Deborah Dillmann

Das Bürgergeld ist seit seiner Einführung im Jahr 2023 immer wieder Mittelpunkt politischer Diskussionen und Auseinandersetzungen. Dabei geht es etwa um Totalverweigerer genauso wie um härtere Sanktionen und Kürzungen. Zuletzt hatte FDP-Fraktionschef Christian Dürr gefordert, die Sozialleistung um einen monatlichen Betrag von 14 bis 20 Euro zu kürzen - also zwischen 2,5 und 3,5 Prozent des Regelsatzes. Der Bild-Zeitung sagte er: „Mein Vorschlag wäre eine Anpassung nach unten, weil bei der letzten Berechnung die Inflation höher eingeschätzt wurde, als sie sich tatsächlich entwickelt hat.“

Doch geht es nach Rechtsanwalt Mohamed El-Zaatari, ist der Vorschlag gänzlich unbegründet. „Das Bürgergeld wurde jahrelang zu wenig erhöht, daher war eine Erhöhung zum 1. Januar 2024 um zwölf Prozent mehr als angemessen“, sagte der Anwalt den Zeitungen der Ippen-Media-Gruppe. Hinzukomme, dass Bürgergeld-Empfängerinnen und Empfänger häufig ohnehin nicht das erhalten würden, was ihnen eigentlich zustehe. Einer Auswertung seiner Verbraucherrechtskanzlei Rightmart zufolge sei etwa die Hälfte der Bürgergeld-Bescheide fehlerhaft.

Fehler im Bürgergeld-Bescheid: Wie viele Empfänger bekommen zu wenig Geld?

Wer Bürgergeld beantragt, erhält in der Regel kurze Zeit später einen Bescheid des Jobcenters. Dieser enthält laut dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) eine verbindliche Entscheidung über die bewilligten Leistungen in Höhe und Dauer. Ist jemand mit der Entscheidung des Jobcenters nicht einverstanden, kann die Person innerhalb eines Monats nach Zugang des Bürgergeld-Bescheids Widerspruch erheben.

Ein Widerspruch könnte sich Rightmart zufolge lohnen, denn nahezu 50 Prozent der Bescheide seien fehlerhaft. Häufig seien Fehler bei diesen Punkten zu finden:

  • Berechnung der Kosten für Unterkunft und Heizung

  • Anrechnung des vorhandenen Einkommens

  • Berücksichtigung von vorhandenem Vermögen

  • Bewilligung von Mehrbedarfen

  • Begründung des Bürgergeld-Bescheids

  • Verkürzung des Bewilligungszeitraums

Für die Auswertung hat die Kanzlei den Zeitungen der Ippen-Gruppe zufolge nach eigenen Angaben 35.000 Fälle von Personen untersucht, die ihre Bürgergeld-Bescheide von Januar 2023 bis Juni 2024 zur Prüfung bei der Kanzlei eingereicht haben. In fast allen Fällen, sei es um die bewilligte Leistungshöhe gegangen, sagte El-Zaatari. Bürgergeld-Empfängerinnen und Empfänger haben also zu wenig Geld bekommen.

Dem Anwalt zufolge sei das Bild der kanzleiinternen Auswertung „recht aussagekräftig“, da sich die Daten „größtenteils mit unseren historischen Daten seit 2015 und mehreren hunderttausend Anfragen, die uns seitdem erreicht haben“ decken würden. Auch mit der Bundesstatistik würden sich die Daten decken.

Tatsächlich liegen die offiziellen Zahlen der Bundesagentur für Arbeit unter denen der Kanzlei. Trotzdem sind auch hier zahlreiche erfolgreiche Widersprüche vermerkt. So ist die Zahl der Widersprüche gegen Bürgergeld-Bescheide der 405 Jobcenter in Deutschland im vergangenen Jahr leicht gestiegen. Laut der Statistik der Bundesagentur für Arbeit waren 2023 bundesweit rund 425.400 Widersprüche eingegangen. Über rund 419.600 Widersprüche haben die Jobcenter im vergangenen Jahr entschieden. Etwa zwei Drittel wurden zurückgewiesen oder zurückgezogen, berichtet die Welt. In 138.500 Fällen änderten die Jobcenter ihre ursprüngliche Entscheidung - meist weil fehlende Unterlagen nachgereicht worden waren. Bei fast 40.200 Bürgergeld-Bescheiden hatten die Behörden allerdings einen Fehler gemacht. Im vergangenen Jahr führte demnach jeder dritte Widerspruch (rund 33 Prozent) zu einer Änderung und war erfolgreich.