Seit dem iPhone-Moment im Jahr 2007 haben Smartphones die Welt erobert und sind aus unserem Alltag nicht mehr wegzudenken. Doch welche Auswirkungen hat es, wenn Eltern zu oft auf ihr Handy schauen, anstatt sich ihrem Baby zuzuwenden? Wissenschaftliche Studien zeigen: Diese digitale Ablenkung kann sich negativ auf die kindliche Entwicklung auswirken – von Bindungsproblemen bis zu erhöhtem Stress.
Übrigens: Viele Menschen können sich ihren Alltag ohne Smartphone gar nicht mehr vorstellen. Das schlägt sich auch darin nieder, wie häufig wir auf die Geräte schauen. Im Schnitt blicken Nutzer 53 Mal am Tag auf ihr Smartphone. Allerdings können sich die Geräte negativ auf die Schlafqualität auswirken. Bei Männern kommt noch hinzu, dass Smartphones bei hoher Strahlung Einfluss auf die Fruchtbarkeit nehmen.
Handynutzung vor dem Baby: Warum elterliche Aufmerksamkeit so wichtig ist
Babys lernen die Welt durch die Reaktionen ihrer Eltern kennen. Die Interaktion mit den engsten Bezugspersonen ist entscheidend für die emotionale und soziale Entwicklung. Dabei spielt auch der Blickkontakt eine zentrale Rolle: Er vermittelt dem Kind, dass es gesehen und geliebt wird.
Ein klassisches Beispiel dafür ist das „Still-Face-Experiment“ des Entwicklungspsychologen Edward Tronick. Es zeigt, wie Babys auf eine abrupte Unterbrechung der elterlichen Aufmerksamkeit reagieren: Wenn Eltern plötzlich keine Mimik mehr zeigen oder ihr Kind ignorieren, reagieren Säuglinge mit Stress, Irritation und negativen Emotionen, wie Psychology Today in einem Beitrag zusammenfasst. Eine vergleichbare Reaktion wurde auch in einer Studie beobachtet, wenn Eltern durch ihr Smartphone abgelenkt sind.
Kindheitspädagogin Nora Zimmer erklärt in einem Interview auf der Website der Hamburger Hochschule für Angewandte Wissenschaften: „Durch die Nutzung des Smartphones kann es passieren, dass die Kontaktversuche des Säuglings nicht bemerkt werden. […] Das könne den Säugling enttäuschen, verängstigen, irritieren oder traurig machen.“
Wenn Eltern nur noch auf das Smartphone achten – Diese Auswirkungen hat es auf das Baby
Wenn Eltern auf ihr Handy schauen, verändert sich insgesamt ihre Reaktionsfähigkeit. Eine Studie des Leibniz-Instituts für Wissensmedien zeigt, dass längere Handynutzung die Feinfühligkeit der Eltern reduziert: Sie reagieren später auf Signale des Kindes oder bemerken sie gar nicht. Das führt dazu, dass Babys weniger soziale Interaktion erleben und sich schlechter verstanden fühlen.
Laut Beate Priewasser von der Paracelsus Medizinischen Universität Salzburg kann dies zu erhöhtem Stress bei Säuglingen führen: „Verwenden Eltern das Smartphone, steigt die Herzfrequenz des Babys signifikant an“, wird sie in einem Artikel zu dem Thema auf fr.de zitiert. Zudem zeigen Babys dann weniger Lachen und Freude.
Babys lernen außerdem durch Interaktion und Zuhören – zwei Faktoren, die durch die Handynutzung der Eltern gestört werden können. Eine Studie der TU Dortmund hat laut WDR gezeigt, dass Kinder von Eltern, die häufig aufs Handy schauen, schlechter auf Sprache reagieren. Die kindgerechte Sprache, also die einfache, melodische Sprechweise, die den Spracherwerb fördert, fällt bei abgelenkten Eltern oft weg. Dadurch verlangsamt sich automatisch die Sprachentwicklung des Nachwuchses. „Nicht nur für die Entwicklung der lautlichen Aspekte, also wie man spricht, sondern auch für Syntax und Grammatik ist die kindgerichtete Sprache entscheidend“, erklärt Barbara Mertins, Leiterin der Studie.
Die dauerhafte Ablenkung der Eltern durch das Smartphone kann auch langfristige Auswirkungen haben:
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Bindungsprobleme: Durch „Technoferenz“ – also die Unterbrechung der Eltern-Kind-Interaktion durch Technologie – kann das Urvertrauen des Kindes beeinträchtigt werden. Dies könnte langfristig zu Bindungsproblemen führen.
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Erhöhte Stressanfälligkeit: Eine Studie der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften zeigt, dass Babys von abgelenkten Eltern langfristig empfindlicher auf Stress reagieren könnten.
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Beeinträchtigte soziale Fähigkeiten: Kinder orientieren sich an ihren Eltern, um zu lernen, wie soziale Interaktion funktioniert. Wenn Eltern emotional weniger präsent sind, könnten Kinder Schwierigkeiten haben, soziale Signale richtig zu deuten.
Bewusster Umgang mit dem Smartphone – Das empfehlen Experten
Ein bewusster Umgang mit dem Smartphone kann helfen, die negativen Auswirkungen zu minimieren. Kleine Veränderungen können bereits eine große Wirkung haben:
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Smartphone-freie Zeiten einplanen: Feste Zeiten ohne Handy – etwa beim Füttern oder Spielen – sorgen für ungestörte Interaktion mit dem Baby. Eltern sollten das Gerät in dieser Zeit komplett wegpacken, denn selbst, wenn das Smartphone auf dem Tisch liegt, kann es ablenken.
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Interaktion mit dem Baby priorisieren: Statt nebenbei am Handy zu scrollen, bewusst auf Blickkontakt und Mimik achten.
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Schnellcheck vs. langes Scrollen: Ein kurzer Blick aufs Handy ist weniger problematisch als langes Eintauchen in soziale Medien oder E-Mails.
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Vorbildfunktion wahrnehmen: Kinder lernen von den Eltern – ein bewusster Umgang mit digitalen Medien prägt langfristig das eigene Verhalten.
Studienleiterin Lara Wolfers vom Leibniz-Institut für Wissensmedien betont, dass ein schneller Blick aufs Handy unproblematisch sei – problematisch werde es erst bei längeren Phasen der Ablenkung.
Übrigens: Auch wenn sie aus dem Babyalter heraus sind, beeinflussen Smartphones die Entwicklung von Kindern. Eltern sollten drei Fehler vermeiden, wenn es um das erste Gerät für ihr Kind geht. Dazu zählt auch, das Kind vor dem Smartphone zu „parken“.