GUY SIMON

Freigabe ist erfolgt, das Flugzeug beschleunigt und hebt ab. Walter Schoch, den alle „Walle“ rufen, hat jetzt erstmal eine kurze Pause, zumindest bis die nächste Maschine landet. Der 73-Jährige arbeitet bereits seit 42 Jahren auf dem Flughafen in Friedrichshafen: „Seit dem 1. August 1973“, erinnert er sich. Inzwischen ist er seit 2007 in Rente, hängt aber immer noch an der Arbeit am Flughafen: „Ich war zwei Tage zu Hause, dann musste ich wieder etwas machen. Ich kann einfach nicht nur rumhocken“, erklärt Schoch seinen Entschluss, trotz Rente noch arbeiten zu gehen. Früher sei er hauptsächlich auf dem Vorfeld tätig gewesen, habe Flugzeuge betankt und auf das Rollfeld eingewunken, jetzt helfe er bei der Flugzeugreinigung: „Ich bin viel an der frischen Luft und bekomme verschiedene Flugzeugtypen zu sehen, das ist toll.“

Persönlich und familiär: Der Flughafen in Friedrichshafen sei wie eine kleine Gemeinschaft, erklärt Schoch, der hier nahezu jeden Mitarbeiter zu kennen scheint: „Wir sind ja nicht so groß, da kennt jeder jeden. Immer wieder kommen auch Piloten an, die mich wieder erkennen und dann grüßen.“Große Freude habe er an der jährlich stattfindenden Aero-Messe für Luftfahrt, auf der Flugzeuge aller Art zu bestaunen sind: „Als damals die erste Boeing 737 hier gelandet ist, war das schon sehr beeindruckend.
Besonders toll war allerdings das gigantische russische Frachtflugzeug Antonow, das in Friedrichshafen Teile für eine Raumstation aufgeladen hat“, erklärt der Flugbegeisterte.

Nur eine Baracke: Seit 1973 habe sich am Häfler Flughafen einiges getan: „Als ich hier anfing gab es eine Baracke um einzuchecken und einen Kontroll-Tower unterhalb vom jetzigen Restaurant. Außerdem war es ein militärischer Flughafen mit ziviler Mitbenutzung. Die Franzosen führten damals noch viele militärische Übungsflüge hier in der Gegend durch.“ Es sei allerdings insgesamt ein wenig lockerer zugegangen als heute.„Wir haben früher ab und zu mal nachgefragt, ob in einer Maschine noch Platz frei ist und haben dann schnell einen Tagesausflug, beispielsweise nach Teneriffa, unternommen. Auf der Insel hatten wir zwei Stunden Aufenthalt, legten uns an den Strand und tranken gemütlich etwas. Das war im Februar, während in Deutschland alle mit dem Pelzmantel unterwegs waren“, erzählt Schoch schmunzelnd und ergänzt: „Wir sind allerdings nicht zu jedem Piloten in die Maschine. Man merkt sehr schnell, wer sein Handwerk versteht. Die haben zwar alle einen Flugschein, dennoch fliegen sie nicht alle gleich gut.“

Intersky: Der Ausfall der Fluggesellschaft Intersky sei auf dem Flughafen deutlich zu spüren: „Das waren ja am Tag zirka acht Flüge, das merkt man schon.“Früher habe es oft geheißen, dass es denen nicht so gut gehe, „aber passiert ist nie etwas, bis vor kurzem eben“, sagt Schoch. Derartige Probleme habe es allerdings schon des Öfteren gegeben: „Da gab es Hamburg International oder Aero Lloyd, die beide Insolvenz anmelden mussten“, erinnert sich der langjährige Flughafen-Mitarbeiter. Besonders dramatisch sei das bei Aero Lloyd gewesen: „Das lief über Nacht – Piloten und Stewardessen machten sich auf den Weg zum Flieger, da hing dann der Aufkleber von der Staatsanwaltschaft dran.“ Der Ausfall habe den Flughafen auch damals hart getroffen, erklärt er: „Die hatten ja große Maschinen. Dennoch war schnell wieder ein Ersatz da.“

Autogrammjäger: Eine spezielle Leidenschaft von Walter Schoch ist das Sammeln von Autogrammen prominenter Passagiere: „Juan Carlos, den König von Spanien, hab ich in meinem Buch stehen, genauso wie Angela Merkel, Roberto Blanco, Joan Baez und viele mehr.“ Bisher habe er immer ein Autogramm bekommen, mit einer Ausnahme: „Die Tochter der englischen Königin Elizabeth, Prinzessin Anne, wollte mir keins geben.“

Abstürze und Unfälle: Im Laufe der Zeit hat der 73-Jährige auch einige kleinere und größere Katastrophen miterlebt: „Oft sind bei der Landung die Reifen geplatzt oder ein Pilot hat vergessen das Fahrwerk rechtzeitig auszufahren – das gab dann eine Bauchlandung. Besonders schlimm war allerdings ein Flugzeugabsturz, bei dem es sechs Tote gab.“ Einmal sei auch ein kleineres Sportflugzeug in die Kirche „Zum guten Hirten“ in Friedrichshafen hineingekracht: „Der Pilot war zu langsam, es gab einen Strömungsabriss und er stürzte in das Kirchengebäude.“

Wie lange noch? Am Flughafen arbeiten will der Rentner so lange es ihm gesundheitlich möglich ist: „Wenn ich jeden Tag aufstehen und laufen kann, will ich auch zur Arbeit.“ Morgens, wenn er zur Arbeit kommt, überprüft er zuerst immer den Monitor in der Terminal-Halle: „Wenn ich sehe, dass eine große Maschine landet, dann bin ich immer noch mit vollem Herzblut dabei“, sagt er und macht sich wieder auf den Weg zum Vorfeld, immerhin werden heute noch ein paar Maschinen landen.