Sie ist Baden-Württembergerin, liebt Streuobstwiesen und ist ein überaus nützlicher Parasit, was sich biologisch nicht ausschließt. Sie ist aber nicht gelb-schwarz gestreift und schon gar nicht grün. Eigentlich ist sie kaum mehr als ein schwarzer Krümel, wenn man sie überhaupt mit bloßem Auge erkennen kann. Ihre wahre Größe entfaltet sie erst unter dem Mikroskop: Da zeigt sich, dass der nur einen Millimeter kleine Punkt unverkennbar eine zwar winzige, aber vollständige Wespe ist – mit einer absoluten Besonderheit ihrer Gattung: Sie hat Stacheln am Hintern.

Das Modell der Wespenart – um ein Vielfaches größer als das Original.
Das Modell der Wespenart – um ein Vielfaches größer als das Original. | Bild: Bernd Weißbrod/dpa

Seit Donnerstag nun ist die von Marina Moser, einer Insektenforscherin und Doktorandin am Stuttgarter Naturkundemuseum, neu entdeckte und klassifizierte Art offiziell nach einem zuweilen nicht minder stacheligen, aber ungleich größeren Lebewesen benannt: dem baden-württembergischen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann. „Aphanogmus kretschmanni“ ist der künftige wissenschaftliche Name der neu entdeckten Wespenart, mit der der Name des Grünen-Politikers und gelernten Biologie-Lehrers künftig für alle wissenschaftliche Ewigkeit verbunden sein wird.

An sieben Standorten nachgewiesen

Erstmals entdeckt hatte Moser die Wespenart bei einem Screening auf einer Tübinger Streuobstwiese, inzwischen wurde ihr Vorkommen bereits an sieben Standorten im Land nachgewiesen. Und weil Moser im Rahmen der vom Land Baden-Württemberg ins Leben gerufenen Initiative „Integrative Taxonomie“ und der Forschungskooperation von Uni Hohenheim und Naturkundemuseum zur Biodiversität und Taxonomie überhaupt erst zu den Wespen, ihrem Thema und letztlich der wissenschaftlichen Entdeckung fand, lag es für sie nahe, Kretschmann bei der Namensgebung zu bedenken.

„Aphanogmus kretschmanni“ ist nur unterm Mikroskop erkennbar – auch für ihren Namenspaten Winfried Kretschmann.
„Aphanogmus kretschmanni“ ist nur unterm Mikroskop erkennbar – auch für ihren Namenspaten Winfried Kretschmann. | Bild: Bernd Weißbrod/dpa

Im Rahmen einer kleinen Feierstunde nahm der solcherart Geehrte im Stuttgarter Naturkundemuseum nun ein vielfach vergrößertes Modell des Insekts entgegen und konnte sich mittels am Karlsruher KIT erzeugter 3-D-Simulation und Datenbrille in die virtuelle Lebenswelt des Winzlings begeben.

Winfried Kretschmann begibt sich mit einer 3-D Brille in die virtuelle Welt seiner Wespe.
Winfried Kretschmann begibt sich mit einer 3-D Brille in die virtuelle Welt seiner Wespe. | Bild: Bernd Weißbrod/dpa

Der Grünen-Politiker platzte in aller Demut angesichts der Ehre fast vor Stolz. „Was für ein Tag, das ist einer der größten Tage in meinem Leben“, sagte der 74-Jährige sich sichtlich gerührt. „Das Modell einer Art in der Hand zu halten, die nach mir benannt ist, ist schon ein sattes Gefühl.“ 1979 sei der Schutz von Umwelt und Natur, so Kretschmann, für ihn der Anlass gewesen, die Grünen mitzugründen und in die Politik zu gehen. „An diesem dicken Brett, die Natur zu schützen, bohre ich seit 40 Jahren in der Landespolitik“, sagte er.

Nun hätte es vielerlei Möglichkeiten für Kretschmann gegeben, in der Dankesrede politisch mit seinem Namensobjekt zu kalauern – unscheinbar, parasitär, stachelig, nützlich, Größe im Kleinen zeigen, so in der Art. Bislang war zudem nur ein Kaktus nach ihm benannt gewesen, allerdings keine Neuentdeckung. Auch ein stacheliges Objekt.

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Kretschmann aber nutzte stattdessen die Gelegenheit zu einem ernsthaften Appell für Arten- und Naturschutz. „Wir feiern diese Art heute mit dem Versprechen, uns für Millionen ihrer Mitgeschöpfe einzusetzen. Es ist nur eine winzige Art, aber sie ist Teil des Wirkungsgefüges der Natur und des Lebensnetzwerkes, das auch uns Menschen trägt“, sagte Kretschmann. Knapp vor seinem 75. Geburtstag, den er am 17. Mai feiert, war das wohl das schönste aller denkbaren Geschenke für den Grünen-Politiker.