Rebellisch, provokant und scharf im Ton. Das sind Eigenschaften, die man gemeinhin mit Teenagern assoziiert. Man kann damit aber auch die AfD umschreiben. Denn zumindest Alice Weidel, AfD-Kandidatin für den Bodenseekreis, und Frauke Petry, AfD-Vorsitzende, wirken bei einer Wahlveranstaltung mit 400 Besuchern in Friedrichshafen ziemlich trotzig.
Ein Anzeichen: Weidel, gekleidet in einem schwarzen Hosenanzug und hellblauem Hemd, kommt in ihrer Rede schnell in Fahrt und zur Sache. Dass etablierte Parteien Mitglieder der AfD als Hetzer, Rassisten und Dumpfbacken diffamierten, wundere sie nicht. Schließlich wolle die AfD vieles ändern, Druck machen. Die Parteien „haben Angst vor einem Machtverlust.“
Es ist diese zur Schau getragene Mischung aus Außenseitertum und Arroganz, die der Alternative für Deutschland liegt. Denn draußen in Friedrichshafen, stehen und protestieren die Linken, die Grünen, sogar Flüchtlinge. Einige Studenten der Zeppelin-Universität (ZU) haben gemeinsam mit dem Aktionsbündnis für Demokratie und Toleranz ein Fest der Begegnung organisiert, andere haben Plakate gebastelt – rote Schriftzüge auf braunem Karton.
Drinnen, im Graf-Zeppelin-Haus, fühlt man sich davon geschmeichelt und verspottet zugleich. Hier sitzt auf den ersten Blick die Mitte der Gesellschaft: weiß, deutsch, gepflegt, in Jacketts, viele Krawatten, ganz überwiegend Männer. Und das ist durchaus repräsentativ. Laut einer Umfrage sind 72 Prozent der AfD-Wähler männlich.
Dieses Publikum im Blick, arbeiten Petry und Weidel die Themen der AfD ab – Förderung der Familie, Gender-Mainstreaming, die Kritik am Euro. Großen Raum erhält auch die Flüchtlingspolitik der Bundesregierung. Weidel poltert provokant: „Wer den Grünen noch seine Stimme gibt, muss den Verstand verloren haben.“ Dabei stützt sie sich kraftvoll aufs Podium. Der scharfe Ton, mit dem sie ihre Thesen und Ideen vorbringt, ist gewollt. Petry zitiert den früheren Bundeskanzler Konrad Adenauer: „Machen Sie sich erst einmal unbeliebt, dann werden Sie auch ernst genommen.“
Neugierig und gespannt auf die Thesen der AfD sind viele Menschen – auch in Friedrichshafen. Kurz vor Beginn der Wahlveranstaltung drängen sich vor den gläsernen Türen sogar so viele Besucher, dass nicht alle rein können. Die Sicherheitsbeamten haben alle Hände voll zu tun. Schließlich eilt Frauke Petry selbst die gewundene Treppe Richtung Eingang hinauf, um sich persönlich bei den Menschen zu entschuldigen, dass der Saal bereits voll ist. 90 Beamte sind an diesem Abend im Einsatz, erklärt Polizeisprecher Markus Sauter. Eine weitere Eskalation bleibt aus.
Einige Polizeibeamte sieht man auch ganz in der Nähe am Ufer des Bodensees – beim Häfler Bürgerfest. Statt Krawatten und Jacketts, gibt es hier Lichterketten und Livemusik. Einer der Besucher, weiße Haare, grauer Bart, schlendert mit zwei Asylbewerbern von der Wurstbude Richtung Falafel-Stand. „Ich bin hier, um ein Zeichen gegen die AfD zu setzen, betont der 67-Jährige.
Sandra Kempf, Studentin an der ZU und Mitglied der SPD, verkauft Kuchen beim Fest. Sie sagt: „Wenn man sich kennenlernt, kann man ganz, ganz viel schaffen." Die Linken verteilen rote Rosen – anlässlich des Weltfrauentages. Mit dabei: ein Zettel, auf dem steht: „In Baden-Württemberg sind Männer und Frauen gleichberechtigt.“ Und dann noch: „Aber besonders die Männer“.
Das Thema Gleichberechtigung wird an diesem Abend auch in der Graf-Zeppelin-Halle angesprochen – allerdings unter anderen Vorzeichen. Petry kritisiert die „unseligen“ staatlichen Ausgaben in diesem Bereich, zum Beispiel für Gleichstellungsbeaufragte. Das Publikum nickt, murmelt, klatscht – wie so oft an diesem Abend. Die Argumente der AfD, sie scheinen viele Anwesende zu überzeugen. Nach der Veranstaltung raunen Männer, dass sie nun wüssten, wo sie ihr Kreuz machen wollen.
Ganz anders sieht das eine Gruppe von Teenagern, die später am Abend vor der Halle steht. Eine junge Frau mit einem Anti-AfD-Plakat meint, sie sei nach einigen Minuten wieder gegangen. Der Grund? „Die Partei widerspricht sich meiner Meinung nach in zu vielen Punkten selbst“, antwortet sie.