Verunsicherung und Entwurzelung haben ihre Kindheit geprägt. Doch Lucia Engombe ist an ihren Erfahrungen als Flüchtlingskind in Angola und später im Exil in der DDR nicht zerbrochen – es hat sie nur noch stärker gemacht. Von Ruhestandspfarrer Karlfrieder Walz wurde sie nun nach Deutschland eingeladen, um gerade im Hinblick auf die aktuelle Flüchtlingswelle Brücken schlagen zu können.
„Lucia habe ich mit Hilfe der evangelischen Landeskirche in Baden eingeladen, um den Flüchtlingen, die täglich zu uns kommen, eine Stimme zu geben“, so Karlfrieder Walz, der Lucia Engombe im Juni vergangenen Jahres während seines Vertretungsdienstes in Namibia kennengelernt hatte. „Ich war gleich elektrisiert von ihrer Geschichte. Zwar könnte ich sie auch erzählen, aber wenn Lucia selbst in Deutschland spricht, ist es einfach authentisch.“
Lucia Engombe ist eine besondere Frau. Ihre Augen strahlen einen starken Willen aus, sie fühlt sich sicher in der deutschen Sprache, ihre Stimme ist fest, wenn sie von ihrer schweren Vergangenheit erzählt. Die 42-Jährige lässt keine Details aus, möchte nichts vertuschen oder beschönigen und möchte vor allem eines: verstanden werden – und Verständnis für die Situation von Flüchtlingen schaffen.
Die heute starke Frau war einst ein „gezeichnetes Kind“, wie sie es selbst beschreibt. Wegen der militärischen Konfrontationen in Nord-Namibia und Angola verbrachten von 1979 bis 1989 mehr als 400 schwarze Kriegswaisen sowie andere gezielt ausgewählte Kinder ihre Kindheit und Jugend in der damaligen DDR – darunter auch die damals siebenjährige Lucia. Die Kinder sollten im sozialistischen Deutschland zur „neuen Elite“ der marxistisch orientierten Befreiungsbewegung SWAPO ausgebildet werden.
„Die DDR schenkte mir ein besseres Leben, hier hatte ich Kleider, Essen und ein gesichertes Leben“, so Lucia Engombe. Das kleine Mädchen sieht zum ersten Mal Schnee, beißt zum ersten Mal in einen Apfel und hat eine eigene Puppe zum Spielen. Dennoch lässt sich nicht verheimlichen, dass der Kulturschock und die Trennung von Familie und Heimat hart waren für ein siebenjähriges Kind. Zudem waren die afrikanischen Kinder in der DDR nicht integriert, blieben unter sich und lebten in Internaten. „Wir wurden nur herumgeschubst“, so Lucia Engombe, die während dieser Zeit fast alle Ecken der DDR gesehen hat. „Die äußere Versorgung war da, aber Liebe haben diese Kinder nicht erfahren“, ergänzt Karlfrieder Walz. Nach der Wende, die fast zeitgleich mit der Unabhängigkeit Namibias zusammenfiel, wurde Lucia Engombe erneut entwurzelt. In einer Nacht- und-Nebel-Aktion wurden die Kinder in Flugzeuge gesetzt und in das mittlerweile fremd gewordene Namibia zurück gebracht. Lucia Engombe war damals das 95. Kind unter den Rückkehrern.
„Kind Nr. 95: Meine deutsch-afrikanische Odyssee“ heißt daher auch das Buch, das Lucia Engombe vor zehn Jahren veröffentlichte. „Mit dem Aufschreiben meiner Geschichte hat meine Seele Ruhe gefunden“, so Lucia Engombe. Auch wenn der Anfang nach der Rückkehr aus der DDR alles andere als einfach war, hat es die Frau aus Namibia geschafft, ihr Leben in die Hand zu nehmen. Heute arbeitet sie beim Deutschen Hörfunk der NBC (Namibia Broadcasting Corporation) in Windhoek und setzt sich privat dafür ein, Kinder von der Straße zu holen.
Bis zum 7. März ist Lucia Engombe mit Karlfrieder Walz in der Region unterwegs und wird in Schulen, Gottesdiensten, Asylantenheimen und in Vorträgen von Trennungserfahrungen und Kulturschocks eines 16-jährigen Flüchtlingslebens erzählen. Am heutigen Mittwoch, 25. Februar, ist sie von 15.30 bis 17 Uhr im Dorfstübli Maulburg zu Gast. Am Abend, um 19 Uhr, wird sie ihr Buch in der Buchhandlung Uehlin in Schopfheim vorstellen (um Anmeldung wird gebeten unter der Telefonnummer 07622/66 82 30).
Lucia Engombe bittet um Mithilfe: Um die Kinder in Namibia von der Straße zu holen, hat sie Fußballmannschaften gegründet. Neben Spielen und Training könnten auch Fußballtrikots aus Deutschland den Kindern Motivation und Selbstbewusstsein geben. Zudem sucht sie eine Brieffreundschaft für eine Bekannte, die von der deutschen Sprache fasziniert ist und einen Deutschkurs besuchen möchte.
Weitere Infos bei Karlfrieder Walz, Telefon 07622/631 47, oder per E-Mail an:karlfrieder.walz@gmx.de