Herr Klingner, in der Stickoxid- und Feinstaub-Debatte waren immer wieder die Messungen am Stuttgarter Neckartor Thema. Wie seriös sind die Messungen, die man dort vornimmt?
Grundsätzlich haben die stationären Messstellen ein Problem, das trickreich gelöst wird. Sie werden so platziert, dass Grenzwertüberschreitungen zu erwarten sind. So erhält man bei den Stickoxiden, die aus den Verbrennungsmotoren kommen, hohe Werte. Je näher man die Messstelle an die Emissionsquelle bringt – in Stuttgart also an die B 14 – umso höher ist die Schadstoffkonzentration. Gerade am Neckartor haben unsere Messungen gezeigt, dass schon wenige Meter neben der Messstation der Grenzwert bei weitem nicht mehr überschritten wird. Er liegt dann bei 50 Prozent des Wertes der offiziellen Messstation.
Warum halten Sie deren Platzierung für „trickreich“?
Weil die vielen schwammigen Formulierungen in den gesetzlichen Regelungen über die Aufstellung der Messstationen kreativ so ausgelegt werden, dass man hohe Werte erhält. Eigentlich ist zum Beispiel ein Mindestabstand von 25 Metern zu Kreuzungen und Ampeln einzuhalten. Denn dort herrscht öfter Stop-and-go-Verkehr, wobei der Stickoxid-Ausstoß deutlich ansteigt, oft auf das Dreifache des Grenzwerts. Am Neckartor im Bereich der Messstelle gibt es aber viel Stop-and-go-Verkehr. Zu diesen fragwürdigen Messungen kommt es nicht nur in Stuttgart. In Dresden etwa steht eine Station an einem Berg, wo die Motordrehzahl der Fahrzeuge höher ist und die Messwerte nach oben treibt.
Wie aussagekräftig sind die Feinstaub-Messungen, die in Stuttgart öfters zu Feinstaub-Alarm geführt haben?
Da ist man in Stuttgart voll auf einem Holzweg. Der Feinstaub kommt nur zu einem minimalen Anteil aus dem Autoverkehr und zu einem noch geringeren Anteil aus dem Auspuff älterer Diesel-Pkw. Es sind maximal ein bis anderthalb Mikrogramm pro Kubikmeter Luft.
Wo kommen dann die Feinstäube her?
Sie sind im Wesentlichen – und zwar zu mehr als 90 Prozent – ein ganz natürliches Phänomen. Feinstaub gibt es seit Jahrmillionen auf der Erde und ermöglicht etwa überhaupt erst die Bildung von Wolken am Himmel.
In Stuttgart wird Stickoxid zwar an mehreren Stellen gemessen, doch es ist immer nur die Rede vom Neckartor und den hohen Werten dort . . .
Das verzerrt gegenüber der Öffentlichkeit den Grad der Belastung und führt zu falschen Schlüssen. Denn es ist doch klar, dass die Aufenthaltszeit eines Menschen neben einem einzigen Mess-
punkt so kurz ist, dass man das vollkommen vernachlässigen kann. Wer hält sich schon stundenlang neben der Messstelle am Neckartor auf? Messen müsste man vor Altersheimen, Kindergärten, auf Spielplätzen, in Parks oder in einer Fußgängerzone.
Ist das denn ohne großen Aufwand möglich?
Selbstverständlich! Es gibt heute praktische mobile und zuverlässige Messgeräte, wie wir sie auch am Neckartor eingesetzt haben. Einen veralteten Riesen-Container wie den an der B 14 (steht seit 15 Jahren dort, Anm. d. Red.) kann man nicht hin und her schieben. Moderne Geräte können Sie in der Hand halten. Daraufhin müssen die Gesetze ausgelegt werden.
Halten Sie den Stickoxid-Grenzwert von 40 Mikrogramm pro Kubikmeter für einen politischen Grenzwert?
Nun ja, ich will gar nicht bestreiten, dass es Menschen gibt, die auf Stickoxid-Konzentration empfindlich reagieren. Es gibt ja auch Allergiker, bei denen Erdnüsse lebensgefährliche Reaktionen hervorrufen. Verbieten wir deshalb Erdnüsse? Ich halte das behauptete Gesundheitsrisiko durch Stickoxide für maßlos übertrieben. Das machen einfache Beispiele bereits klar.
Welche?
Eine Mutter, die ihrem Baby die Flasche warm macht, wird nicht zögern, auf dem Gasherd ein Wasserbad zu erhitzen. Weder die Mutter noch das Baby werden daran sterben, dass sie kurzzeitig wegen der Gasverbrennung auf dem Herd dem 30-Fachen des NO2-Grenzwerts ausgesetzt sind. Und davon stirbt auch kein Asthmatiker.
Fragen: Alexander Michel