Herr Hülkenberg, mit der Gewissheit, dass Sie schon einen langfristigen Vertrag haben: Gibt das einem ein anderes Gefühl an Sicherheit, sodass Sie die Sommerpause mehr genossen haben?
Mehr genießen würde ich nicht sagen, aber man hat Planbarkeit und weiß, wo man hingehört in Zukunft. Das bringt eine gewisse Stabilität und Ruhe mit sich und ist komfortabel. Eine schöne Situation. Ich kenne die andere Seite auch sehr gut – wenn gefühlt jedes Rennen das Zünglein an der Waage sein kann, ob es weitergeht. Das ist jetzt die andere Seite und ist entspannt, aber bedeutet nicht, dass man sich zurücklehnen kann. Man muss weiterarbeiten.
Sie sind aktuell der einzige deutsche Stammpilot in der Formel 1. Welche Charaktereigenschaften muss man dafür mitbringen?
Speed. Es ist ein extrem leistungsbezogenes Business. Am Ende des Tages wollen die Teams Punkte und Leistung haben. Das hat mich über meine lange Laufbahn hinweg ausgezeichnet.
Können Sie sich noch an Ihr Formel-1-Debüt von 2010 erinnern?
Manche Sachen sind noch da, nach manchen muss ich in der Erinnerung graben. Ich sehe eine jüngere Version von mir, die am Anfang ihrer Formel-1-Karriere steht, mit hohen Erwartungen und viel Talent. Ich war jung und ein bisschen wild und damals einer von sieben Deutschen. Da haben wir die Formel 1, was die Anzahl der Fahrer angeht, dominiert.
Welche Tipps würden Sie Ihrem damaligen Ich geben?
Einige. Es gibt Fehler, die man macht. Die muss man aber machen, um zu lernen. Am Ende des Tages ist das immer ein Prozess. Du lebst dein Leben, machst Karriere, manchmal geht es sehr gut, manchmal lenken dich Fehler in irgendeine andere Richtung. Aber grundlegend könnte ich ihm nichts anderes sagen außer: „Mach ein paar Sachen hier und da besser.“
Gibt es irgendetwas, das Sie bereuen?
Reue hört sich so hart und extrem an. Natürlich ist da der eine oder andere Teamwechsel. Der Wechsel zu Sauber 2013 war im Nachhinein nicht der beste. Die erste Saisonhälfte war schon extrem schwer, der Wechsel hat nicht das gebracht, was er bringen sollte. Gleichzeitig war da Force India, das Team, das ich verlassen hatte, sehr gut. Wäre ich da geblieben, wäre meine Karriere vielleicht anders verlaufen und ich wäre Ende 2013 woanders gelandet.
2013 hatten Sie gute Gespräche mit Ferrari über einen Wechsel zur Saison 2014. Die Scuderia entschied sich damals aber für Kimi Räikkönen. Teamchef war Stefano Domenicali, heute Formel-1-Geschäftsführer. Haben Sie mit ihm mal über die Gründe gesprochen?
Noch nicht.
Warum nicht?
Weil er immer noch sagt: „Noch nicht, komm später.“
Haben Sie sich in Ihrer Karriere schon mal in einer Sackgasse gefühlt?
2019 war ein bisschen die Luft raus. Der Spaß war nicht mehr so vorhanden. Die Leichtigkeit, die Lockerheit, die Freude ist ein bisschen abhandengekommen, weil bei Renault die Atmosphäre nicht mehr so gut war. Vielleicht war das eine Sackgasse. Ich habe dann Konsequenzen gezogen und gesagt: „Ich gehe jetzt mal raus und schaue, was passiert.“
Ab kommender Saison heißt es für Sie Kick Sauber und danach Werksteam Audi. Welche praktischen Vorteile bringt denn das Engagement bei einem Werksteam?
Man bekommt hoffentlich mehr Performance, ein besseres Auto und ein besseres Paket. Werksteams sind größer, sie haben mehr Ressourcen, mehr Budget, mehr Manpower. Das sind die Zutaten, die die Top-Teams haben. Und Audi hat sie auch. Wir müssen diese Zutaten dann gut vermengen, dass das ein gutes Paket und eine runde Sache wird.
Als Wertschätzung kann man sicher verstehen, dass Audi Sie als ersten Fahrer verpflichtet hat.
Definitiv, ich finde das cool, es macht mich auch stolz.
Da wartet eine Menge Aufbauarbeit. Können Sie sich in so eine Herausforderung verbeißen?
Absolut, das habe ich schon des Öfteren in der Formel 1 bewiesen. Es liegt mir, die Ärmel hochzukrempeln, mich einzubringen und Dinge zu gestalten. Vor allem auch in der Arbeit mit den Ingenieuren, was man so im Fernsehen nicht sieht. All das, was quasi zwischen den Zeilen und zwischen den Rennen passiert, wird ja nicht übertragen.
Sie sind auch stets Repräsentant vom deutschen Handwerk.
Ich halte die Deutschland-Flagge hoch und bin künftig quasi Botschafter für die Marke Audi, die auch global unterwegs ist. Egal in welches Land wir fahren oder zu welchem Rennen, Audi ist auf jedem Markt und in jedem Land präsent. Dadurch hat man selbst auch eine andere Präsenz und Verantwortung.
Sie kennen sich mit Comebacks aus. Es gibt Gerüchte, wonach Sebastian Vettel gerne auch wieder in der Formel 1 fahren würde. Auf was muss man denn ganz allgemein bei einem Comeback achten?
Man muss eine bewusste Entscheidung treffen. Man muss sich sicher sein, was man wirklich will, mit allen Konsequenzen, mit allen positiven und auch negativen Aspekten. Dann muss man es voll durchziehen und auch voll leben. Also volle Kraft voraus.