Mit dem Waschen schmutziger Wäsche kennt man sich im Hause Infantino aus. Launig erzählte der neue Fifa-Präsident am Vorabend seiner Wahl, dass er das Amt als Vereinschef des FC Brig-Glis in seinem Schweizer Heimatort Brig als 18-Jähriger nur bekommen habe, weil seine Mutter versprach, die Trikots zu reinigen. Denn ein guter Tschutter, also Kicker, war der „Piccolino“ nicht. Das jüngste von drei Kindern der Familie Infantino, der Secondo-Bub, dessen Vater in Brig einen Kiosk führte, hatte als liebenswerter Kerl, der sich für keine Aufgabe zu schade und gerne das sogenannte „Mädchen für alles“ war, die 3. Mannschaft des Clubs mitgegründet und da seinen Spaß gefunden.

Wer sich heute mit dem längst weltgewandten Fußballfunktionär unterhält, der kann das in mehreren Sprachen tun – wenn er sie denn beherrscht wie Gianni Infantino. Der 45-Jährige spricht in seiner Familie und mit seinen Kindern Italienisch, seine Frau ist Libanesin, die ihm Arabisch beigebracht hat. Im Job bei der Uefa in Nyon war er mit Französisch und der Verbandssprache Englisch unterwegs. Aus einer früheren Tätigkeit in der Priméra Division ist ihm die spanische Sprache geblieben. Und wer auf Deutsch mit ihm plaudern will – bitteschön, auch das kann Infantino, manchmal rutscht ihm der Walliser Dialekt durch, dann heißt es „dr Füeßball“.

Auf die Heimat lässt der neue Fifa-Präsident genauso wenig kommen wie der alte. Ganze zehn Kilometer trennen die beiden Ortschaften. In Visp ist Joseph Blatter immer noch für alle der Sepp und mit allen „per dü“. In Brig loben sie ihren Piccolino von einst, dass er trotz seines Aufstiegs „dr Gianni gebliebe isch“. Dann und wann sieht man ihn am Spielfeldrand stehen, wenn der FC Brig-Glis kickt, einmal, so erzählen sie stolz, hatte „dr Gianni“ den großen Champions-League-Pokal dabei und signierte Trikots von Fußballgrößen.

Und jetzt ist Gianni Infantino der mächtigste Mann in der Fußballwelt. Noch vor wenigen Monaten war unvorstellbar, dass der Jurist aus Brig seinen Dorfnachbarn aus Visp beerben würde. Erst die Sperre von Uefa-Boss Michel Platini machte ihn zum Kandidaten. Mit einer Mischung aus jungenhaftem Charme und knallharter Funktionärsdenke hat er es in der Fußball-Welt ganz nach oben geschafft. Seinen Sprung ins Top-Amt der Fifa hatte er aber selbst nicht für möglich gehalten. „Manchmal gibt es im Leben Situationen, in denen man seine Pläne ändern muss, weil es die Bedingungen erfordern“, erklärte er seinen Entschluss. Dem breiten Fußball-Publikum war der Schweizer zuvor bestenfalls von den Auslosungen zur Champions League bekannt, die er mehrsprachig leitete. Im zweiten Wahlgang beim Fifa-Kongress am Freitag in Zürich setzte sich Infantino mit 115 Stimmen durch.

Der Weg auf den Fifa-Thron bedurfte eines Kraftaktes: Nicht einmal in der europäischen Heimatkonföderation flogen dem geübten Funktionär die Herzen automatisch zu. Erst bei seiner Abschlussrede vor den Uefa-Funktionären konnte er sich sicher sein, dass die Zustimmung zumindest aus Europa standesgemäß sein würde. „Ich bin um die ganze Welt gereist, fünfmal um die ganze Welt. Ich kann ihnen Ratschläge erteilen über alle Fluglinien und wie man am besten schläft“, berichtete er launig von seiner Werbetour um den Globus. „Manchmal weiß ich nicht, welche Tageszeit gerade ist, ob ich frühstücke oder zu Abend esse“, hatte er schon zuvor erzählt. Von Panama nach Asuncion, von Kigali nach Paris. Die Maschinerie lief.

Langsam mauserte er sich zu einem ernsthaften Konkurrenten für Scheich Salman bin Ibrahim al Chalifa, dem Adligen aus Bahrain, der vergeblich versuchte, ihn auf den Posten des Fifa-Generalsekretärs zu locken. „Es ist nicht die Zeit für Deals“, lehnte Infantino ab.

Nun soll er die Fifa reformieren, doch Zweifel bleiben. Seine Sozialisation als Funktionär erfolgte im System von Platini und damit im System von Blatter. Seine letzte Wahlrede vor den Delegierten hätte auch von Blatter geschrieben worden sein können – ständig wechselte er zwischen sechs Sprachen, ein Stilmittel, das der Ex-Chef perfekt beherrschte.

Seine Wahlkampf-Versprechungen im Blatter-Stil nehmen öffentlich schon Anstoß. Fünf Millionen Dollar Zuschuss für alle Konföderationen und damit eine Steigerung im Vier-Jahreszyklus von 150 Prozent sind Versprechungen á la Blatter. Von den Delegierten bekam er dafür bei seiner Rede Szenen-Applaus. Die WM-Aufstockung auf 40 Teams bringt aber seine europäischen Freunde in Rage.

Gianni Infantino sieht das gelassen. Er vertritt offen die Maxime „immer mehr, immer weiter, immer größer“. Und am Ende gelte das doch für alle. Was wohl das Wichtigste ist: wie auch immer, endlich legal, endlich sauber müssen die Geschäfte laufen. Sonst, und das ist gewiss, geht's dem Piccolino wie dem Sepp – nur früher.