Lukas von Hoyer

Seit dem Beginn des russischen Angriffskrieges in der Ukraine sind mehr als eine Million Ukrainerinnen und Ukrainer nach Deutschland geflohen. Ende 2024 waren es etwas mehr als 1,16 Millionen, wie aus einer Statistik der Europäischen Union (EU) hervorgeht, um es genauer zu sagen. Alle Geflüchteten aus der Ukraine, die auf Unterstützung angewiesen sind, erhalten in Deutschland sofort Sozialhilfe oder Bürgergeld, welches in der Regel 563 Euro beträgt. Der Grund: „Menschen, die aus der Ukraine zu uns fliehen, gelten sofort als schutzberechtigt“, ist bei bundesregierung.de zu lesen.

Eine Regelung, die für kontroverse Diskussionen sorgt, seitdem sie im Mai 2022 im Bundestag beschlossen wurde. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat das Gesetz mit seiner Ampelkoalition angestoßen und in den Bundestag gebracht. Friedrich Merz (CDU), Kanzlerkandidat der Union, will das Bürgergeld für Neuankömmlinge aus der Ukraine abschaffen und ihnen stattdessen eine sofortige Arbeitserlaubnis geben, wenn er ins Kanzleramt einziehen sollte. Doch was sagen eigentlich die Ukrainerinnen und Ukrainer selbst zu der Diskussion?

Ukrainerin Anna: Ohne Bürgergeld würden mehr Geflüchtete arbeiten

Das Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) hat mit der Ukrainerin Anna (ihr Nachname wurde auf ihren Wunsch nicht veröffentlicht) gesprochen, die nach Kriegsbeginn nach Deutschland gekommen war und mittlerweile wieder zurück in der Ukraine ist, in Kiew lebt. Sie hat das Bürgergeld schon nach drei Monaten auslaufen lassen, da sie es nicht benötigte. „Ich finde, die Unterstützung für Ukrainer in Deutschland ist zu hoch“, sagt sie.

Diese Meinung habe sie auch von einigen Deutschen zu hören bekommen. Unter anderem bei Rendezvous in München. „Sie haben sich bei mir darüber beklagt, dass sie für die ganzen Ukrainer in Deutschland Steuern zahlen müssen“, erinnert sich Anna.

Die Buchhalterin glaubt, dass deutlich mehr Ukrainerinnen und Ukrainer in Deutschland arbeiten würden, wenn es nicht von Beginn an Bürgergeld für sie gebe. „Die Leute denken: Warum soll ich arbeiten, wenn ich von der Regierung mehr erhalte?“, erklärt Anna dem RND. Laut einer Studie des Instituts für Arbeitsmarkt– und Berufsforschung (IAB) arbeiten 27 Prozent der nach Deutschland geflüchteten Ukrainerinnen und Ukrainer. Ein Wert, der innerhalb Europas im Mittelfeld einzuordnen ist. In Litauen (57 Prozent), Dänemark (53 Prozent) und Polen (48 Prozent) ist er aber deutlich höher.

Kommen noch mehr Ukrainer nach Deutschland?

„Sollten Deutsche eines Tages in die Ukraine fliehen und die Ukraine würde sie bezahlen, würden wir nach drei Jahren auch sagen: Bitte geht arbeiten“, trägt Anna im RND-Interview zur anhaltenden Debatte, die in den kommenden Monaten oder Jahren noch heißer werden könnte. Denn das Kieler Institut für Weltwirtschaft hat berechnet, dass eine Niederlage der Ukraine weitreichende Folgen haben würde. Demnach würde ein Sieg Russlands dafür sorgen, dass eine massive Zwangsmigration von Ukrainerinnen und Ukrainern ausgelöst wird. Allein nach Deutschland würden dann mindestens 1,9 Millionen Geflüchtete hinzukommen. Die Mehrkosten laut der Berechnung: rund 24 Milliarden Euro im Jahr.

Durch einen anderen Ausgang des Krieges könnte es eine gegenteilige Entwicklung geben. Anna glaubt, dass fast alle Ukrainerinnen und Ukrainer in ihre Heimat zurückkehren möchten, sobald der Krieg vorbei ist. „Ich bin Deutschland wirklich sehr dankbar, aber ich werde mich da nie zu Hause fühlen. Hier ist Krieg, aber hier bin ich zu Hause“, erklärt sie. Sollte sich die Lage in der Ukraine allerdings weiter verschlechtern, würde sie über eine Rückkehr nach Deutschland nachdenken.

Übrigens: Das Bürgergeld könnte der Grund dafür sein, dass Beamte bald mehr Geld bekommen.