Die Bilder und Videos sind verstörend. Zwei kleine braune Hunde schauen verängstigt aus ihren Käfigen. Ein Mann lädt seine zitternde Katze in einer Transportbox in sein Auto. Er hat sie aus seinem zerstörten Apartment in Kiew geborgen. Eine alte Frau sitzt entkräftet in einem Rollstuhl. 60 Kilometer hat sie ihre geliebte Katze auf ihrer Flucht getragen. Nun ist sie an der Grenze zu Polen angelangt. Sie kann nicht mehr.

Der Krieg in der Ukraine verursacht unendliches Leid, nicht nur bei den menschlichen Opfern der russischen Invasion, sondern genauso bei vielen Tieren. Viele Deutsche sahen im Fernsehen gerührt, wie die Ukrainer mit ihren Hunden und Katzen in den Kiewer U-Bahn-Stationen übernachteten und bei der Flucht lieber ihre Hunde und Katzen mitnahmen als irgendwelche Gegenstände einzupacken.
Etwa zwei Millionen Ukrainer sind inzwischen vor dem Krieg geflohen. Und während die Hilfe für die Menschen anläuft, machen sich auch Tierschutzorganisationen auf den Weg – oder sind schon an der polnischen Grenze. Die Organisation Vier Pfoten brachte fünf Bären aus dem Großraum Kiew in den Bärenwald Domazhyr in der West-Ukraine. Andere Tierschützer retteten Großkatzen wie Löwen und Tiger aus dem Kiewer Zoo, in dem bis zu 4000 Tiere eingeschlossen sein sollen.

Peta Deutschland etwa ist schon seit etwa zwei Wochen vor Ort, wie die ehrenamtliche Beraterin Andrea Müller aus der Zentrale in Stuttgart berichtet. Sie engagiert sich seit 28 Jahren bei Peta. „Zunächst ging es um die Notversorgung. Menschen, die ihre Katze in der Jacke transportiert hatten, haben wir Transportboxen gegeben. Und Hunde versorgt, die wunde Pfoten hatten“, sagt sie.
Inzwischen gebe es einen Hilfskorridor von der polnischen Grenze nach Lemberg. Dort haben die Tierschützer ein Lager gemietet, in das 40 Tonnen Tiernahrung transportiert wurden. Von dort wird das Futter von einheimischen Tierschützern weiterverteilt, denn auch Tierfutter sei knapp, und viele Tiere seien auf der Flucht zurückgelassen worden. Über 100 Tiere wurden schon von Tierschützern in vier Autos in Sicherheit gebracht.
Auch ein Transport mit 20 Tonnen Tierfutter in die Hafenstadt Odessa im Süden des Landes sei auf dem Weg. „Da haben wir rührende Tiergeschichten gehört. Die Tierschützerinnen vor Ort sagen: Ohne die Tiere gehen wir nicht.“ Die Lage sei unübersichtlich und ändere sich jeden Tag, sagt die Peta-Mitarbeiterin. Die Planung sei deshalb sehr schwierig, es gebe „schlimme Dramen“, die Tiere seien traumatisiert oder verletzt.

In der Hafenstadt am Schwarzen Meer unterhält der Deutsche Tierschutzbund seit 2005 ein Tierschutzzentrum, in dem Tiere wie Hunde und Katzen bislang medizinisch versorgt und kastriert wurden. Das Zentrum sei derzeit geschlossen, es seien nur noch kranke Tiere vor Ort, die zum Beispiel operiert wurden, sagt Tierschutzbund-Sprecherin Lea Schmitz in Bonn. Viele Tiere würden von den Tierschützern zuhause betreut. Die Lage sei derzeit noch halbwegs stabil.
Quarantänepflicht für Tiere
Viele angrenzende Länder lassen die Flüchtenden mit bis zu fünf Tieren pro Mensch ohne große Formalitäten einreisen. Schwieriger werde es, wenn Tierschutzorganisationen gerettete Tiere transportieren, dann seien die Vorschriften strenger, berichten beide Organisationen.
Denn die Ukraine gehört nicht zur EU, die als tollwutfreier Raum gilt. Das heißt, alle Tiere müssen erst einmal in Quarantäne. Die soll jedoch offenbar auch in privaten Aufnahmestellen möglich sein, denn in Flüchtlingsunterkünften dürfen in der Regel keine Tiere gehalten werden.
So sucht etwa das Tierheim in Karlsruhe schon jetzt Pflegestellen für Tiere, die Flüchtlinge aus der Ukraine mit nach Deutschland bringen. Die Menschen müssten die Tiere gegebenenfalls längerfristig betreuen können, teilte der Tierschutzverein Karlsruhe und Umgebung auf Facebook mit. „Die Tiere dürfen nur auf dem Grundstück rausgelassen werden. Hunde dürfen nicht Gassi gehen.“
In Karlsruhe kamen bisher fünf Hunde, zwei Katzen und eine Ratte an. „Die Tiere sind teilweise sehr verängstigt“, berichten die Tierheim-Mitarbeiter. Auch das Tierheim Heidelberg hat laut einer Sprecherin seit dem Wochenende Tiere von Menschen aus der Ukraine aufgenommen. Hier gebe es aber noch kein Platzproblem. Auch in anderen Städten im Land rechnet man mit vierbeinigen Flüchtlinge aus der Ukraine.
In Radolfzell erklärt Julia Bierbach, Vorstand des dortigen Tierheims, dass man sich auf die Aufnahme von Tieren aus der Ukraine vorbereite. Noch seien keine Tiere angekommen. „Wir haben aber schon unsere Pflegestellen abtelefoniert.“ Auch würden derzeit keine Urlaubspensionstiere mehr aufgenommen und Boxen vorgehalten.
Sonderregel für geimpfte Tiere?
Es sei ein großes Glück, dass die Menschen bis zu fünf Tiere mitnehmen dürften und die umgebenden Länder so unbürokratisch handelten, sagt Lea Schmitz vom Tierschutzbund. Sie wirbt dafür, dass Tiere, die „verträglich und geimpft“ seien, bei ihren Besitzern in Flüchtlingsheimen bleiben dürfen.
Ähnlich sieht es auch Andrea Müller von Peta: Mensch und Tier hätten ja eine Beziehung, und wenn die Menschen nach der geglückten Flucht gezwungen würden, ihre Tiere abzugeben, sei das dramatisch. „Dafür müssen wir Lösungen finden.“
Freilich: Längst nicht alle Tiere haben Glück. Mitgenommen würden vor allem Katzen und kleine Hunde, sagt Lea Schmitz. Völlig unklar sei das Schicksal von Nutztieren in der Ukraine, also etwa Kühen, Schweinen oder Hühnern in den großen Ställen, bedauern die Tierschützerinnen.
Lea Schmitz hofft, dass viele Bauern sich so lange wie möglich um ihre Tiere kümmern. Peta schaltete Anzeigen auf sozialen Medien und bei Influencern, in denen darum gebeten wird, dass die Ställe geöffnet werden. Im Netz finden sich Videos, auf denen Pferdehalterinnen unter Tränen ihre Pferde freiließen – ins Ungewisse.