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In München heißt es am Samstag wieder „O'zapft is“: Mit zwei Schlägen hat Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) am Samstag pünktlich um 12.00 Uhr das erste Fass Bier angezapft und damit das 184. Oktoberfest eröffnet. Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) erhielt traditionsgemäß die erste Maß Festbier.
Der Münchner Oberbürgermeister Dieter Reiter (M, SPD) zapft das erste Fass Bier mit zwei Schägen an.
Der Münchner Oberbürgermeister Dieter Reiter (M, SPD) zapft das erste Fass Bier mit zwei Schägen an. | Bild: Peter Kneffel (dpa)

Erst ab 9.00 Uhr durften die Besucher heuer auf das Gelände - im vergangenen Jahr war es noch eine Stunde früher. Ausgerechnet für den Anstich ist mieses Wetter angesagt: Regen und kühle Temperaturen. Bei zeitweisem Regen und kühlen Temperaturen waren die Festwirte zuvor in einem bunten Umzug auf Pferdewagen zum Festgelände gezogen. Tausende Menschen säumten die Straßen, um den Festzug zum Oktoberfest zu sehen, der von Musikkapellen begleitet wurde. Den Zug führte hoch zu Ross das Münchner Kindl an, in diesem Jahr ist das Viktoria Ostler. Dahinter folgt traditionsgemäß Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) in seinem Wagen. Das sehr herbstliche Wetter dürfte auch dazu beigetragen haben, dass am Vormittag - wie meist in den Vorjahren - noch kein Zelt wegen Überfüllung geschlossen werden musste.


Auf der Theresienwiese selbst waren Regenschirme ein beliebtes Utensil für die meist in bunte Tracht gehüllten Besucher. Diese dürfen letztlich mitgenommen werden, auch wenn Rucksäcke und große Taschen aus Sicherheitsgründen erneut verboten sind. Angesichts der latenten Terrorgefahr haben die Behörden ihr Sicherheitskonzept für das größte Volksfest der Welt nochmals ausgeweitet. Wie schon im Vorjahr ist das Gelände umzäunt, an den Eingängen gibt es Kontrollen.

Vor dem Haupteingang stehen auf der Theresienwiesebeim Auftakt zum Oktoberfest Besucher mit Schirmen.
Vor dem Haupteingang stehen auf der Theresienwiesebeim Auftakt zum Oktoberfest Besucher mit Schirmen. | Bild: Felix Hörhager (dpa)

Polizeibeamte mit am Körper befestigten Kameras, sogenannte Bodycams, zusätzliche Videokameras und mehr Blumenkübel als Zufahrtssperren gehören zu den erweiterten Maßnahmen. Über eine Lautsprecheranlage sollen zudem Besucherströme bei einem möglichen Alarm besser geleitet werden.


Das Riesenrad auf der Theresienwiese.
Das Riesenrad auf der Theresienwiese. | Bild: Felix Hörhager (dpa)

Stunden vor dem Start des Oktoberfests haben sich bereits lange Schlangen vor dem Haupteingang gebildet. Die Besucher hielten sich mit Kaffee oder Brotzeit unter den Regenschirmen warm - einige glühten im Morgengrauen schon mit mitgebrachtem Bier vor. Um ganz vorne zu stehen, waren die ersten Wiesngäste nach eigenen Angaben schon um 04.00 Uhr aufgestanden. Dass das Gelände erst um 09.00 Uhr zugänglich ist, ärgert sie nicht. „Man muss sich das Oktoberfest verdienen“, erklärte Ryan aus Kanada.

Die Angst vor Terror rückte bei vielen in den Hintergrund. Der 19-jährige Niklas kommt seit drei Jahren zur Wiesn. Auch dieses Mal wolle er mit seinen Freunden einfach eine gute Zeit haben. „Wir kommen wie immer jeden Tag.“

Die Gepäckaufbewahrungsstelle gegenüber hatte vor 07.00 Uhr noch geschlossen. Ohnehin hatten die meisten Rücksäcke und größere Taschen gleich zu Hause gelassen. Sie sind in diesem Jahr erneut aus Sicherheitsgründen verboten.

Junge Besucher stürzen nach der Öffnung auf das Festgelände, während Polizisten bereit stehen.
Junge Besucher stürzen nach der Öffnung auf das Festgelände, während Polizisten bereit stehen. | Bild: Peter Kneffel (dpa)

Die meisten Gäste kamen festlich in Dirndl und Lederhose. Auch bei den Besuchern aus Frankreich oder Puerto Rico blitzte unter den Regencapes Tracht hervor. Für die US-Amerikanerin Katie ist das Dirndl selbstverständlich: „Ich bin gekommen, um deutsche Kultur zu erleben - und ein Teil davon zu sein.“


Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) wird um Punkt 12.00 Uhr das erste Fass Bier anzapfen und damit die Wiesn eröffnen. Wie jedes Jahr wird mit Spannung erwartet, wie viele Schläge er beim braucht.

Neu auf der Wiesn sind auch eine ganze Reihe von Fahrgeschäften, darunter eine Achterbahn mit einer ausschwingenden Gondel und ein 80 Meter hohes Kettenkarussell namens „Jules Verne Tower“. Im Südteil des Festgeländes auf der „Oidn Wiesn“ mit historischen Fahrgeschäften und Blasmusik rollt erstmals eine mehr als hundert Jahre alte Kindereisenbahn. Das Festzelt „Zur Schönheitskönigin“ will heuer die Wirtshauskultur der Volkssänger neu beleben.
 

Jedes Bierzelt ist ein bisschen anders

Bierzelt ist noch lange nicht gleich Bierzelt: Allein die 14 großen Bierburgen auf dem Münchner Oktoberfest unterscheiden sich deutlich voneinander, dazu kommen die Zelte auf der „Oidn Wiesn“. Eine Zeltkunde der Wiesn:
  • Armbrustschützenzelt
    Das Armbrustschützenzelt stand schon im Jahr 1895 auf dem Oktoberfest, die Boxen und Balkone sind nach heimischen Tieren benannt: Von A wie Adler bis W wie Wildsau. Hier wird die Schützen-Tradition hochgehalten. In einem Anbau gibt es eine 30 Meter lange Schießbahn.
  • Augustinerbräu
    Im Zelt der ältesten Münchner Brauerei feiern vor allem Münchner sich selbst und die bayerische Gemütlichkeit. Nur hier wird das Bier noch aus traditionellen Holzfässern gezapft, den Hirschen.
  • Bräurosl
    Das Pschorr-Traditionszelt Bräurosl ist nach der Tochter des früheren Brauereibesitzers Pschorr benannt. Auch dort geht es weitgehend urig und gemütlich zu - mit Ausnahme des ersten Wiesn-Sonntags. Dann feiern hier Tausende Homosexuelle den „GaySunday“.
  • Fischer Vroni
    Bei der Fischer Vroni feiern gerne ältere Gäste, aber auch Touristen. In diesem vergleichsweise kleinen Zelt gibt es eine bayerische Spezialität: Steckerlfisch.
  • Himmel der Bayern
    Jugendlich ist das Publikum im Hacker-Festzelt „Himmel der Bayern“. Mit seiner weiß-blauen Decke und kleinen Wölkchen gilt es als eines der schönsten Zelte.
  • Hofbräu-Zelt
    Es ist eines der größten und vermutlich das lauteste Zelt: Im Hofbräu-Zelt treffen sich vor allem Touristen aus aller Welt, die das Bier schon im Hofbräuhaus kennen und lieben gelernt haben. Aus dem Zelt dröhnt schon morgens, bevor die Musik anfängt, Grölen über den Festplatz.
  • Käfer-Zelt
    Nirgendwo geht es exklusiver zu als in Käfer's Wiesnschänke. Die Promi-Dichte ist hoch, im Käfer-Zelt gibt es neben Bier auch Wein und Champagner.
  • Löwenbräu-Festhalle
    Ein großer Löwe über dem Eingang brüllt „Löööööwenbrääääu“ und zieht damit Einheimische und Zugroaste gleichermaßen an. Mit mehr als 8000 Plätzen gehört die Festhalle zu den größeren Zelten.
  • Marstall
    Wo jahrzehntelang Promis im Hippodrom feierten, steht seit 2014 der Marstall. Vieles ähnelt im Marstall dem Vorgänger: Champagnerbar, Tischdecken und erlesene Speisekarte. Und prominente Gäste.
  • Ochsenbraterei
    In der Ochsenbraterei geht es zünftig zu. Seinen Namen hat das Zelt von dem großen Ochsen am Spieß, der nicht nur Dekoration über dem Eingang, sondern auch die wichtigste Attraktion im Innern dieses Festzelts ist. Seit fast 130 Jahren werden hier ganze Ochsen am Stück gebraten. Der erste dieses Jahr hieß Bernhard.
  • Schotterhammel
    Im Schottenhamel wird das größte Volksfest der Welt traditionell eröffnet. In den Tagen nach dem Anstich strömen überwiegend junge, feierfreudige Menschen aus München und Umgebung in das Zelt.
  • Schützenfestzelt
    Auch im Schützenzelt werden urbayerische Gemütlichkeit und Feierfreude in Ehren gehalten. Zum Löwenbräu-Bier wird die Spezialität des Hauses serviert: in Malzbier gebratenes Spanferkel.
  • Das Weinzelt
    Im Weinzelt liegt der Fokus - wie der Name schon sagt - nicht auf dem Bier. Dort gibt es kein Helles in Maßkrügen, sondern nur Weißbier, Wein und Champagner.
  • Winzerer Fähndl
    Zur Jubiläums-Wiesn 2010 leistete sich die Paulaner-Brauerei einen kompletten Neubau. Sein Wahrzeichen ist der Turm mit dem sich drehenden Paulaner Maßkrug unterhalb der Bavaria. Das Winzerer Fähndl hat schon längere Zeit eine zentrale Bierversorgung: Eine Ringleitung im Boden garantiert, dass der Bierfluss nicht ins Stocken gerät.
  • Festzelt "Tradition" auf der "Oidn Wiesn"
    Zünftige Blasmusik und Alt-Münchner Schmankerl: Hier kommen traditionsbewusste Gäste auf ihre Kosten, denen Landhaus-Mode und Mini-Dirndl ein Gräuel sind. Trachtler, Schuhplattler und Goaßlschnalzer sorgen für „griabige“ (gemütlich-kernige) Stimmung.
  • Herzkasperl-Zelt
    Dieses etwas kleinere Zelt auf der „Oidn Wiesn“ lockt Volkstanzbegeisterte und Fans von moderner Volksmusik: Junge Gruppen, die mit stilübergreifenden Elementen neue Richtungen entwickeln, bieten ein abwechslungsreiches Programm.
  • Zur Schönheitskönigin
    Die Wirtsleute wollen in diesem neuen Zelt die Kultur des Volkssängertums neu beleben, die um die Jahrhundertwende in Wirtshäusern und Bühnen von München, Berlin und Wien lebendig war. Die große Politik diente ebenso als Zielscheibe wie der kleinbürgerliche Alltag. Zu den Protagonisten zählten etwa Weiß Ferdl und Karl Valentin.

Die Maß Bier kostet dieses Jahr bis zu 10,95 Euro, 25 Cent mehr als im Vorjahr. Wiesnchef Josef Schmid (CSU) war mit seinem Vorschlag einer Bierpreisbremse gescheitert. Er wollte den Bierpreis für drei Jahre auf dem Vorjahresniveau einfrieren.

Das 184. Oktoberfest dauert in diesem Jahr 18 Tage - weil es bis zum 3. Oktober, dem Tag der Deutschen Einheit, verlängert wird. Es ist damit die längstmögliche Wiesn. An die sechs Millionen Besucher werden erwartet.

Ein Schild mit der Aufschrift "Bierpreis - Lt. Euro 10.95" hängt in einem Bierzelt auf dem Oktoberfestgelände.
Ein Schild mit der Aufschrift "Bierpreis - Lt. Euro 10.95" hängt in einem Bierzelt auf dem Oktoberfestgelände. | Bild: Peter Kneffel (dpa)

Das Anzapfen: Eröffnung des Münchner Oktoberfestes Privileg des Münchner Oberbürgermeisters

Zur Dienstkleidung gehört beim Anstich der grüne oder lederne Schaber, ein Schurz, der ursprünglich als Arbeitsschutz für die körperlich schwer beschäftigten Schankkellner galt. Der Oberbürgermeister zapft am ersten Wiesntag pünktlich um 12.00 Uhr das erste Bierfass an und eröffnet damit das Volksfest. Die Zahl der Schläge, die ein Stadtoberhaupt braucht, prägt sein Ansehen mit. Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) ist in gewisser Weise Rekordhalter. Außer bei seiner ersten Wiesn 2014 hat er alljährlich nur zwei Schläge gebraucht. Der einzige OB, der das zuvor schaffte, war Reiters Vorgänger Christian Ude (SPD). Ude kam 2005 erstmals mit zwei Schlägen aus. Aber er brauchte dazu etliche Jahre und zahlte Lehrgeld: In seinem ersten Amtsjahr 1993 ertönten „Aufhören, Aufhören“-Rufe - er brauchte sieben Schläge.

Um derartige Blamagen zu vermeiden, trainieren die Oberbürgermeister vor dem Fest. Anzapf-Trainer ist ein erfahrener Brauer. Begründet hat das Ritual 1950 Oberbürgermeister Thomas Wimmer (SPD). Er brauchte damals 19 Schläge.