Nicht nur Klinikärzte, sondern auch niedergelassene Ärzte sind mit ihren Arbeitsbedingungen unzufrieden. Heute bleiben deshalb einige Praxen in Konstanz geschlossen. Die Ärzte streiken und nehmen an einer Protestveranstaltung in Stuttgart teil, wo sie mit Sozialminister Andreas Renner sowie Vertretern der Kassenärztlichen Vereinigung und der Krankenkassen diskutieren wollen. Mit dabei ist der Facharzt für Innere Medizin, Ewald Weisschedel. Er betont, es gehe den Ärzten nicht um mehr Geld, sondern um bessere Arbeitsbedingungen.
Wie viele Konstanzer Ärzte begleiten Sie nach Stuttgart?
Ich rechne mit zehn bis 15 Ärzten, überwiegend Hausärzten.
Wie werden die Patienten versorgt, die einen Termin hatten?
Meine Patienten wurden auf einen anderen Termin umbestellt und haben mit Verständnis darauf reagiert.
Sie wollen mit ihrem Streik gegen die Zunahme von Bürokratie in ihren Praxen protestieren. Wie sieht das Verhältnis zwischen bürokratischem Aufwand und der Behandlung von Patienten tatsächlich aus?
Bürokratie breitet sich im gesamten Gesundheitswesen aus. Der Arbeitsaufwand verschiebt sich immer mehr zugunsten des Schreibtischs. Manchmal diskutiere ich mit Patienten länger über Formulare als über ihre eigentliche Krankheit. In Krankenhäusern beansprucht die Dokumentation bereits ein Drittel der Arbeitszeit.
Niedergelassene Ärzte bemängeln, dass ein Drittel der ärztlichen Leistungen unvergütet bleiben. Wie sieht das in ihrer Praxis aus?
Offensichtlich wird dieser Missstand bei Hausbesuchen: Noch vor Ende eines Quartals ist mein Budget für Hausbesuche ausgeschöpft. Weil Hausbesuche für mich aber ein wichtiger Bestandteil meiner Tätigkeit sind, mache ich sie trotzdem. Allerdings bekomme ich dann nichts dafür.
Sie wollen auch für die Patientenrechte demonstrieren. Wo sehen Sie diese beschnitten?
Durch die Gesundheitsreformen werden wir gezwungen, nur noch die preiswertesten Medikamente zu verordnen. Patienten sollen bei einigen Kassen nur noch einen Arzt und eine Apotheke aufsuchen können. In etlichen Regionen können Praxen nicht mehr besetzt werden, was zu Leistungseinbußen führt.
Wieso werden Praxen nicht mehr besetzt?
Weil immer weniger Mediziner tatsächlich in ihrem Beruf arbeiten. Alternativen mit besseren Arbeitsbedingungen sind zum Beispiel der Medizin-Journalismus oder die Arbeit als Berater. Bessere Bedingungen finden Ärzte auch im Ausland, weshalb immer mehr zum Beispiel in die Schweiz abwandern.
Sie streiken auch aus Solidarität mit ihren Kollegen in Krankenhäusern. Weshalb?
Wir niedergelassenen Ärzte sind ganz existentiell darauf angewiesen, dass die Klinik vor Ort gut funktioniert. Wir können schwierigere Fälle umso länger ambulant behalten, je mehr wir uns auf die Qualität der Klinik verlassen können. Wenn sich allerdings die Arbeitsbedingungen in den Krankenhäusern verschlechtern, werden die Kliniken zunehmend Schwierigkeiten haben, Assistenzärzte zu finden.
Das Gespräch führte
Anja Wischer