Bettina Schröm

Am Schluss ist mächtig was los, da unten im „Haus am See“, sprich in der Kreuzlinger Bodensee Arena, als Peter Fox mit „Cold Steel“ loslegt und mit alten Hits und einer perfekten Choreographie die Hütte zum Kochen bringt. Es ist der Höhepunkt der „Classic-Soul-Jazz Experience“, die am Samstag Tausende über die Schweizer Grenze lockt und die in diesem Konzertjahr die wohl größte Musikerdichte pro Bühnenquadratmeter zu bieten hat. Überhaupt hat dieser Abend eine Menge zu bieten, eines aber nicht, und das gleich vorweg: „Klassisch“ im herkömmlichen Sinne ist lediglich die Besetzung des Orchesters. Mozart und Co werden andernorts gespielt.

Es knistert im Saal

Das ist aber nicht weiter schlimm, und man soll ja auch nicht immer in Schubladen denken. Denn die Südwestdeutsche Philharmonie, die mit Intendant Beat Fehlmann schon manchen ungewöhnlichen Abend bestritten hat, erweist sich am Samstag unter Leitung von Christoph Rehli als prima Begleitcombo auch für Bossa Nova, Jazz und Hiphop und macht eine Erfahrung, die am Orchesterpult nicht allzu häufig vorkommt: bunte Scheinwerfer, jubelndes Publikum am Bühnenrand, kreischende Mädels und gezückte Feuerzeuge. Auch mal schön.

Denn vorne geht die Post ab bei diesem „Event“-Konzert, das jenseits aller Kategorien schlicht tolle Musiker an einem Ort bündelt. Initiiert vom Jazz-Saxophonisten Lutz Häfner reihen sich Joy Denalane, Max Herre und Peter Fox als Stargäste aneinander – und mit ihnen eine Band, die für den Beat des Abends sorgt: Lillo Scrimali (Orgel), Rainer Böhm (Klavier), Michael Paucker (Bass), Philip Niessen (Gitarre), die beiden Drummer Matteo Scrimali und Carl-Michael Grabinger – und Trompeter Tobias Weidinger, der zusammen mit Häfner selbst einen Bläsersatz vom Feinsten gibt. Immer wieder legen sie kurz los, diese beiden virtuosen Jungs, zaubern brillante Kaskaden aus den Trichtern und veredeln das Set mit Auftritten wie dem Trompetensolo in Joy Denalanes Ghetto-Song „Soweto“. Starke Nummer.

Die Soulsängerin ist Diva des Abends. Der nimmt zunächst instrumental über den Bossa-Klassiker „Retrato“ von Antonio Carlos Jobim (da darf das Orchester schwelgen) und dem Weidinger-Set „Turn It Loose“ Fahrt auf, hin zu Denalanes Auftritt. „Niemand“ singt sie und einen jener Jazz-Klassiker –“You don‘t know what love is“ – von denen sie noch viel mehr in ihre Programme aufnehmen sollte. Samtweich ist Denalanes Stimme, glamourös, kraftvoll, sie steht mit umwerfender Präsenz auf der Bühne – und immer wieder mit dem charismatischen Max Herre an ihrer Seite, der die Kreuzlinger Hiphop-Fans so recht in Schwung bringt. Auch er hat Klassiker im Gepäck: „A-n-n-a“, „Wolke 7“, „Esperanto“, „1Ste Liebe“. Da swingen alte Zeiten aus dem „Freundeskreis“ mit und natürlich mächtig viel Klang. Das Publikum ist textsicher und in Tanzlaune. Es knistert im Saal. „Konstanz, komm flieg mit mir“, sagt er. Das wirkt an diesem Abend auch in Kreuzlingen.

Rap im Orchestergewand

Dort hebt die Stimmung mit dem Auftritt von Peter Fox, seinen zwei Sängerinnen und den virtuos-skurrilen Drummern von „Cold Steel“ vollends ab. Fox hat seinen Songs aus dem Album „Stadtaffe“ bereits im Original einen satten Orchestersatz verpasst und mit Schostakowitsch-Zitaten gearbeitet. Der Berliner Rapper mag es bass- und beatlastig, sein Sound ist gerade durch die Orchestrierung wuchtig. Und auch wenn man das alles technisch reproduzieren könnte – eine ganze Philharmonie im Nacken, die Stücke wie „Das Zweite Gesicht“ anspielt, das ist halt doch was anderes.

Perfekte Symbiose also für ein fantastisches Finale dieser Pop-Hiphop-Jazz-Soul-Rap-und-mehr-Mischung, die nicht nur Musikern und Dirigent, sondern auch Tontechnikern eine Menge abverlangt. Manchmal bleibt das Orchester dabei arg im Hintergrund. Am Ende jedoch kommt alles auf den Punkt zusammen und schafft den Soundtrack für eine große Party, die zweieinhalb Stunden lang ohne Pause auskommt.