Emeli Glaser

Viele Menschen kennen das: Man liegt abends im Bett und liest sich noch bis spät die Schlagzeilen des Tages durch oder wischt durch seinen Social Media-Feed. Oder man greift gleich nach dem Aufwachen als Erstes zum Handy und öffnet die News-App. Das Phänomen, sich am Handy massenweise schlechte Nachrichten anzuschauen und sich davon nicht losreißen zu können, nennt man „Doomscrolling“. Es ist ja auch verständlich: In den letzten Jahren folgt eine schwerwiegende Nachricht auf die andere und man möchte nichts verpassen. Welche Auswirkungen das „Doomscrolling“ auf uns hat, wie gefährlich es ist und was man dagegen tun kann, erfahren Sie hier.

„Doomscrolling”: Was ist das?

Der Begriff „Doomscrolling” setzt sich aus den englischen Wörtern „Doom” für Untergang und Verderben sowie „Scrolling” für über den Handybildschirm wischen, um mehr Inhalte zu sehen, zusammen und ist eine Wortneuschöpfung. Es zählt zu Wörtern wie „Social Distancing” oder „Booster”, die erst mit der Corona-Pandemie erfunden wurden, um neue Phänomene zu beschreiben. Sprachexpertinnen gehen davon aus, dass allein der deutsche Wortschatz etwa 2500 neue Wörter dazu gewonnen hat.

Die Pandemie war für viele Menschen eine ziemlich überfordernde und dystopische Zeit. Während manche sich im Lockdown Hobbies zugewendet haben, um die Zeit zu vertreiben und sich abzulenken, betrieben andere „Doomscrolling“: Zwanghaft am Handy schlechte Nachrichten konsumieren, zum Beispiel auf News-Seiten oder im eigenen Twitter-Feed.

Geprägt wurde der Begriff „Doomscrolling” von der amerikanischen Journalistin Kareen K. Ho, die in ihren Tweets während der Pandemie immer wieder darauf hinwies, den Blick auch mal vom Bildschirm abzuwenden – auch wenn eine Flut von beunruhigenden Informationen auf einen warten zu scheint. So schreibt sie im November 2020 zum Beispiel: „Bist du immer noch am Doomscrollen? Wie wäre es, auf sich zu achten und schlafen zu gehen?“

Ho betont aber, dass sie den Begriff nicht selbst erfunden habe. Den frühesten Gebrauch konnte sie auf 2018 zurückführen, schriebt das US-Online-Magazin Vox. Aber es ist auch möglich, dass das Wort „Doomscrolling” vorher schon verwendet wurde.

Inzwischen hat sich der Begriff sogar schon etwas weiterentwickelt. Im Sprachgebrauch geht es dabei heute nicht mehr nur darum, massenhaft negative Nachrichten zu konsumieren, sondern auch allgemein zu viel Zeit damit zu verbringen, exzessiv und passiv Inhalte am Smartphone zu konsumieren.

Hat „Doomscrolling” Folgen?

Im August 2024 wurde eine neue Studie zum Thema „Doomscrolling” im Journal Computers in Human Behavior Reports veröffentlicht. Die Studie hat untersucht, inwiefern „Doomscrolling” oder auch der exzessive Konsum schlechter Nachrichten am Handy in Verbindung mit existenziellen Ängsten und Pessimismus steht.

Dafür wurden 800 Studentinnen und Studenten aus dem Iran und den USA zu ihrem Smartphone-Konsum befragt. Das Ergebnis: In beiden Ländern konnten existenzielle Ängste mit „Doomscrolling”, also problematisch hohem Medienkonsum, in Verbindung gebracht werden. Bei der iranischen Stichprobe konnte sogar ein Zusammenhang zwischen „Doomscrolling” und Misanthropie festgestellt werden, also einer negativen Einstellung zur Menschheit, weil die Welt als ungerecht empfunden wird.

Ist „Doomscrolling“ gefährlich?

Laut Studie kann „Doomscrolling” negative Folgen für unsere psychische Gesundheit haben. Das gilt auch für die übermäßige Nutzung des Smartphones an sich. Exzessive Bildschirmzeit bei Jugendlichen wird von einer Studie der Monatsschrift Kinderheilkunde in Verbindung mit Depressionen, Schlafstörungen und beeinträchtigten kognitiven Fähigkeiten gebracht.

Die Autorinnen der Studie in Computers in Human Behavior Reports betonen aber, dass die negativen Folgen von „Doomscrolling” nicht nur etwas mit der individuellen Mediennutzung zu tun haben: Auch der Inhalt der schlechten Nachrichten, die uns umgeben, kann eine Art Medientrauma bei Konsumentinnen und Konsumenten auslösen. Die Folgen können laut Studie akuter Stress und sogar posttraumatische Stress-Symptome sein.

Was tun gegen „Doomscrolling”?

Manchmal kann es schwierig sein, seine Handy-Gewohnheiten zu verändern. Ein Grund ist zum Beispiel das Phänomen „FOMO” (fear of missing out), also die Angst, etwas zu verpassen, heißt es in der Monatsschrift Kinderheilkunde. Vor allem gebe es die Angst, negative Nachrichten zu verpassen. Genau das halte viele Menschen am Handy, heißt es in der Studie in Computers in Human Behavior Reports.

Was kann man also tun, um sein „Doomscrolling” auf ein gesünderes Level zu reduzieren? Man kann sich dabei grob am folgenden Satz des US-amerikanischen Entertainers Ru Paul orientieren: „Mit all der Dunkelheit, die uns in der Welt umgibt: Du kannst dir die Dunkelheit ansehen. Aber nicht hinein starren.“ Auch das US-Magazin Wired schreibt, es gehe vor allem um eine gesunde Balance daraus, informiert zu sein, aber nicht vor lauter Informationen überstimmuliert und unglücklich zu werden.

Laut der Website Hateaid.org kann man ein paar Tricks anwenden, um vom „Doomscrolling” wegzukommen:

  • Push-Benachrichtigungen ausschalten

  • Bildschirmzeit-Funktionen des Smartphones benutzen

  • weniger und gezielter Medien abonnieren

  • den eigenen Gefühlszustand bewusster wahrnehmen

  • bewusst Zeitgrenzen setzen

  • rausgehen und bewegen