Herr Führmann, Sie haben bereits sechs Filme aus der Reihe „Harten Brocken“ gedreht. Ist Ihnen der Postbote Heiner Kelzenberg, den Sie spielen, inzwischen ans Herz gewachsen?

Ja! Und ich merke auch, dass ich immer so ein bisschen in den Heiner-Modus verfalle, wenn ich in den Harz fahre. (lacht) Es fühlt sich schon an, als wäre ich dort zu Hause. Ich habe in der Zeit ja auch viele Kontakte geknüpft, zu den Komparsen zum Beispiel. Alle sind dort wahnsinnig nett. Für mich ist das Team wie eine Familie.

Was genau ist denn eigentlich der Heiner-Modus?

Der Heiner ist ja jemand, der das Herz am rechten Fleck hat. Und er ist ein richtiger Kümmerer, gerade jetzt, wo Nachwuchs unterwegs ist. Immer für alle da zu sein, das ist ein wichtiger Teil des Heiner-Modus.

Was hilft Ihnen noch, um in die passende Stimmung zu kommen?

Ich gönne mir ganz gerne mal ausgiebige Spaziergänge auf den Höhen des Harzes und lerne dort auch meinen Text. Ich habe mir sogar extra ein geländetaugliches Fahrrad gekauft, das ich immer mit zum Dreh nehme. In die Natur einzutauchen, das war gerade beim Dreh in der Corona-Zeit ein totaler Kraftpunkt. Ich habe parallel zu „Harter Brocken“ in Berlin noch die Serie „Mirella Schulze rettet die Welt“ gedreht. Und wenn ich dann wieder im Harz war, mitten in der Natur, konnte ich wirklich abschalten. Das war Gold wert! Denn bei der Isolation im Berliner Hotel, dazu die neuen Abläufe am Set, die das Drehen erschweren – da tut so ein Ausgleich gut.

Radfahren im Harz ist aber vermutlich kein großes Vergnügen …

Sankt Andreasberg hat die steilste Hauptstraße Europas … Beim Dreh schicken die mich da natürlich immer hoch. (lacht) Ich habe dafür ein E-Bike bekommen. Was ich aber am Anfang nicht wusste: Der Motor schaltet sich bei Tempo 25 ab … Ich bin also den Berg hochgefahren, hinter mir war ein Auto, von dem aus gefilmt wurde. Ich bin diesen Berg sportlich angegangen und konnte mit dem E-Bike schnell beschleunigen. Ja, und dann war der Motor aus und ich musste dieses riesige, schwere Ding den Berg hoch wuchten. Boah! Das war einer der schweißtreibendsten Drehtage meines Lebens, glaube ich.

Im neuen Film bekommt es der sonst eher gemütliche Heiner mit einer kriminellen Rocker-Bande zu tun. Gefällt es Ihnen, wenn es ein bisschen Action in seinem Leben gibt?

Was mir gefällt, ist, wie Heiner mit der Gefahr umgeht. Er glaubt ja die ganze Zeit nicht, dass ihm etwas passieren könnte. Als er dem Chef der Rocker-Bande begegnet, kann er sich einfach nicht vorstellen, dass der ihn erschießen könnte – es ist ja schließlich der Mofa-Andy von früher. Seine Gutgläubigkeit, Naivität im besten Sinne, das ist der Heiner-Modus. Und ich finde es gerade in diesen Shitstorm-Zeiten schön, einfach mal an das Gute im Menschen zu glauben. Diese Einstellung ist mir total nah. Es gibt eine Szene, in der steht Heiner vor der Tür von Andy und soll ihn ablenken. Er macht Smalltalk, aber Andy geht darauf gar nicht ein, sondern will ihn eigentlich gefangen nehmen. Wie das aneinander vorbei läuft, weil Heiner sich einfach nicht vorstellen kann, dass ihm etwas Schlimmes passiert, finde ich großartig.

Am Ende des Films steigen Heiner und der Polizist Frank Koops auf ihre alten Mofas. Haben Sie auch noch so einen Schatz aus Ihrer Jugend, etwas, das Ihnen damals total wichtig war?

Als ich mein erstes eigenes Geld verdient habe, habe ich mir einen Leder-Basketball gekauft. Mit so einem Ball habe ich sonst nur im Verein gespielt und auch nur bei Spielen, nicht im Training. Ansonsten gab es immer nur diese Gummibälle. Diesen Leder-Ball habe ich immer noch. Wenn ich mit befreundeten Vätern am Spielplatz stehe und auf die Kinder aufpasse, bringe ich ihn manchmal mit. Der Ball ist quasi mein Mofa.

Seit 2010 verheiratet: Anna Schudt und Moritz Führmann im März 2019 bei der Verleihung der Goldenen Kamera.
Seit 2010 verheiratet: Anna Schudt und Moritz Führmann im März 2019 bei der Verleihung der Goldenen Kamera. | Bild: Jens Kalaene/dpa

Was in den „Harter Brocken“-Filmen auffällt, ist der Zusammenhalt der Dorfgemeinschaft. Sie leben ja in Düsseldorf, von einem Dorf hat das nichts …

Wir wohnen in einem Stadtteil, der allein durch den Fluss des Rheins ein bisschen für sich ist. Da gibt es schon ein Dorfgefühl. Wenn ich dort auf den Markt gehe, bin ich nicht unter einer Stunde wieder zu Hause. Das hat natürlich damit zu tun, dass man immer mal wieder ein kleines Schwätzchen hält. Was dann wiederum dazu führt, dass es irgendwann reicht, wenn ich am Stand sage: „Ich nehme wie immer.“ Dieses Gefühl ist für mich Heimat – dass man übereinander Bescheid weiß. Vor allem bekomme ich dann auch Feedback zu meinen Filmen, von „Dieses Mal ist dir das aber nicht so gut gelungen“ oder „Gestern hast du mir besonders gut gefallen“. Und so etwas ist ja auch wichtig, weil die Quote im Fernsehen und der Applaus im Theater am Ende anonym sind. Die Gespräche mit Leuten, die einen kennen, finde ich deshalb besonders spannend.

Sie haben mal gesagt, dass bei „Harter Brocken“ die Chemie unter den Kollegen einfach stimmt. Könnten Sie sich denn vorstellen, in einer Reihe dabei zu sein, auch wenn die Chemie nicht stimmt?

Ich glaube, dass die Leute beim Anschauen eines Films spüren, ob das Team funktioniert oder nicht. Gerade in diesem Format überträgt sich das meiner Meinung nach ungemein. Die Beziehung zwischen Heiner und Frank Koops ist so eine wortlose Freundschaft. Man weiß eigentlich relativ wenig über die beiden, und trotzdem spürt man als Zuschauer die große Verbundenheit zwischen ihnen. So etwas könnte meiner Meinung nach nicht funktionieren, wenn die Chemie am Set nicht stimmen würde. Natürlich bin ich Profi genug, um eine Rolle auch zu spielen, wenn ich mit den Kollegen nicht so gut auskomme. Aber ich bin auch jemand, der Harmonie nicht ganz unwichtig findet. (lacht)

So eine Männerfreundschaft wie die zwischen Heiner und Frank Koops, die auch ohne große Worte funktioniert, kennen Sie das auch?

Ja, ich habe noch zwei Freunde aus Kasseler Zeiten. Wir waren schon zusammen in der Krabbelgruppe, unsere Eltern waren auch sehr eng befreundet. Das sind Freunde, bei denen muss man sich nicht permanent melden, aber sobald man sich trifft, ist das Gefühl sofort wieder da. Und man weiß einfach genau, wie‘s dem anderen geht.

Heiner ist, wie Sie sagten, ein Kümmerer. Allerdings einer, der auch gern mal übers Ziel hinaus schießt, zum Beispiel mit der App, mit der er die Gesundheit der werdenden Mutter überwacht. Wie fürsorglich sind Sie, wenn es um Ihre Familie geht? Hatten Sie mal den Gedanken, jemanden mit Hilfe einer App zu „überwachen“?

Meine Frau nicht. (lacht) Aber die Kinder haben solche Uhren, mit denen sie eine Nachricht schicken können, dass sie gut angekommen sind. In einer Großstadt ist das total hilfreich. Die Kinder können so ihre ersten eigenen Schritte machen, ohne dass man sich die ganze Zeit Sorgen machen muss. Und als Eltern weiß man, dass sie sich jederzeit melden können, wenn etwas ist. Das ist mir wichtig.

Polizistin Mette Vogt (Anna Fischer) und Postbote Heiner Kelzenberg (Moritz Führmann) erwarten ein Kind.
Polizistin Mette Vogt (Anna Fischer) und Postbote Heiner Kelzenberg (Moritz Führmann) erwarten ein Kind. | Bild: ARD Degeto/Kai Schulz

Wie alt sind Ihre Kinder?

Acht und zehn.

Dann kennen Sie die Vor- und Nachteile des Homeschoolings in Corona-Zeiten ja sehr genau …

Ehrlich gesagt: Ich genieße es total, sie beim Lernen zu erleben. Unsere Kinder werden in der Schule zur freien Arbeit angeregt, das liegt ihnen auch. Und es ist toll, sie dabei zu begleiten. Ich muss mich nicht vor sie hinstellen und ihnen etwas vorbeten, sondern sie fragen um Rat, wenn sie ihn brauchen. Und manches lernen wir auch gleich gemeinsam.

In „Harter Brocken“ wird Ihre Figur zwar immer wieder in Kriminalfälle reingezogen, einen Ermittler spielen Sie aber nicht. Würden Sie das denn reizen – und falls ja, was für ein Ermittler wären Sie gern?

Mich faszinieren skandinavische Krimis. „Die Brücke“ zum Beispiel, wo die Kommissarin durch ihren Autismus einen ganz anderen Zugang zu den Fällen hat als ihre Kollegen. Solche Geschichten interessieren mich, solche ungewöhnlichen Ermittlerfiguren, über die man dann erst zu den eigentlichen Fällen kommt. So etwas würde ich gerne spielen.

Und wie sieht‘s mit Krimi-Komödien aus?

Ich finde ja, dass gerade besonders ernste Sachen manchmal auch sehr lustig sind. Aber ich bin sowieso jemand, der immer den Humor in den Dingen findet. Deshalb muss es für mich gar nicht unbedingt eine Komödie sein.

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Sie und Ihre Frau Anna Schudt haben sich ja bei der Arbeit kennengelernt. Würden Sie gern öfter mit Ihr drehen?

Es ist immer etwas Besonderes, mit so einer tollen Künstlerin wie meiner Frau zusammenzuarbeiten. Ich könnte mir das auch öfter vorstellen. Es ist aber natürlich auch gut, wenn einer von uns beiden bei den Kindern sein kann, wenn der andere unterwegs ist. Wir versuchen, uns das aufzuteilen. Und dadurch, dass sich jeder für sich entwickelt, wachsen wir ja auch miteinander. Das ist – Toi, Toi, Toi! – das Geheimnis unserer Beziehung, glaube ich.

Ihre Frau stammt aus Konstanz. Sie sind mit der Familie ab und zu dort, oder?

Ja. Wir versuchen, das zweimal im Jahr hinzukriegen. Am besten, wenn man baden kann. Besonders gut gefällt es uns im Strandbad Tägerwilen. Dort vom Turm zu springen, ist für unsere Jungs immer das Allerbeste. Und der Napoleonturm, auch auf der Schweizer Seite, ist wahnsinnig schön – dorthin haben wir mal eine Fahrradtour gemacht. Das sind so meine Highlights. Dabei war das gar nicht in Konstanz … Aber meine Frau hat mir auch noch manches vorenthalten, weil es zu touristisch war und wir eher nach Ruhe gesucht haben oder nach Action für die Kinder.