Liebe Giulia Gwinn,
ich bin ganz ehrlich: Ihr Name war mir bis vor ein paar Tagen kein Begriff. Also wirklich überhaupt keiner. Falls es Ihnen ein kleiner Trost sein sollte – die Unkenntnis bezieht sich auch auf den Rest des deutschen Teams. Oder der Frauen-Nationalmannschaft, wie es beim Deutschen Fußballbund heißt.
Klar, das Wort Frauschaft gibt es nicht, und falls irgendwann doch, müsste man sich erst mal über längere Zeit daran gewöhnen, weil es so fremd klingt. Aber: anderes Thema. Ich bleibe beim Team, das ist schön neutral.
Trotzdem noch mal zurück zur Mannschaft – also der anderen, die nur aus Männern besteht. Die Spieler kenne ich auch nicht. Gut, vielleicht habe ich die Namen schon gehört und die Gesichter mal gesehen. Aber denen ist halt auch schwer zu entkommen vor Großereignissen, wenn sogar in der längsten Praline der Welt Aufkleber mit Fußballer-Gesichtern stecken.
Diese Art Prominenz steht Ihnen und Ihren Kolleginnen vielleicht noch bevor. Jedenfalls: Sie dürften mich nicht nachts wecken und nach den Spielern der Herren-Nationalmannschaft fragen. Insofern herrscht hier absolute Gleichberechtigung.

Fußball ist einfach nicht meins, ich gebe es zu. Aber wissen Sie was? Vielleicht ändert sich das gerade. Wahrscheinlich nicht so radikal, dass ich alle Länderspiele und jeden Turnier-Auftritt verfolgen werde. Auch was Sie beim FC Bayern München so machen, wird mir vermutlich keine schlaflosen Nächte bereiten.
Aber ich weiß jetzt, wer die Frau mit dem ordentlich geflochtenen Zopf in der deutschen Abwehr ist. Und dass Sie sehr gut Fußball spielen, erkenne selbst ich. Sonst wären Sie nicht im EM-Kader. Und ja: Ihnen bei der Arbeit zuzuschauen macht Spaß.

Ich folge Ihnen jetzt übrigens auf Instagram. Bei 329.000 Followern wird Ihnen eine mehr oder weniger kaum auffallen, aber ich weiß, dass ich jetzt nichts mehr verpasse. Immer mal wieder zeigen Sie dort mit dem Hashtag #noplacelikehome Bilder aus Friedrichshafen, Ihrer Heimat.
Es geht vermutlich nicht nur mir so: Dadurch fühle ich mich Ihnen irgendwie verbunden. Ist Quatsch, ich weiß. Aber wenn man jemanden im Fernsehen sieht, der auch schon mal im Bodensee gebadet hat, ist das schon besonders. (Stellen Sie sich hier einen Zwinker-Smiley vor.)
Wissen Sie eigentlich, wann mir zum ersten Mal klar wurde, dass der Frauen-Fußball auf dem aufsteigenden Ast ist? Beim Blick aufs Fernsehprogramm. Als Sie am Donnerstag Österreich mit 2:0 aus dem Turnier verabschiedet haben, hatte ausgerechnet Henning Baum schon vorsorglich die Segel gestrichen.
RTL wollte an dem Abend eigentlich zeigen, wie er sich als Bundeswehrsoldat macht. Aber er hätte ja keine Chance gegen Sie gehabt. Die „Bergretter“ im ZDF haben es immerhin versucht, konnten mit 4,25 Millionen aber nicht mal halb so viele Zuschauer anlocken wie Sie. 9,5 Millionen Menschen haben Ihr Spiel gesehen – so kann es weitergehen, oder was meinen Sie? Beim Halbfinale am 27. Juli bin ich dann auch dabei, versprochen.