Jeremias Heppeler

In der Promophase zu ihrem neuen Album „Glory“ klapperte Britney Spears stilecht die verschiedenen amerikanischen Late-Night-Talkshows ab. Beim Carpool-Karaoke bei James Corden zeigte sie nicht nur einen sympathischen Gesangsauftritt, sondern offenbarte nebenbei private Details: „Den Glauben ans Heiraten habe ich verloren.“ Und: „Ich möchte noch drei Kinder!“ So, so. Noch aufschlussreicher war allerdings ihr Auftritt bei Ellen DeGeneres. Moderatorin Ellen hatte ein soziales Experiment organisiert: Was passiert, wenn Amerikas bekannteste Talkerin und Amerikas ehemals bekanntester Popstar gemeinsam ein Einkaufszentrum entern. Die Antwort? Chaos. Die beiden aßen Eis in ausgestellten Betten, hämmerten auf einen Boxsack und probierten Männersackos an.

Besonders ins Auge stach jedoch das Auftreten der beiden Frauen. Während Ellen wie ein wilder Derwisch durchs Kaufhaus tigert, schlurft Britney im knappen Lederoutfit ein wenig naiv und überfordert hinterher. Es ist beinahe so, als hätte man eine Zeitmaschine angeworfen. Britney, mittlerweile 34 Jahre alt, ist kaum vom 19-Jährigen Popsternchen zu unterscheiden, dass 1999 mit „...Baby One More Time“ die Musikwelt veränderte. Dabei ist seither so viel passiert.

In den frühen neunziger Jahren gibt es in der Popszene einen Umbruch. Der Glamour und die großen Gesten der achtziger Jahre scheinen verschwunden. Als dann auch noch Michael Jacksons Karriere ins Stocken gerät, hat vor allem Amerika ein echtes Popstar-Problem. Es gibt keine Teenieidole mehr! Aus dieser Sehnsucht heraus entstehen in der Folge Castingshows, die Boybands wie die Backstreet Boys zu ganz großen Nummern machen. Rückblickend ist es aber ein ganz anderes Format, das eine ganze Masse an Superstars hervorbringt. Der Mickey Mouse Club!

Mit den Schauspielern Keri Russell und Ryan Gosling, vor allem aber mit Christina Aguilera, Justin Timberlake und Britney Spears ist die Kindersendung ein regelrechtes Aufzuchtbecken für kommende Superstars. Nach dem Ende ihrer TV-Sendung zieht sich Britney zunächst zurück in ihre Heimat in Mississippi, ehe die Plattenfirma „Jive Records“ auf die Blondine aufmerksam wird und eine Karriere lostritt, die ihres Gleichen sucht: Britney Spears erste vier Alben verkaufen sich unfassbar gut.

Doch der Abstieg folgt auf leisen Sohlen. Mit „I'm A Slave For You“, „Toxic“ und einer Coverversion von „I Love Rock‘N‘Roll“ verpasst Britney ihrem unschuldigen Image einige musikalischen Schrammen, auch die Trennung von Bilderbuch-Boyfriend Justin Timberlake sorgt für Entsetzen. Britney versucht, sich freizuschwimmen und scheitert an den Strömungen des Popbusiness. Die Welt will Britney als formbares Objekt, nicht als selbstbewusstes Subjekt. Ab 2005 reiht sich fortan Skandal an Skandal: Nach einer Blitzheirat mit Jugendfreund Jason Alexander (das Eheversprechen wird zwei Tage später annulliert), heiratet Britney Tänzer Kevin Federline – eine unheilvolle Liason.

2005 und 2006 bringt das Paar jeweils einen Sohn zur Welt, 2007 erfolgt die Scheidung und ein Sorgerechtsstreit. Der ehemalige Teeniestar wird in Entzugskliniken eingeliefert, verschanzt sich mit seinen Kindern und wird 2008 von den Eltern entmündigt.

In der Folge dauert es ein knappes Jahrzehnt, bis Britney Spears zurück in die Spur findet. Heute scheint Britney endlich gefestigt und im Reinen mit sich selbst. „Glory“ war zwar kein Flop, aber kilometerweit entfernt von den Erfolgen früherer Tage, die die heute 34-Jährige nie wieder erreichen wird. Ihre Prioritäten sind heute ohnehin andere. In einem Interview erklärte Britney, wie schwierig es ist, Karriere und Familie unter einen Hut zu bringen. „Es ist hart, die beiden Welten zu jonglieren, wirklich. Wenn man den ganzen Tag ein Fotoshooting gemacht hat und dann nach Hause kommt und die Hausarbeit machen muss und zweimal Abendessen kochen – es ist viel Arbeit. Aber als Frauen schaffen wir das!“ Wir drücken die Daumen!