Georg Ismar, dpa

Die Landshut steht schon auf dem Friedhof. Eingezwängt zwischen zwei anderen Flugzeugen, die hier vor sich hingammeln. Wer am Flughafen Pinto Martins in Fortaleza, im äußersten Nordosten Brasiliens landet, kann ganz am Ende der Piste in der Ferne einen kleinen „Cemitério de Aviões“ erblicken. Ein Abstellplatz für ausrangierte Maschinen, im Volksmund Flugzeug-Friedhof genannt. Es ist Sperrgebiet und gar nicht so leicht, dort näher heranzukommen. Die einstige Landshut-Maschine, vor 40 Jahren im Deutschen Herbst von RAF-Terroristen gekapert, sozusagen ein Dokument der Zeitgeschichte, hat nur noch wenig mit dem Lufthansa-Flugzeug von damals gemein.

Der Lack ist nicht nur sprichwörtlich ab: Die gräuliche Außenhaut ist verwittert, der Passagierraum ohne Sitze, Kabinenfenster zugeklebt, die Reifen platt. Die Boeing 737 war nach mehreren Eigentümerwechseln zuletzt in Brasilien als Transportflugzeug unterwegs. Seit 2008 ist sie flugunfähig, in trostlosem Zustand der Verschrottung geweiht. Der Flughafen steht vor der Privatisierung, das Verfahren wurde 2016 von der Regierung eingeleitet. Spätestens dann könnte das Ende für die hier stehenden ausrangierten Maschinen kommen, heißt es in Fortaleza.

„Es gibt Gerüchte, die deutsche Regierung versucht das Flugzeug zu kaufen“, sagt Geraldo de França Júnior von der Flughafenfeuerwehr, als er auf dem Flughafen von Fortaleza auf den Friedhof zeigt. Seit neun Jahren steht die Maschine hier, lange in Deutschland vergessen. Vor Kurzem war aber eine Delegation des Bundeskriminalamtes vor Ort, die sich für einzelne Teile wie Türen oder Leitwerk interessierte. Um mit den Originalteilen in der Heimat die Erinnerung an den legendären Einsatz der Bundespolizei-Spezialeinheit GSG 9 bei der Befreiung der Landshut-Geiseln vor 40 Jahren aufrechtzuerhalten. Dabei soll es um einen Preis von rund 25 000 Euro gegangen sein. Nun aber wird in der Regierung sogar der Kauf und die Verschiffung des Flugzeugs geprüft. Außenminister Sigmar Gabriel (SPD) betont, die Landshut sei „eine lebendige Zeugin eines wichtigen Moments der Geschichte der jungen Bundesrepublik“.

Der Deutsche Herbst

Rückblick, 13. Oktober 1977: Auf dem Weg von Mallorca nach Frankfurt kapern vier palästinensische Terroristen die Boeing 737. Zu dem Zeitpunkt ist Arbeitgeberpräsident Hanns Martin Schleyer schon fünf Wochen in der Gewalt der Rote-Armee-Fraktion (RAF). Mit der Landshut-Entführung wollen die Gesinnungsgenossen den Druck für eine Freilassung der in Stuttgart-Stammheim inhaftierten RAF-Terroristen entscheidend erhöhen. Ohne Freilassung sollen die 82 Passagiere und fünf Crewmitglieder getötet werden. Für Bundeskanzler Helmut Schmidt (SPD) sind es die schwersten Tage seiner Amtszeit.

Bild 1: Deutschland will Flugzeug zurückkaufen: Kommt die „Landshut“ nach Hause?

Es folgt eine Odyssee von Flug LH 181 über Italien, Zypern, Dubai, Jemen bis nach Somalia. Mahmud, wie sich der Anführer des Kommandos „Martyr Halimeh“ nennt, erschießt im südjemenitischen Aden Kapitän Jürgen Schumann. Co-Pilot Jürgen Vietor fliegt die Landshut weiter nach Mogadischu. Staatsminister Hans-Jürgen Wischnewski erreicht mit seinen guten Kontakten in der arabischen Welt die Einwilligung in den Einsatz der GSG 9 auf somalischem Boden. Der Spezialeinheit gelingt eine perfekte Operation – Codename: Feuerzauber. Am Morgen des 18. Oktober 1977 erstürmt die GSG 9 die Maschine: keine Geisel wird verletzt, drei Geiselnehmer sterben, die Terroristin Souhaila Andrawes überlebt. Wenig später werden die RAF-Mitglieder Jan-Carl Raspe, Gudrun Ensslin und Andreas Baader tot in ihren Zellen aufgefunden.

In Fortaleza kennt fast niemand diese Story. Wie konnte die Maschine überhaupt hier stranden? Von 1970 bis 1985 war die Boeing 737 für die Lufthansa im Einsatz, dann als „John Adams“ für Presidential Airways in den USA. Sie wurde anschließend vom Passagier- zum Frachtflugzeug, flog nach Angaben der Internet-Fachseite planespotters.net (Flugzeugbeobachter) für TAN Honduras, die französische L’Aéropostale, in Malaysia und Indonesien, bis sie 2002 an TAF Linhas Aereas im brasilianischen Fortaleza ging. Aufgrund eines schweren Defekts am 14. Januar 2008 wurde das Flugzeug (letztes Kennzeichen: PT-MTB) nach 38 Jahren Dienst und Zehntausenden Flügen für fluguntauglich erklärt. Da die Airline 2010 den Betrieb wegen Lizenzentzug einstellen musste, rottet der Flieger vor sich hin.

 

Die RAF

Die Rote-Armee-Fraktion (RAF) war eine linksextremistische terroristische Vereinigung. Sie war verantwortlich für 33 Morde, darunter Politiker, Polizisten und amerikanische Soldaten. (sk)