Auch das Gehirn braucht mal eine Auszeit
So wie unser Körper nicht dauerhaft Leistung am Limit erbringen kann, tut es auch dem Gehirn nicht gut, permanent unter Strom zu stehen. Seine Kapazitäten sind begrenzt, und übermäßige Beanspruchung ermüdet es. Der Unternehmensberater Alex Soojung-Kim Pang beispielsweise sagt: „Wir sollten Arbeit und Ruhepausen als gleichrangig betrachten.“ Auch Zeitforscher Karlheinz Geißler beschreibt den Mensch als „Pausenwesen“: „Wer nicht zwischen Zeiten der Aktivität und der Passivität wechselt, der wird atemlos und gestresst.“

Das Gehirn braucht Zeit, um Informationen zu verarbeiten, einzuordnen und neue Zusammenhänge herzustellen. Viele Ideen kommen uns zudem, wenn wir nicht krampfhaft versuchen, welche zu haben – anders gesagt: Langeweile ist ein Treiber für die Weiterentwicklung. Im besten Fall macht uns eine ordentliche Pause kreativer und produktiver – man stelle sich nur mal vor, wie groß der Wissenshunger am Ende der großen Ferien sein könnte.
Abstand bringt Erholung
Wer im Urlaub ständig mit den Kollegen in Kontakt ist, weil sie auch Freunde sind, ist mit den Gedanken zwangsläufig immer bei der Arbeit. Nicht nur deshalb ist es ratsam, sofern die Zahl der freien Tage und der Geldbeutel es zulassen, den Urlaub nicht daheim zu verbringen – ein echter Erholungseffekt, echtes Kräftesammeln, kann erst eintreten, wenn um uns herum (außer der Familie) kein Alltag mehr ist. Dafür muss man nicht nach Hawaii fliegen, dafür reicht auch ein Trip in die Lüneburger Heide.
Das Gleiche gilt für Kinder, die einen Teil der Ferien dank Lernbrücke in Klassenzimmern und mit Menschen verbringen, die ihnen etwas beibringen wollen. Dass hinter dem Angebot guter Wille und große Notwendigkeit stecken, ist unbestritten – in den Ferien sollte dennoch das Abschalten im Vordergrund stehen.
Lernen ist nicht gleich lernen
Natürlich spricht nichts dagegen, in den Ferien mal ein Buch in die Hand zu nehmen – gern auch in einer Fremdsprache, solange der Spaß an der Sache im Vordergrund steht und nicht der Gedanke an eine Präsentation gleich nach den schulfreien Wochen. Noch mehr Stress und Druck nach eineinhalb schwierigen Schuljahren braucht kein Kind oder Jugendlicher. Auch spielerisches Lernen, wie es selbst beim Legobauen unbewusst passiert, ist nie verkehrt. Selbstredend müssen Eltern ihre Kindern nicht davon abhalten, sich mit dem Mathebuch in die Hängematte zu legen. Alles, was Spaß macht, ist in den Ferien erlaubt. Nur Zwang bringt erfahrungsgemäß wenig – nicht mal Spaßzwang.
Es gibt im Moment Wichtigeres
Laut einer repräsentativen Forsa-Umfrage packen die meisten Schüler Bücher und Hefte in den Ferien nicht weg. 59 Prozent lernen ihren Eltern zufolge auch in der unterrichtsfreien Zeit (für meist eine bis zwei Stunden die Woche). Mal ehrlich: Auch wenn Deutschlands Schüler Unterrichtsstoff verpasst haben – ihn aufzuholen, dafür muss in den 39 Schulwochen ab Mitte September noch genug Zeit bleiben.
Die Hilfsorganisation SOS-Kinderdorf warnt davor, den von der Corona-Pandemie gebeutelten Kindern und Jugendlichen auch in den Ferien Leistungsdruck zu machen. Ihnen müsse ihr Recht auf Erholung, Spiel und Freizeit uneingeschränkt zugestanden werden. Schließlich hat nicht nur die Schule gelitten, sondern auch die sozialen Kontakte und der Freizeit-Spaß. Hier aufzuholen, das sollte in den kommenden sechseinhalb Wochen Priorität haben.
Auch Eltern brauchen mal eine Pause
Eltern sind nicht nur erziehungsberechtigt, sondern auch erziehungsverpflichtet. Und solange die Kinder die Füße unter den Familientisch stellen, tun Mütter und Väter gut daran, ein bis zwei Augen auf die Aktivitäten des Nachwuchses zu werfen. In den Ferien wollen auch sie den Kopf frei bekommen – und nicht weiter volle Terminpläne jonglieren.