Frau May, im Film „Ich will mein Glück zurück“ spielen Sie die pensionierte Lehrerin Ulla, die mit ihrem Mann Paul Goldene Hochzeit feiert. Der verkündet vor allen Gästen, dass er sich in eine andere verliebt hat. Haben Sie mal eine Party erlebt, die ruiniert wurde?

Nicht so offensichtlich. Ich war vor vielen Jahren mal auf einer Party, bei der der verheiratete Gastgeber im Gebüsch in flagranti mit einer anderen Frau erwischt wurde. Das war eine ähnlich große Katastrophe wie für Ulla im Film.

Was muss in Ulla vorgegangen sein?

Für sie ist eine Welt zusammengebrochen. Sie war so fixiert auf ihren Mann, hat an ihn und ihre Ehe geglaubt. Aber sie war zu bequem, hat vermutlich nichts hinterfragt. Der Ehealltag war vielleicht okay, aber auch ein bisschen langweilig. Wenn man in einer Beziehung sich und sein Leben für den anderen komplett aufgibt, stellt das für die Partnerschaft eine große Gefahr dar.

Kann das, was Ulla widerfahren ist, passieren, wenn man in einer Beziehung wirklich glücklich ist?

Die Frage ist: Was ist Glück und wie empfindet man es? Eine Langzeitbeziehung birgt immer die Gefahr, dass man sich in eingefahrenen Spuren und Verhaltensmustern bewegt, aus denen man schwer herauskommt. Wenn bei einem von beiden dann etwas Neues oder Spannendes ins Leben tritt, kann es sein, dass die Dinge ihren Lauf nehmen. Es ist nicht immer nur der Schuld, der aus der Beziehung ausbricht.

Die Wut muss raus: Ulla (Michaela May) hat es auf den Wagen von Gatte Paul (Helmut Zierl) abgesehen.
Die Wut muss raus: Ulla (Michaela May) hat es auf den Wagen von Gatte Paul (Helmut Zierl) abgesehen. | Bild: ARD Degeto/Polyphon Film/Thomas Neumeier

Wie kann man Routine in einer langjährigen Beziehung vermeiden?

Dafür gibt es kein Patentrezept. Was aber hilft: Man sollte sich unbedingt seine Eigenständigkeit bewahren, etwa seinen Interessen und Hobbys nachgehen und sich diese nicht nehmen lassen. Man darf die Flügel der Liebe nicht stutzen. Gegenseitiger Freiraum ist ganz wichtig. Es kann auf Dauer langweilig sein, wenn man alles zusammen erlebt. Es ist doch viel spannender, wenn der Partner eigene Erlebnisse mit in die Beziehung einbringt. Auch unterschiedliche Meinungen sind bereichernd und erweitern den Horizont.

Paul hat Ulla früher schon einmal betrogen, sie hat ihm jedoch verziehen. Könnten Sie Untreue verzeihen?

Wenn ich liebe, dann vertraue ich. Diesbezüglich wäre ich weniger großzügig als Ulla. Einen derartigen Vertrauensbruch könnte ich nicht vergessen. Ich habe ein Gedächtnis wie ein Elefant. Wenn ich einmal bitter enttäuscht wurde, kann ich nur sehr schlecht verzeihen. Ich fordere von meinem Partner eine gewisse Einzigartigkeit. Treue ist mir sehr wichtig.

Was lieben Sie an Ihrem Mann?

Dass er eine unendlich große Liebe für mich empfindet und viel Fantasie mit in die Beziehung einbringt. Er fängt mich auf, wenn ich Hilfe benötige, und gibt mir Sicherheit. Er hat einen großen Anteil daran, dass ich an mich glaube und meine verletzliche Seele stark ist. Er ist für mich ein Geschenk des Himmels.

Michaela May und ihr Mann Bernd Schadewald 2019 auf dem Münchner Oktoberfest.
Michaela May und ihr Mann Bernd Schadewald 2019 auf dem Münchner Oktoberfest. | Bild: Ursula Düren/dpa

Ulla sagt, man sei so alt, wie man sich fühlt. Wie gehen Sie mit dem Alter um?

Es ist kein Thema für mich. Sofern ich gesund bin und alles machen kann, was ich möchte, spüre ich mein Alter nicht wirklich. Dafür bin ich sehr dankbar. Ich hoffe, dass es noch länger so bleiben wird und ich weiterhin spannende Rollenfiguren wie Ulla verkörpern kann.

Anders als Ulla verschwenden Sie keinen Gedanken an den Ruhestand.

Ruhestand? Das ist ein merkwürdiges Wort, mit dem ich überhaupt nichts anfangen kann. Mein Beruf ist zugleich mein Hobby. Ohne die Schauspielerei, die so bunt, vielfältig und reich an Erlebnissen ist, würde mir etwas Elementares in meinem Leben fehlen.

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Sie haben 2022 in Ihrer Autobiografie offenbart, dass Sie drei Geschwister durch Suizid verloren haben. Wie haben Sie es geschafft, das zu verarbeiten?

Mein Credo war immer, möglichst alles mitzunehmen, was ich machen möchte. Mein Hunger nach dem Leben war immer groß, weshalb ich keine Zeit vertrödeln will, weil ich nicht weiß, wie viel Zeit mir bleibt. Diese extreme Lebenswut hat eine besondere Lebensaktivität ausgelöst. Durch die Geburt meiner ersten Tochter wurde mir zudem bewusst: Das Leben geht nicht nur, es entsteht auch immer wieder neues Leben.

Robert sagt im Film zu Ulla, Glück sei nicht nur ein Zustand, sondern auch eine Entscheidung. Wie sehen Sie das?

Ich denke, man kann nicht einfach sagen: „So, jetzt bin ich glücklich.“ Aber man kann etwas dafür tun, um dem Glück auf die Sprünge zu helfen. Man kann die Augen offenhalten, sich auf die schönen Dinge konzentrieren und die negativen beiseiteschieben. Insofern ist es tatsächlich eine Entscheidung.