Michael Kerler

In der Energiewende, vor allem aber seit dem Krieg Russlands gegen die Ukraine setzt die Bundesregierung auf einen Ausbau der Windkraft und der Photovoltaik. Biogas, das von zahlreichen Landwirten auch in Baden-Württemberg erzeugt wird, nahm dagegen in der Diskussion meist eine Nebenrolle ein.

Dabei sei das Potenzial gewaltig, rufen Biogasverbände in Erinnerung. In Europa ließe sich damit ein großer Teil des Gases ersetzen, das derzeit aus Russland importiert wird.

Derzeit gebe es in Europa rund 20.000 Biogasanlagen, berichtet Harmen Dekker, Geschäftsführer des Europäischen Biogasverbandes. Die europäischen Anlagen produzieren rund 17 Milliarden Kubikmeter Biogas im Jahr, das unmittelbar verbrannt wird, um Strom und Wärme zu erzeugen.

Rund drei Milliarden Kubikmeter werden aufbereitet und als Biomethan zum Beispiel in das Gasnetz eingespeist. Biomethan ist dann praktisch ein Ersatz für Erdgas.

Erzeugung von Biogas in der Kritik

Die Möglichkeiten seien aber größer, erklärt Dekker: Ziel sei es, in der EU bis 2030 rund 35 Milliarden Kubikmeter Biomethan zu erzeugen. Das wären rund zwei Drittel der Kapazität der derzeit auf Eis liegenden Pipeline Nord Stream 2, sagt er. „Biomethan ist eine kostengünstige Lösung, es kann für rund 55 Euro pro Megawattstunde hergestellt werden“, so Dekker. Erdgas kostet derzeit in der Krise rund das Fünffache. Um auf die angepeilte Menge zu kommen, müssten rund 5000 Biogasanlagen in Europa erstellt werden – 1000 große und 4000 mittelgroße Anlagen.

Die Möglichkeiten für Biogas in Europa seien tatsächlich groß, davon ist auch Udo Hemmerling überzeugt, stellvertretender Generalsekretär des Deutschen Bauernverbandes. „In den anderen europäischen Ländern wird bisher wesentlich weniger Biogas als in Deutschland erzeugt“, erklärt er. Die Erzeugung von Biogas hierzulande ist in den vergangenen Jahren in die Kritik geraten, da der Maisanbau für Biogas in Konkurrenz zum Anbau von Lebensmitteln wie Kartoffeln oder Weizen tritt.

Fit für die Energiezukunft

„Die Perspektive für Europa ist es deshalb, nicht zu sehr auf Silomais zu setzen“, sagt Hemmerling. Besser sei es, Bioabfälle, Essensreste, Gülle oder Mist zu verwenden – Abfallstoffe also, die sonst auf Deponien oder in Verbrennungsanlagen landen. Die frühere „Teller-Tank-Diskussion“ könnte damit vermieden werden.

Wegen der früheren Förderung durch das Erneuerbare-Energien-Gesetz sind in Deutschland die Rahmenbedingungen anders als in Europa. Bestehende Biogasanlagen arbeiten häufig mit nachwachsenden Rohstoffen aus der Landwirtschaft, beispielsweise Mais.

Mittelfristig gehe es in Deutschland vor allem darum, bestehende Anlagen fit für die Energiezukunft zu machen, sagt Bauernverbands-Vizechef Hemmerling. Bisher verwenden viele Biogasanlagen das erzeugte Gas, um es vor Ort, zum Beispiel auf den Bauernhöfen in Motoren zu verbrennen und Ökostrom und Fernwärme für Wohnungen, Kindergärten oder Bäder zu erzeugen. Das findet häufig noch kontinuierlich, rund um die Uhr statt.

Anlagen als Stabilität fürs Netz

Wenn in Zukunft die Photovoltaik und die Windkraft ausgebaut würden, sei es sinnvoller, mit den Biogasanlagen die Zeiträume abzudecken, wenn gerade Windstille herrscht und die Sonne fehlt, erklärt Hemmerling. Biogas wird also zur Rückversicherung, falls der grüne Strom knapp ist. Die fehlende Elektrizität kann weiterhin vor Ort am Bauernhof erzeugt werden.

Sinnvoller noch könnte es sein, das wertvolle Gas aufzubereiten und als Biomethan ins Gasnetz einzuspeisen. Dann kann es in zentralen Kraftwerken verwendet werden oder über Monate in den vorhandenen unterirdischen Gasspeichern gelagert werden, bis der Bedarf besonders groß ist. Zum Beispiel im Winter. „Jetzt geht es darum, unseren bestehenden Biogasanlagen-Park für die Zukunft umzubauen“, sagt Hemmerling vom Bauernverband.