Selbstversuch: 40 Tage lang haben sich acht Südkurier-Mitarbeiter im Verzicht geübt. Wie hat das Fasten geklappt?

Seit dem Aschermittwoch verzichten acht SÜDKURIER-Mitarbeiter auf ihre schlechten Angewohnheiten. Ob Rauchen, Lügen, Motzen, Wein, Auto oder Whatsapp – für jeden liefen die 40 Tage unterschiedlich. Die Bilanz: Alles gar nicht so einfach.

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Acht SÜDKURIER-Mitarbeiter schreiben ihr Fasten-Fazit nieder - einige sind schon nach kurzer Zeit an ihre Grenzen gestoßen.

40 Tage Verzicht: Von Fasten und Fast-Fasten

Dominik Dose: Viel vor, wenig dahinter, kann man hinter mein Projekt Mecker-Verzicht setzen.

Einen Anlass zum Motzen findet Dominik Dose fast immer: Dem entsprechend verlief seine Fastenzeit. | Bild: Julian Kares

Das schlimmste an diesem Mecker-Fasten war der Montag. Am Wochenende ist es nicht schwer, nicht zu motzen. Wenn einen der Wecker am Tag nach dem Wochenende aus dem Schlaf reißt, ist es dafür fast unmöglich, ruhig zu bleiben. Da ist dann schon Druck im Mecker-Kessel, und wenn dann im Arbeitsalltag noch was dazu kommt, dann muss der halt raus. So ist mein Fastenexperiment dann auch schon am ersten Montag gescheitert. Gute Vorsätze lösen sich dann in Flüchen auf. Natürlich kann man alles in der dritten Person sagen, nach dem Motto „einige fänden das jetzt sicher zu Recht schlecht.“ Das ist aber einfach Selbstbetrug, quasi die Mecker-Maultasche, das Herrgottsbscheißerle des Nicht-Motzens. Gut waren eigentlich nur die ersten fünf Tage des Experiments, in denen ich den Verzicht durchgezogen habe. Und hilfreich ist die klare Erkenntnis, dass es deutlich konstruktiver ist, zu sagen „das könnte man so und so besser machen“ statt „das ist mal wieder totaler Mist“. Es erfordert aber allerdings auch deutlich mehr Disziplin. Und jetzt? Motze ich halt weiter, wenn mir was nicht passt. Und bin froh, dass wir in einer Gesellschaft leben, in der man seine Meinung frei äußern kann. Insofern ist Motzen ein Stück Freiheit, ein Menschenrecht. Und Freiheiten erhalten sich nur dadurch, dass man sie auslebt. Angelika Wohlfrom: Schade. Ich bin in den sechs Wochen nicht zum Nichtraucher geworden. Experiment kläglich gescheitert – oder?

40 Tage ohne den Glimmstängel: Angelika Wohlfrom verzichtet auf Zigaretten. | Bild: Julian Kares

Habe ich mir zu viel vorgenommen? „Leben ist, immer wieder in kleinen Schritten Veränderung zu wagen“, hatte Pater Stephan Vorwerk von der Reichenau mir mit auf den Fasten-Weg gegeben. Falsches Fasten sei das, wenn man zu radikal werde. Dann könne man seine Vorsätze nicht durchhalten. Möglicherweise habe ich mit dem kompletten Rauchverzicht einfach zu viel von mir verlangt. Möglicherweise suche ich nun auch einfach eine gute Ausrede für mein Versagen. Reden wir nicht drumherum: Ich bin kläglich gescheitert. Schlappe anderthalb Wochen hielt ich durch. Jeden Abend davon brachte mit leidigen Gedanken an die ersehnte Feierabend-Zigarette zu. Nach einem ärgerlichen Erlebnis an Tag zehn allerdings waren mir dann eines Abends alle schönen Vorsätze egal. Eine Trost-Zigarette musste her. Doch bei der ist es leider nicht geblieben. Das Experiment war dadurch schon einmal durchbrochen. Da fehlte mir an den folgenden Abenden die Überzeugungskraft, um mich von weiteren Kippen abzuhalten. Gut war der Versuch trotzdem: Denn er hat mir gezeigt, dass ich es kann, das Nichtrauchen. In Zukunft will ich zumindest das weniger Rauchen beibehalten. Schritt für Schritt zur Veränderung – das gilt nicht nur für die Fastenzeit. Darauf eine Friedenspfeife... Sandro Kipar: Die Fastenzeit ist vorbei, doch beim Autofasten habe ich nicht länger als eine Woche durchgehalten

Das Auto bleibt stehen: Sandro Kipar steigt aufs Fahrrad | Bild: Julian Kares

Die Skepsis war schon vor der Fastenzeit da: Komplett auf das Auto zu verzichten, wird nicht möglich sein. Vor allem nicht, wenn es zu den Freunden nach Heilbronn oder zur Freundin nach Würzburg geht. Aber ich hatte keine Vorstellung davon, wie schwierig das Pendeln mit den öffentlichen Verkehrsmitteln zwischen meiner Wohnung in Mühlhofen und meinem Arbeitsplatz beim SÜDKURIER in Konstanz sein würde. Busfahrpläne finden und studieren, Haltestellen suchen, den Bus nicht verpassen und richtig umsteigen haben nicht nur Zeit, sondern auch Nerven gekostet. Das Fasten wurde abgebrochen, als ich nach der ersten Woche mit einer Erkältung im Bett landete. Daran waren das Warten in der Kälte, das Radfahren durch den Regen und die Busfahrten mit hustenden und schniefenden Passagieren sicher nicht unschuldig. Etwas Gutes kann ich dieser Erfahrung dennoch abgewinnen: Meine Sicht wurde zurechtgerückt. Jeden Tag pendeln Arbeitnehmer mit öffentlichen Verkehrsmitteln. Nicht weil sie Auto fasten, sondern weil sie keine andere Wahl haben. Diese Erkenntnis klingt zunächst banal, aber als Autofahrer vergisst man das schnell. Diese Pendler stellen sich täglich dem Tarif-Dschungel des öffentlichen Nahverkehrs am Bodensee, in dem man sich so leicht verirren kann. David Bäuerle: Durch den Verzicht auf WhatsApp entdeckte ich wieder die Vorteile der guten alten SMS – und die Beschränkung aufs Wesentliche.

40 Tage Fasten: David Bäuerle verzichtet auf Whatsapp | Bild: Julian Kares

Sechs Wochen ohne Dauergebimmel auf dem Smartphone gehen vorüber. Der Kreis der Menschen, mit den ich normalerweise regelmäßig schreibe, verkleinerte sich schnell. Trotzdem hielt ich aber über SMS die Verbindung nach Außen aufrecht. Und auch durch die Telefon-Funktion meines Handys, litt ich durch den WhatsApp-Entzug nicht allzu sehr. Vielmehr kam ich durch den Verzicht zu einigen interessanten Erkenntnissen. Witzig gemeinte Sprüche oder Videos erreichten mich nicht mehr. Das hatte sein Gutes. Doch auch Fotos meines kleinen Bruders oder der neueste Tratsch in Freundesgruppen erreichten mich ebenfalls nicht. Nur durch Zufall erfuhr ich etwa von meiner Freundin die aktuellsten Urlaubsgeschichten von Freunden in Thailand. Wie der Tratsch und der alltägliche Smalltalk in der analogen Welt eben dazugehört, macht auch in der WhatsApp-Wolke der Austausch von Nichtigkeiten den wohl größten Anteil an Nachrichten aus. Und wie in der echten Welt fehlt einem etwas, wenn das scheinbar Oberflächliche und Bedeutungslose plötzlich wegbricht. Belanglose Fotos oder ironische Kommentare in irgendwelchen WhatsApp-Gruppen vermisste ich plötzlich – ohne zu wissen, warum. Allein für diese Beobachtung hat sich der Verzicht gelohnt. Julian Kares: Nach vier Tagen schockte ich mich selbst. Gedankenlos erzählte ich, dass ich perfekt rückwärts parken könne. Eine Lüge.

40 Tage ohne Lügen: Julian Kares lässt seinen inneren Pinocchio schweigen. | Bild: Julian Kares

Zuerst musste ich meine persönliche Definition einer Lüge finden. Meine Gedanken muteten philosophisch an. Ich dachte darüber nach, ob Schweigen eine Lüge sei. Oder: Wie weit lässt sich Wahrheit dehnen, bis sie zur Lüge wird? Ein Beispiel verdeutlicht das Dilemma. Ich wurde gefragt, ob ich am Abend Zeit hätte. Meine Antwort lautete, dass ich müde sei. Das war die Wahrheit. Ich hätte aber auch sagen können: Nein, unsere Gespräche langweilen mich nach fünf Minuten. Das wäre ebenfalls die Wahrheit gewesen – nur eben keine schöne. Ist das feige? Bestimmt. Für einen Schock sorgte schon der vierte Fastentag. Mein Gehirn schaltet einen Moment ab und mein männlicher Stolz zwang mich zum Flunkern. Ich erzählte, dass ich perfekt rückwärts einparken könne – dabei fühle ich mich im Rückwärtsgang jedes Mal unsicher. Ich war wütend über diese dumme Prahlerei. Und ich war geschockt, wie schnell ein unehrlicher Satz über die Lippen rutscht. Was ich gelernt habe? Die Wahrheit ist unkompliziert. Sie lässt keine Fragen offen. Keine fadenscheinige Ausrede kann zu einem Lügenkomplex anwachsen. Der Kopf ist bei ehrlichen Antworten frei von möglichen Anschluss-Lügen und dem Gewissen geht es verdammt gut. Das soll in Zukunft so bleiben. Nicole Rieß: Wer hätte das gedacht? Der sechs Wochen andauernde Verzicht auf Onlineshopping war eine erstaunlich leichte Übung.

Wenn der Postbote kommt: Nicole Riess will auf Online-Shopping verzichten | Bild: Julian Kares

Eins muss man ja mal sagen: Im Vergleich zu den Kollegen habe ich es mir leicht gemacht. Auf etwas zu verzichten, dass ich nicht dringend brauche – wo sollte denn da das Problem sein? Das Nein zum Onlineshopping ist ja schließlich nichts, was stark ins eigene Leben eingreift oder Außenstehende stören könnte, nicht mal den Paketboten. Und in der Tat: Es gab kein Problem. Zum Ende der Fastenzeit kann ich leichthin sagen, dass ein Leben ohne Onlineshopping nicht nur möglich, sondern auch sinnvoll ist. Natürlich, so ehrlich will ich sein, hat es mich schon mal in den Fingern gejuckt, im Internet einzukaufen und mich bequem beliefern zu lassen, statt mich bei Wind und Wetter aufs Rad zu setzen. Meistens habe ich dann einfach gleich ganz auf Neuanschaffungen verzichtet. Und das ist vielleicht die spannendste Erkenntnis des Experiments: Das meiste, das man kaufen will, braucht man überhaupt nicht. Was ich nicht verschweigen will: Einmal, ganz am Anfang, habe ich das Fasten gebrochen. Weil ich versprochen hatte, ein Geschenk zu besorgen, das nun mal nur im Internet erhältlich ist. In Zukunft werde ich wieder ohne schlechtes Gewissen digital einkaufen – aber vorher genau überlegen, ob ich das Gewünschte nicht ohne allzu großen zeitlichen, finanziellen und mobilen Aufwand vor Ort kaufen kann. Und ob ich es überhaupt brauche. Karl-Heinz Backes: Endlich ist das Ende des Color-Rado-Fastens in Sicht. Bald kann ich mir mein geliebtes Lakritz wieder schmecken lassen. Mann, können sechs Wochen Fastenzeit lang sein! Es gab Momente, in denen ich in den Kalender schaute und überrascht war, wie lange meine Durststrecke noch dauern sollte. Ich habe die vergangenen Wochen auf Lakritze verzichtet, was mir sehr als Norddeutschem naturgemäß schwergefallen ist. Es war schon eine harte Probe, an meinem Schreibtisch zu sitzen und – wie üblich – neben mir die Dose Color-Rado stehen zu haben. Die Kollegen haben sich gerne bedient. Und ich musste mich sehr zurückhalten, um nicht der Versuchung nachzugeben. Nun ist übrigens endgültig erwiesen, dass ich als Lakritz-Liebhaber in der Medienwerkstatt eins unverzichtbar bin. Ohne mein Zugreifen blieb die Lakritze nämlich einsam in der Dose zurück, während die Kollegen Gummibären naschten. Nun also beende ich erfolgreich die Fastenzeit. Ich habe festgestellt, dass man mit Disziplin und gutem Willen der Versuchung widerstehen kann, und fühle mich sehr wohl dabei. Trotzdem bin ich froh, dass bald alles wieder normal läuft und ich mich beim Lakritz bedienen kann, ohne neidisch auf die Kolleginnen und Kollegen zu schauen. Soweit die frohe Botschaft für mich, allen anderen im Büro sei gesagt: Es gibt frisches Color-Rado auf meinem Schreibtisch! Beate Schierle: Nur einmal wurde ich wegen einem Wein schwach. Auf den Gigondas bei deiner Genuss-Messe konnte ich nicht verzichten.

Redakteurin Beate Schierle schenkt sich nur noch alkoholfreien Wein ein. | Bild: Julian Kares | Bild: Julian Kares

Was? Alkoholfreien Wein? Kann man das trinken? Freunde und Verwandte waren skeptisch, als ich von meinem Plan erzählte, meinen geliebten Feierabendwein mehrmals pro Woche zu streichen. Wenn man sich sagt: Du, heute Abend und morgen trinkst du nichts, ist das gar kein Problem. Es ging. Besser als gedacht, zumal ich die bleifreien Tage ohnehin schon länger eingeführt hatte. Alles Kopfsache. Während des Selbstversuchs kam ein gewisser Mutwille bei mir auf. Warum immer nur zwei Tage? Warum nicht mal drei oder vier? Nur einmal wurde ich schwach. Die Genuss-Messe in Radolfzell am 24. März ist schuld. Wie soll man auch widerstehen, wenn einem am französischen Stand ein Gläschen Gigondas aufgenötigt wird (für Nicht-Weintrinker: ein herrlicher Südfranzose aus dem Rhonetal, bei dem die Sonne aus jedem Tropfen scheint)? Da bin ich der Versuchung dann erlegen. Ohne schlechtes Gewissen allerdings. Es war ja Gott sei Dank ein Sonntag. Da dürfen Faster eine Ausnahme machen. Bei meinem Fastenversuch zeigte sich, dass man intensiver riecht und schmeckt, wenn man sich dann mal einen Wein gönnt. Einen Nachteil gibt es allerdings: Wenn der Wein seltener genossen werden soll, dann kaufe ich inzwischen lieber noch eine Kategorie besser. Das geht ins Geld. Gespart ist also rein gar nix.

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Acht SÜDKURIER-Mitarbeiter haben sich 40 Tage lang im Verzicht geübt. Wie haben sie die Fastenzeit überstanden?

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