Sind die Grundrentenpläne von SPD-Arbeitsminister Hubertus Heil schon wieder vom Tisch? Die Union stellt jedenfalls auf stur, beharrt auf der Bedürftigkeitsprüfung – und das zu Recht. Zum einen, weil das so im Koalitionsvertrag steht. Vor allem aber, weil das Sinn macht und sonst durch eine eigentlich gut gemeinte Korrektur wieder neue Ungerechtigkeiten entstehen: Der Kellner, der nur 34 Jahre eingezahlt hat, bekommt nichts, die Musiklehrerin, die von den 35 Erwerbsjahren den größten Teil nur Teilzeit gearbeitet hat, weil ihr Ehemann genug verdiente, profitiert – das geht nicht.

Das Problem, um das es Heil geht, wird allerdings nicht dadurch verschwinden, dass man es ignoriert: Die Altersarmut wächst und wird weiter ansteigen. Die Gründe liegen seit Jahren auf der Hand: Die Zahl prekär Beschäftigter und Geringverdiener nimmt zu und das Rentenniveau sinkt. Dass die Groko ein Niveau von 48 Prozent des letzten Bruttogehalts festschreibt, ändert nur wenig, denn diese Festschreibung gilt nur bis 2025, und längst nicht jeder erreicht die angenommenen 45 Bezugsjahre des so genannten Eckrentners. Nach 2025? Soll's eine andere Regierung richten... Aktuell sind bereits jeder fünfte Rentner armutsgefährdet, und dabei wird es nicht bleiben.

Kein Spielraum für Aktien

Dabei gibt es ohne Frage riesige Unterschiede: Viele Ruheständler in Deutschland sind durchaus gutsituiert. Sie beziehen bereits eine ordentliche gesetzliche Rente – und profitieren dazu noch, wenn sie vorgesorgt haben, von Betriebsrente oder Kapitaleinnahmen. Mittlerweile geraten aber auch schon Bezieher von mittleren Einkommen in Bedrängnis und rutschen gefährlich in Richtung Grundsicherung. Sie und erst recht die Geringverdiener haben oft gar nicht die Mittel, ihr Rentendasein zusätzlich privat abzusichern. Das monatliche Gehalt wird fürs Leben gebraucht – es gibt keinen Spielraum für Aktien oder Riester her.

Die gesetzliche Rente funktioniert also ausgerechnet für diejenigen am besten, die nicht darauf angewiesen sind. Das ist paradox, ungerecht und absolut nicht wünschenswert für unsere Gesellschaft. Was also tun? Der Blick der Heilssuchenden – gemeint ist diesmal nicht Hubertus – schweift häufig über die Grenze hinweg in Richtung Südosten: Genauer gesagt ins glückliche Österreich – felix austria. Dort wo die Frauen zum Teil doppelt so viel Rente beziehen wie hierzulande und wo Kleinverdiener demnächst eine Mindestrente von 1200 Euro erhalten. In der Alpenrepublik kann ein Versicherter nach 45 Jahren Arbeit mit etwa 80 Prozent seines Durchschnittslohnes rechnen – in Deutschland muss er sich mit 48 Prozent zufrieden geben. Und während die Österreicher weiterhin mit 65 Jahren in Rente gehen können, müssen die Deutschen bald arbeiten, bis sie 67 sind.

Die Österreicher trauen sich was

Wie stellen die Österreicher das bloß an? Sind die wirtschaftlichen Verhältnisse so viel besser als bei uns? Wohl kaum. Unterscheidet sich die demografische Entwicklung so diametral? Auch hier Fehlanzeige. Dafür ist man in Wien bereit, die Arbeitgeber stärker zu belasten und seit 2005 müssen auch alle Selbstständigen und Freiberufler in die staatliche Rentenkasse einzahlen. Der Rentenbeitrag ist allerdings auch für Arbeitnehmer höher als in Deutschland: Mit 22,8 Prozent liegt er 4,1 Prozentpunkte über den in Deutschland fälligen 18,7 Prozent. Dafür kann man sich auf diese Rente dann auch verlassen.

In Deutschland zeigen weder Politik, noch Arbeitgeber oder gar die Finanzwirtschaft Interesse an einem Umbau des staatlichen Rentensystems – verständlicherweise. Letztere beiden würden draufzahlen und der Politik brächte das nur neuen Ärger. Stattdessen werden Mütter bessergestellt und Langzeitberufstätige und vielleicht auch Geringverdiener. Nur zukunftssicher wird das deutsche Rentensystem so nicht.