Wenn es für eine längere Zeit sehr heiß ist und lange kein Regen fällt, wird das Flusswasser wärmer, die Pegel sinken. Was passiert dann in den grenznahen Schweizer Kernkraftwerken Beznau (Döttingen) und in Leibstadt gegenüber von Waldshut? Sie brauchen das Wasser aus der Aare beziehungsweise aus dem Rhein zur Kühlung. Könnte es Probleme geben? Der SÜDKURIER hat beim Schweizer Energiekonzern Axpo und beim Kernkraftwerk Leibstadt (KKL) nachgefragt.
Zwei unterschiedliche Kühlsysteme
Um die Frage zu beantworten, muss man wissen, dass die Kernkraftwerke Beznau und Leibstadt mit unterschiedlichen Kühlsystemen funktionieren. Das eine braucht mehr Wasser als das andere. Auffällig ist: Anders als Beznau hat Leibstadt (auch Gösgen) einen Kühlturm.

Kernkraftwerk Beznau
Das Kernkraftwerk Beznau (KKB) besteht laut den Angaben in der Broschüre der Axpo zur Anlage aus zwei Leichtwasserreaktoren (Block 1 und 2). Beide sind Druckwasserreaktoren mit zwei getrennten Kreisläufen.
Wie funktioniert die Kühlung? „Damit der Wasserdampf nach dem Antreiben der Turbinen wieder zu Wasser kondensiert, wird er in den sogenannten Kondensatoren abgekühlt“, schreibt Noël Graber, Mediensprecher bei Axpo. Dafür werde das Wasser aus der Aare in den Kondensator geleitet, der Dampf kondensiere, und das Kühlwasser werde danach leicht erwärmt wieder an die Aare abgegeben. Damit erklärt er gleichzeitig, warum Beznau ohne Kühlturm auskommt. Der Prozess laufe komplett im nichtnuklearen Teil der Anlage ab.
40.000 Liter pro Sekunde für beide Blöcke
Bei Vollastbetrieb werden für die Kühlung laut Angaben in der Broschüre für beide Blöcke insgesamt 40 Kubikmeter (40.000 Liter) Kühlwasser in der Sekunde benötigt. Graber erklärt: „Das Kernkraftwerk Beznau befindet sich in der Nähe des sogenannten Wasserschlosses.“ Dort wo Aare, Reuss und Limmat zusammenfließen. „Hier ist sehr viel Wasser vorhanden“, sagt der Axpo-Sprecher. Zum Vergleich: In einem Medienbeitrag vom Mai 2011 ist von einer Durchflussmenge in der Aare von 250 Kubikmetern pro Sekunde die Rede.
Im Extremfall komplett herunterfahren
Werde das Wasser in der Aare dennoch knapp, oder die Wassertemperatur steige zu hoch, reduziere das Kraftwerk gemäß der Vorschriften die Leistung. Die Wassermenge spielt also eher ein untergeordnete Rolle. Damit habe Beznau bisher noch keine Probleme gehabt. „Aber“, schreibt Graber weiter, „wegen der hohen Wassertemperaturen wurde die Leistung des Werks schon vorschriftsmäßig gedrosselt.“ Dies sei ein Routinevorgang, der während Hitzeperioden vorkomme.
Im Extremfall würde die Anlage komplett heruntergefahren und mit Wasser gekühlt, das auf der Anlage vorhanden sei. Graber: „Bei heruntergefahrener Anlage ist dafür nur noch sehr wenig Wasser notwendig.“

Kernkraftwerk Leibstadt
Das Kernkraftwerk Leibstadt ist mit einem Siedewasserreaktor ausgestattet. Es bezieht laut Pressesprecher Thomas Gerlach für die Kühlung im Normalbetrieb Wasser aus dem Rhein. „Damit wird das im Kühlturm verdunstete Wasser ersetzt, und es werden die Nebenkühlwassersysteme versorgt“, erklärt er.
Gerlach beschreibt, wie die Kühlung im KKL funktioniert: „Im komplett von der Außenwelt abgeschlossenen Primärwasserkreislauf des Reaktors wird der im Reaktor erzeugte Dampf zuerst auf den Turbinen für die Stromerzeugung genutzt, danach im Kondensator in Wasser zurück verwandelt und dieses zurück in den Reaktor geführt.“
Erwärmtes Wasser wird im Kühlturm versprüht
Der Kühlturm kühle das im vollständig abgetrennten Sekundärkreislauf zirkulierende Wasser. Das im Kondensator erwärmte Wasser werde im Kühlturm versprüht. Gerlach: „Dabei geben die herunterfallenden Wassertröpfchen ihre Wärme an den Luftzug im Kühlturm ab.“ Man nutze den Kamineffekt. Der kleine Teil des Wassers, das verdunste, werde oben als Dampffahne sichtbar.
Weniger als ein Hundertstel der Flusswassermenge
In der Informationsbroschüre des KKL heißt es bezüglich der benötigten Wassermenge: „Zur Kühlung der Zwischenkühlkreisläufe der Anlage und zur Ergänzung des verdunsteten Wassers im Kühlturm wird Rheinwasser verwendet. Dies sind insgesamt höchstens vier Kubikmeter (4000 Liter) pro Sekunde. Zum Vergleich: Der Rhein führt rund 1000 Kubikmeter Wasser pro Sekunde.“ Das heißt die Durchflussmenge beträgt umgerechnet eine Millionen Liter Wasser pro Sekunde, so viel wie über 7000 gefüllte, handelsübliche Badewannen mit 140 Liter.
„Auch bei einem sehr tiefen Wasserstand im Rhein entspricht die entnommene Wassermenge im Normalbetrieb weniger als ein Hundertstel der ganzen Flusswassermenge“, beschreibt Gerlach.
Auch bezüglich einer möglichen Flusserwärmung sieht das KKL kein Problem. Gerlach dazu: „99 Prozent der Abwärme des Kraftwerks wird über den Kühlturm in die Luft abgeführt. Nur das Wasser der Nebenkühlsysteme wird wieder in den Rhein zurückgeführt.“ Die Wassertemperatur des Rheins werde dadurch praktisch nicht beeinflusst. Die Temperatur des zurückgeleiteten Wassers sei nur leicht erhöht, die Wassermenge äußerst gering.
Zumindest für den Betrieb der Kernkraftwerke Beznau und Leibstadt scheinen sich die Betreiber bezüglich des Kühlwassers noch keine ernsthaften Sorgen zu machen. Hingegen gibt es in Frankreich Medienberichten zu Folge schon seit Mai Probleme. Wegen anhaltender Trockenheit mussten offensichtlich Kernkraftwerke gedrosselt werden.
Nuklearia sieht keine Gefahr einer Kernschmelze
Laut Nuklearia, ein Verein, der für die zivile Nutzung der Kernenergie wirbt, glaubten manche Atomkraftgegner: Wenn das Flusswasser zu warm werde, könne das Kernkraftwerk nicht mehr ausreichend gekühlt werden. Es bestünde dann selbst nach Abschalten des Reaktors die Gefahr einer Kernschmelze. „Das ist natürlich Unfug“, schreibt der Verein in einem Beitrag auf seinen Internetseiten.
Die Brennelemente müssten wegen der Nachzerfallswärme weiter gekühlt werden. Die Nachzerfallswärme sei unmittelbar nach dem Abschalten hoch, gehe dann aber schnell zurück. Die Nachkühlung für beliebig lange Zeit sei dann kein Problem, auch wenn das Flusswasser sehr warm sei.