Seit dem Lawinenabgang am späten Mittwochnachmittag wurden zehn Menschen gerettet, darunter drei Kinder. Sechs Leichen wurden geborgen, 23 Menschen gelten noch als vermisst. Doch von ihnen fehlt jedes Lebenszeichen, zudem müssen die Rettungsmannschaften neue Lawinenabgänge fürchten.
Unterdessen nimmt die Kritik an den Behörden weiter zu. Neben der Frage, warum ein angeforderter Schneepflug nicht kam, stellte sich auch die Frage, ob die Behörden die Lage im Vorfeld unterschätzt haben. Die Medien veröffentlichten am Montag eine E-Mail des Hoteldirektors, in der er schon Stunden vor dem Unglück Hilfe angefordert hatte. Darin warnte er, die Situation sei „besorgniserregend“.
Offenbar rechnete aber niemand mit der Lawine. „In den vergangenen 70 Jahren wurde noch nie eine Lawine in Betracht gezogen“, versicherte der ehemalige Bürgermeister von Farindola, Massimiliano Giancaterino, dessen Bruder in dem Hotel umkam. Auch nach Angaben des Vorsitzenden des italienischen Geologen-Rats, Francesco Peduto, galt die Gegend bislang als wenig lawinengefährdet.
Die Staatsanwaltschaft hatte bereits am Donnerstag ein Ermittlungsverfahren wegen fahrlässiger Tötung eingeleitet. Bei einem Treffen am Montag in Pescara sollte der Stand der Ermittlungen zu möglichen Verantwortlichkeiten zusammengefasst werden.
Die Frage stellt sich auch, ob das Hotel ohne Genehmigung mitten im Naturschutzgebiet des Gran-Sasso-Massivs gebaut wurde. 1972 wurde das „Rigopiano“ an der Stelle einer einfachen Schutzhütte in 1200 Metern Höhe eröffnet und vor zehn Jahren zu einem eleganten Vier-Sterne-Hotel mit Sauna und Pool ausgebaut. Lange Zeit ermittelte die Justiz, ob Gemeindevertreter bestochen wurden, um beim Ausbau des Hotels alle Augen zuzudrücken. Im November wurden die Ermittlungen eingestellt.
Regierungschef Paolo Gentiloni rief am Sonntagabend im Fernsehen dazu auf, keine Jagd nach „Sündenböcken“ zu betreiben: „Die Wahrheit soll helfen, dass die Dinge künftig besser funktionieren und nicht, um alte Rechnungen zu begleichen“, sagte er.