder greift? Unser Überblick zeigt, was bisher gilt, was sich ändern könnte und mit welchen Kürzungen Bürgergeld-Empfängerinnen und -Empfänger rechnen müssen.

Zwangsverrentung: Werden Bürgergeld-Empfänger gezwungen, in Rente zu gehen?

Als der Gesetzgeber das Bürgergeld einführte, war eine Zusage Teil der Veränderung: Kein Jobcenter sollte Leistungsbeziehende zwingen können, vorzeitig in Rente zu gehen. Diese Atempause vor der umstrittenen „Aufforderung zur Inanspruchnahme einer vorgezogenen Altersrente“ – umgangssprachlich „Zwangsverrentung“ – gilt seit 1. Januar 2023 und ist befristet. Sie endet nach aktueller Rechtslage am 31. Dezember 2026. Danach ist jedoch eine Rückkehr zur alten Regelung möglich. Dies geht aus einem Papier der Bundesagentur für Arbeit (BA) hervor.

Doch worum geht es bei der Zwangsverrentung eigentlich? Kern der Debatte ist § 12a SGB II: Wer Bürgergeld bezieht, soll vorrangige Sozialleistungen in Anspruch nehmen, wenn dadurch Hilfebedürftigkeit vermieden oder verringert wird. Vor 2023 konnten Jobcenter daraus eine Aufforderung ableiten, eine vorgezogene Altersrente zu beantragen.

Für die Behörden ist die Idee hinter der Zwangsverrentung schnell erklärt: Bürgergeld gilt als eine nachrangige Leistung, die nur dann gezahlt wird, wenn für den Antragssteller keine andere Absicherung greift. Wer mit 63 Jahren oder älter bereits einen Rentenanspruch hat, soll diesen deshalb auch nutzen – auch wenn es bedeutet, dass die Rente durch den vorzeitigen Renteneintritt dauerhaft gekürzt wird. Aus staatlicher Sicht lässt sich so vermeiden, dass doppelt gezahlt wird: erst Bürgergeld und später noch die volle Rente. Kurzfristig entlastet das den Bundeshaushalt, weil die Jobcenter weniger Geld auszahlen müssen, wie die FR in einem Beitrag erkennt.

Mit diesem Vorgehen wird beim Bürgergeld gespart – die Gefahr steigt aber, dass Menschen im Alter nicht von ihrer gekürzten Rente leben können und dann ohnehin Grundsicherung beantragen müssen. Im Kern ist es eine Verschiebung der Kosten: Was die Jobcenter heute sparen, könnte die Sozialkassen von morgen umso stärker belasten.

Zwangsverrentung von Bürgergeldempfängern – Diese Folgen drohen ab 2027

Für Menschen, die Bürgergeld beziehen, hätte die Rückkehr zur alten Regelung gleich mehrere Folgen. In den meisten Fällen könnte das Jobcenter wohl verlangen, dass sie die „Altersrente für langjährig Versicherte“, die ab 35 Versicherungsjahren greift, beantragen. Sie kann bereits ab dem 63. Lebensjahr bezogen werden, ist jedoch dauerhaft gemindert, wie es bei der Deutschen Rentenversicherung (DRV) heißt. Sie wird um 0,3 Prozent pro Monat gekürzt, also bis zu 14,4 Prozent bis zur maximalen Vollverrentung.

Ein vereinfachtes Beispiel:

Herr K. (63) ist Bürgergeld-Empfänger und würde laut Rentenauskunft mit 67 Jahren eine Rente von 1200 Euro monatlich erhalten. Sein Bürgergeld-Bedarf inklusive Miete beläuft sich derzeit auf 1000 Euro im Monat.

Variante A – ohne Zwangsverrentung (heute möglich):

  • Herr K. erhält bis 67 Bürgergeld (1000 Euro).

  • Mit 67 geht er in reguläre, ungekürzte Rente: 1200 Euro lebenslang.

Variante B – mit Zwangsverrentung (ab 2027 möglich)

  • Jobcenter verlangt von Herrn K. Rentenantrag ab 63.

  • Abschlag: 4 Jahre × 12 Monate × 0,3 Prozent = 14,4 Prozent

  • Seine Rente sinkt auf 1027 Euro lebenslang.

*Hinweis: In der Praxis fällt die Auszahlungsrente niedriger aus als im Beispiel, da Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung abgezogen werden.

Würden die 1027 Euro aus Szenario B nicht zum Leben reichen, müsste Herr K. zusätzlich Grundsicherung im Alter beantragen. Das Jobcenter spart sich zwischen 63 und 67 Jahren die Bürgergeld-Leistungen, doch die Rente von Herrn K. bleibt dauerhaft um 173 Euro gekürzt und die Kosten könnten sich auf die Kommunen verlagern.

Für Betroffene bedeutet das: Lebenslange Kürzungen, wenn das Jobcenter zur vorzeitigen Rente drängt und kein Härtefall greift.

Kommt die Zwangsverrentung 2027 sicher zurück?

Rechtlich bleibt in diesem Zusammenhang noch die sogenannte Unbilligkeitsverordnung zentral. Sie greift, wenn eine abschlagsfreie Rente in nächster Zukunft erreichbar ist oder wenn die vorzeitige Rente so niedrig ausfiele, dass Grundsicherung im Alter nötig wäre. Die BA hat das Kriterium in ihren Weisungen 2025 präzisiert. In der Praxis war schon vor 2023 anerkannt: Wer laut einem Beispiel des Portals ihre-vorsorge.de nur noch wenige Monate von der abschlagsfreien Rente entfernt ist, darf nicht in Abschläge gedrängt werden. Das mindert Härten, ändert aber nichts an der Lage derjenigen, die weit entfernt von der abschlagsfreien Option sind.

Denn die abschlagsfreie Rente für besonders langjährig Versicherte ist nicht vor dem 65. Lebensjahr zu haben. Und: Zeiten mit Bürgergeld werden nicht auf die 45 Jahre angerechnet. Genau das macht diese abschlagsfreie Rente für SGB-II-Biografien schwer erreichbar, bestätigt die DRV in ihrer aktuellen Broschüre ausdrücklich.

Ob die Praxis der Aufforderung zu einer vorgezogenen Rente ab 1. Januar 2027 tatsächlich zurückkehrt, ist derzeit nicht entschieden. Eine Gesetzesänderung wäre dafür nicht erforderlich. Es würde genügen, die befristete Schutzregel auslaufen zu lassen. Wir haben sowohl bei der Bundesagentur für Arbeit als auch beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales nachgefragt und aktualisieren diesen Beitrag, sobald neue Informationen vorliegen.