Herr Soost, Sie wollten als Junge der Michael Jackson der DDR werden!
So war’s. Ich habe mir damals seine Auftritte heimlich mit meinen Freunden im Kinderheim angeguckt. Und dabei ging mir durch den Kopf: Okay, meine zwei Kumpels sehen jetzt nicht unbedingt aus wie er, aber ich bin ja auch dunkel und habe ein paar Locken. Da könnte ich doch eigentlich der Michael Jackson der DDR werden! Als Zwölfjähriger hast du solche Flausen.
Aber dabei blieb es nicht.
Nein, es hat mich tatsächlich dazu gebracht, anzufangen zu tanzen. Ein Multiplikator dieser Leidenschaft war, dass in dem Augenblick, wo ich auf dem Schulhof damit angefangen habe, ich nicht mehr das Heimkind und der Außenseiter war, der wahrscheinlich klaut oder sich kloppt oder Läuse hat. Sondern plötzlich war ich der coole Junge, der tanzen kann wie Michael Jackson.
Haben Sie oft Anfeindungen erlebt?
Nicht wirklich. Es gab zwei Vorfälle in der DDR. Aber später im Westen habe ich so etwas gar nicht erlebt. Das hat aber möglicherweise auch mit meiner Statur zu tun: Wenn da so ein 1,90-Meter-Typ mit Muckis kommt, dann würden sie dem vielleicht gerne „Presskohle“ oder Ähnliches hinterherrufen, aber sie tun es dann doch lieber nicht – so meine Erfahrung.
Vielleicht hat es auch mit Ihrem Arbeitsumfeld zu tun, dass Sie selten Rassismus ausgesetzt waren?
Das mag sein. Das Tanz-Milieu ist multikulti. Beim Tanzen ist es egal, ob jemand schwarz, weiß, grün, gelb, christlich, katholisch, orthodox, Moslem oder was auch immer ist, so lange man gemeinsam diese Leidenschaft ausfüllt.
Die Welt muss mehr tanzen!
Das wäre eine gute Idee. Tanzen bringt Menschen zusammen. Wenn wir alle mehr miteinander tanzen würden, würden wir mehr lachen. Und wenn wir mehr lachen, dann nehmen wir uns selbst nicht mehr so ernst und wichtig.
Sind Sie denn eigentlich der Michael Jackson der DDR geworden?
(lacht) Na ja, da gab es leider etwas, was mich daran gehindert hat: Das ist meine Stimme. Wenn ich singe, ist das unter dem Bereich Körperverletzung anzusetzen. Insofern hat das nicht ganz funktioniert. Aber in Bezug auf meine beruflichen Erfolge, die ich mit dem Tanzen erzielte, bin ich total dankbar und glücklich.
Hatten Sie in Ost-Deutschland Zugang zu Jacksons Konzerten und Platten?
Schon. Meine erste Michael-Jackson-Platte – „Thriller“ – bekam ich 1982. Damals gab es die von „Amiga“, die die Lizenz von dem eigentlichen Plattenverlag bekommen hatten. Der Kracher ist, dass ich auf einem Konzert von Michael Jackson in der DDR war. Es war komplett ausverkauft, um die 4000 Leute müssen im Berliner Velodrom gewesen sein, das damals noch Werner-Seelenbinder-Halle hieß. Allerdings hatte die Sache einen Haken: Es handelte sich um ein Michael-Jackson-Double!
Und Sie wussten das nicht?
Wir wussten es und sind trotzdem alle hingegangen! Es hat nur 45 Minuten gedauert. Aber für uns war es der Augenblick, ein Stückchen Michael Jackson zu bekommen.
Sind Sie bei den Tänzern des Musicals „Beat It!“ eigentlich auch so ein Drill-Instructor wie damals bei „Popstars“?
Bei Profi-Tänzern musst du das nicht sein, denn die kennen ihren Job. Unter uns Profis ist es das Normalste von der Welt, dass wir direkt und klar miteinander kommunizieren. Wenn ein Profi zu einer finalen Probe eine halbe Stunde zu spät kommt, ist er nun mal raus. Als ich dann anfing mit den Castingshows im Fernsehen und es dort genau so gemacht habe, fragten sich viele: „Wieso ist denn der so streng?“ Doch für mich war das wirklich total normal.
Sie haben sich im Anschluss als Fitness- und Abnehm-Coach neu erfunden.
Seit zehn Jahren konzentriere ich mich darauf, immer intensiver mache ich das auch mit Motivations- und Impulsvorträgen. Das Tanzen habe ich nie aus den Augen verloren und mit einem sehr hohen Anspruch auch immer weiter gemacht. Aber die neuen Dinge, die ich erleben und entwickeln durfte, bringen mir große Freude.
Gehen Sie auf Partys?
Überhaupt nicht. Ich bin jetzt 48 und habe drei wundervolle Kinder. Das Thema ist also so ein bisschen durch für mich. Wenn ich abends rausgehe, dann entweder für einen Job oder weil ich mal ins Kino will. Das sind dann meine verrückten Ausflüge.
Was kommt für Sie nach dem Musical?
Mein neues Buch „Leck mich am Arsch, Angst!“, das vermutlich nächstes Jahr im September erscheinen wird. Angst ist ja die größte Bremse für uns im Leben. Sie lässt uns erstarren. Da finde ich es wichtig, Menschen einen Ansatz zu geben, wie man mit einfachen Mitteln aus diesem Angstkreislauf rauskommt.
Zur Person
Detlef D! Soost (48) wurde ab dem Jahr 2000 durch seine Mitarbeit an der Castingshow „Popstars“ bekannt. Der Tänzer und Choreograf aus Berlin ist ausgebildeter Werkzeugmechaniker. Er ist mit der Sängerin Kate Hall verheiratet, mit der er ein gemeinsames Kind hat. Aus einer früheren Beziehung hat er zwei weitere Kinder. Das Musical „Beat It!“, das Soost choreografiert hat, ist am 30. Oktober 2018 in Bregenz zu sehen sowie dann 2019 in Freiburg (17. Februar), Zürich (26. und 27. Februar), Singen (24. März) und Basel (21. April).